OGH 7Ob186/04k

OGH7Ob186/04k8.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Richard Schwach, Rechtsanwalt in Korneuburg als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Rose-Marie Rath, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 103.494,47 sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Mai 2004, GZ 13 R 23/04d-42, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der bei der Beklagten mit einer Versicherungssumme von EUR 219.035,92 unfallversicherte Kläger verlor am 27. 10. 1999 auf einer Leiter den Halt und fiel aus einer Höhe von 2,5 bis 3 m zu Boden. Er stürzte - halb springend - auf das rechte Bein (das unverletzt blieb), kippte seitlich um und fiel rechts auf Oberschenkel, Hüfte und Brustkorb. Ab diesem Unfall traten beim Kläger belastungsabhängig Schmerzen im rechten Hüftgelenk auf. Am 21. 7. 2000 unterzog sich der Kläger deshalb einer Operation des rechten Hüftgelenks, das durch eine Prothese ersetzt wurde.

Der Kläger begehrt aus dem Vorfall vom 27. 10. 1999 eine Versicherungsleistung von (umgerechnet) EUR 103.494,47 sA. Er habe sich durch den Sturz eine Verletzung des rechten Hüftgelenks zugezogen, das schließlich durch eine Prothese ersetzt habe werden müssen. Unter Zugrundelegung einer 50 %igen Beinwertminderung errechne sich eine Versicherungsleistung von EUR 114.993,86; die Beklagte habe ihm lediglich EUR 11.499,39 gezahlt.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Hüftgelenksschaden stehe in keinem Zusammenhang mit dem Unfallsgeschehen. Der prothetische Ersatz des Hüftgelenks sei wegen eines Leidens aus innerer Ursache erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass das rechte Hüftgelenk des Klägers degenerativ vorgeschädigt gewesen und im Zuge des Sturzes eine bereits bestehende Hüftgelenksathrose lediglich aktiviert worden sei. Auch ohne das Unfallereignis hätte die Operation ca ein Jahr später stattfinden müssen. Der gegenständliche Unfall sei also nicht schadenskausal gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht verneinte eine vom Kläger behauptete Aktenwidrigkeit und verwarf auch dessen Mängel-, Tatsachen- und Beweisrügen. Ausgehend demnach von den Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes erachtete es auch die Rechtsrüge für nicht berechtigt: Der Kläger begehre offenkundig eine Kapitalabfindung für eine teilweise Invalidität. Dabei komme es jedoch nur auf die Kausalität der zur Invalidität führenden Verletzung an. Der Schaden wäre daher "auch sonst" (nicht durch das Unfallsgeschehen) eingetreten, weil die "hypothetische Ursache" ("Reserveursache") zum Tragen gekommen wäre. Bei den sogenannten Anlagefällen sei die Reserveursache bei der konkreten Schädigung als Anlage bereits vorhanden. Diese Gestaltung könne sich vor allem bei Körperverletzungen ergeben. Bei den Anlagefällen sei kein durch die Vorverlegung des Schadenseintrittes entstehender Nachteil zu ersetzen.

Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Entscheidung angestanden sei und das Berufungsgericht nicht von der Judikaturlinie abweiche.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger betrachtet die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes für zulässig, weil ein Verfahrensfehler von erheblicher Bedeutung iSd genannten Gesetzesstelle vorliege. Dieser wird von ihm darin erblickt, dass drei von ihm als Zeugen namhaft gemachte Ärzte nicht vernommen worden seien.

Der Kläger macht damit einen Verfahrensmangel geltend, der von ihm bereits in der Berufung erhoben und vom Berufungsgericht verneint wurde. Nach stRsp können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, nicht mehr in der Revision geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RIS-Justiz RS0042963 [T 28, T 52]; RS0043086 [T 7 und T 8]; 7 Ob 305/02g; 7 Ob 223/03z uva). Beides ist hier jedoch nicht gegeben, weil sich das Gericht zweiter Instanz mit der Mängelrüge auseinandergesetzt und sie mit einer ausführlichen, der Aktenlage nicht widersprechenden Begründung als nicht berechtigt erkannt hat. Demnach vermag der Revisionswerber keinen Verfahrensfehler aufzuzeigen, der ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofes erforderlich machte.

Zwischen dem Unfallereignis, der Gesundheitsschädigung (Unfallereignisfolge) und dem für den Leistungsanspruch relevanten Gesundheitsschaden (Unfallfolge) muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, der im Zweifel vom Versicherungsnehmer zu beweisen ist (Wussow/Pürckhauer AUB6 § 1 III Rn 63; vgl ua auch Grimm, Unfallversicherung3 § 1 Rn 50 und § 8 Rn 1). Darüber hinaus kann der Versicherer den Beweis erbringen, dass die Beeinträchtigung auch ohne Unfall später mit Sicherheit eingetreten wäre (überholende Kausalität vgl VersR 1991, 1315 = RdW 1992, 177 = ecolex 1991, 499). Soweit der Kläger im Rahmen seiner Rechtsrüge argumentiert, der "zeitliche Ablauf" spreche für die vom Berufungsgericht verneinte Kausalität des gegenständlichen Unfalles für den Hüftgelenksschaden, wird übersehen, dass es sich dabei um eine vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, unüberprüfbare Frage der Beweiswürdigung handelt (vgl etwa 2 Ob 160/01g uva).

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird vom Revisionswerber daher nicht aufgezeigt und auch nicht - was ja genügen würde (vgl 6 Ob 527, 528/92; 1 Ob 2349/96i; 7 Ob 78/00x; 7 Ob 260/03s ua) - auch nur aufgeworfen. Insbesondere wird von der Revision keinerlei Kritik an der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes geübt, bei den sogenannten Anlagefällen (wie dem vorliegenden) sei ein durch die Vorverlegung des Schadenseintrittes entstehender Nachteil nicht zu ersetzen. Dies steht im Widerspruch zur - vom Berufungsgericht ohnehin zitierten - oberstgerichtlichen Judikatur (RIS-Justiz RS0022609; RS0022634; RS0106534; 7 Ob 86/02a uva), wonach der Täter bei den Anlagefällen, bei denen "von der realen Tat ein Rechtsgut betroffen ist, das sein Ende im Schädigungszeitpunkt schon in sich trägt" (Reischauer in Rummel ABGB2 § 1302 Rz 15) (nur) den durch die Vorverlegung des Schadenseintrittes entstehenden Nachteil zu ersetzen hat (JBl 1974, 318; SZ 69/199; RIS-Justiz RS0022684; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12 II 315 f; Harrer in Schwimann, ABGB2 VII, § 1302 Rz 35 mwN).

Da sich der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, aber auf jene Gründe zu beschränken hat, die in der Zulassungsbeschwerde angeführt (RIS-Justiz RS0107501), zumindest aber in den Rechtsmittelausführungen behandelt wurden (Kodek in Rechberger2 § 506 ZPO Rz 3; 10 ObS 1003/96, RIS-Justiz RS0043644 [T 2] uva), während andere mögliche Rechtsfehler, selbst wenn ihnen erhebliche Bedeutung zukommen könnte, nicht zu untersuchen sind (7 Ob 59/02f, RIS-Justiz RS0107501 [T 1]), kann darauf nicht weiter eingegangen werden (vermutlich ist der betreffende Anspruch durch die Zahlung der Beklagten von EUR 11.499,39 ohnehin abgegolten).

Das mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO demnach unzulässige Rechtsmittel des Klägers ist zurückzuweisen.

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