OGH 5Ob116/04a

OGH5Ob116/04a25.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred A*****, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Manfred G*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 7.000), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 25. Februar 2004, GZ 6 R 12/04k-25, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 4. August 2003, GZ 2 C 1347/02v-15, aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 416,06 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin EUR 69,34 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof gegen seinen Aufhebungsbeschluss für zulässig erklärt, weil zur Frage, ob eine Verkehrssicherungspflicht auch gegenüber einem beim Bau nicht direkt Beschäftigten gelte, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

An diesen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof jedoch bei Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gebunden.

Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erweist sich das Rechtsmittel des Beklagten als nicht zulässig, was wie folgt kurz zu begründen ist:

Ausgehend davon, dass der Beklagte den Rohbau seines Hauses teilweise in Eigenregie unter Mithilfe von Freunden und Bekannten, so auch des Klägers, errichtete, hat er zumindest für einen bestimmten Personenkreis den Verkehr auf dieser Baustelle eröffnet, weshalb seine Verkehrssicherungspflicht sich jedenfalls auf jene Personen erstreckt, die insofern zum Betreten der Baustelle von ihm befugt waren (RIS-Justiz RS0023355; zuletzt 3 Ob 72/02p). Sogar wenn der Geschädigte nicht von vornherein zum Kreis der geschützten Personen zählt, wird eine Verkehrssicherungspflicht unter besonderen Umständen bejaht, wenn eine ganz unerwartete oder große Gefährdung verwirklicht wird (RIS-Justiz RS0114361; EvBl 2001/67).

Die Verpflichtung des Beklagten zur Absicherung des offenen Kellerschachts, in den der Kläger bei einem Besuch der Baustelle stürzte und sich eine Querschnittslähmung zuzog, diente gerade der Abwehr solcher naheliegender und voraussehbarer Gefahren (6 Ob 71/01m). Für das Verschulden reicht es aus, dass der Verletzer die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der betreffenden Art im Allgemeinen hätte erkennen müssen. Nicht erforderlich war hingegen, dass der Schadenseintritt für ihn auch vorhersehbar war (EvBl 2001/67 unter Hinweis auf Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2 426; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 59 ua).

Damit wird keineswegs eine vom Verschulden losgelöste Erfolgshaftung begründet.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der Beklagte jedenfalls gegenüber dem Kläger eine ihn treffende Gefahrabwendungspflicht verletzte, steht im Einklang mit der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Der Möglichkeit des Selbstschutzes des Geschädigten und einem allenfalls aus entsprechender Unterlassung resultierenden Mitverschulden des Klägers hat das Berufungsgericht durch die verfügte Aufhebung Rechnung getragen. Ein Mitverschulden liegt nämlich nur dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für bestehende Gefahren gegeben sind und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen. Erkennbaren Gefahrenstellen muss nämlich grundsätzlich ausgewichen werden (RIS-Justiz RS0023704 ua). Auch diese Begründung steht im Einklang mit ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Wenn das Berufungsgericht Feststellungen zur Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens des Geschädigten für nicht ausreichend erachtete und dem Erstgericht die Schaffung entsprechender Grundlagen hiefür auftrug, handelt es sich dabei um dem Bereich der Tatsachenfeststellungen zugehörige Aufträge, die durch den Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden können. Über das Ausmaß allfälligen Mitverschuldens des Geschädigten wird eine Beurteilung allerdings erst nach der Schaffung entsprechender Grundlagen möglich sein.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO war das Rechtsmittel des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 40 ZPO.

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