Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei, die Rechtssache an das Bezirksgericht Lienz zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die beklagte Partei nahm am 3. 10. 2001 ein Anbot der klagenden Partei vom 21. 8. 2001 über die Errichtung eines Kleinkraftwerkes für die H*****hütte im Gebiet Lienz an. Punkt 11 des Auftragschreibens der beklagten Partei vom 3. 10. 2001 bestimmt unter der Überschrift Gerichtsstand: "Als Gerichtsstand für alle aus diesem Rechtsgeschäft etwa entspringenden Rechtsstreitigkeiten ist in erster Instanz das zuständige Gericht in Wien".
Die klagende Partei begehrt 6.083,56 EUR an noch offenem Werklohn. Die beklagte Partei wendet ein, dass die klagende Partei auftragswidrig die zum Krafthaus führende, 156 m lange Druckrohrleitung nicht ummantelt habe. Der beklagten Partei stehe daher ein Preisminderungsanspruch zu. Die Ersatzvornahmekosten betrügen 7.800 EUR. Dieser Betrag wurde kompensando gegen die Klageforderung eingewendet.
Am 5. 9. 2003 beantragte die klagende Partei die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Lienz. Sowohl der Geschäftsführer der klagenden Partei als auch beide von der klagenden Partei namhaft gemachten Zeugen hätten ihren Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Lienz. Der von der beklagten Partei beantragte Lokalaugenschein sei ebenfalls im Sprengel des Bezirksgerichtes Lienz durchzuführen. Zwei von drei der von der beklagten Partei namhaft gemachten Zeugen hätten ihren Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Lienz.
Die beklagte Partei sprach sich unter Hinweis auf die Gerichtsstandsvereinbarung gegen eine Delegierung aus. Überdies sei die Delegierung unzweckmäßig.
Das Bezirksgericht Josefstadt legte den Delegierungsantrag der klagenden Partei mit der Äußerung vor, dass die Delegierung befürwortet werde: Zwar sei der beklagten Partei darin zu folgen, dass bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung nachträglich wesentliche Zweckmäßigkeitsgründe eingetreten sein müssten, auf die nicht Bedacht genommen worden sei. Die beklagte Partei habe jedoch selbst einen Ortsaugenschein beantragt und diesen Antrag bisher nicht zurückgezogen. Ausschließlich ein Zeuge und der Vorsitzende der beklagten Partei seien in Wien ansässig. Die Delegierung sei daher als zweckmäßig zu erachten.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen dann, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes durch Parteienvereinbarung begründet wurde, grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie dem Zweck der Parteienvereinbarung widerspricht (Ballon in Fasching² I § 31 JN Rz 4; Maier in Rechberger² § 31 JN Rz 4; 7 Nd 502/89; 3 Nd 514/93; 7 Nd 509/00). Anders liegt der Fall nur, wenn nachträglich wesentliche, für die Zweckmäßigkeit der Delegierung sprechende Umstände eintreten, auf welche die Parteien bei ihrer Übereinkunft nicht Bedacht nehmen konnten (7 Nd 509/00 mwN).
Das Vorliegen solcher nachträglicher Umstände hat die klagende Partei nicht einmal behauptet: Bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag über die Errichtung eines Kleinkraftwerkes musste damit gerechnet werden, dass in einem nachfolgenden Rechtsstreit die Mängelfreiheit des hergestellten Werkes wesentlich sein könnte und dass zum Nachweis der Mängelfreiheit (bzw zum Nachweis vorhandener Mängel) die Durchführung eines Ortsaugenscheines zumindest als möglich anzusehen ist. Haben die Parteien dennoch eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, kann diese nicht von einer Partei im Wege der Delegierung nach § 31 JN zunichte gemacht werden. Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall, in welchem die Gerichtsstandsvereinbarung deshalb nicht schlagend wurde, weil der allgemeine Gerichtsstand der beklagten Partei ohnedies der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung entspricht.
Der Delegierungsantrag der klagenden Partei war daher abzuweisen.
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