OGH 3Nc34/03k

OGH3Nc34/03k17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Sailer, Dr. Fellinger und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Anna M*****, vertreten durch Dr. Peter Messnarz, Rechtsanwalt in Villach, wider die verpflichtete Partei Karl M***** , wegen 11.874,74 EUR sA, über den vom Bezirksgericht Villach mit Verfügung vom 24. November 2003, GZ 12 E 5647/03b-14, zur Entscheidung vorgelegten negativen Kompetenzkonflikt folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Fortführung des Exekutionsverfahrens ist das Bezirksgericht Villach zuständig.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 27. Oktober 2003, GZ 12 E 5647/03b-13, wird aufgehoben.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Josefstadt bewilligte mit Beschluss vom 23. Dezember 1999 auf Antrag der Betreibenden gegen den damals in Deutschland wohnhaften Verpflichteten zur Hereinbringung einer Unterhaltsforderung von 26.600 S (Rückstand) sowie laufenden Unterhalts von 3.800 S monatlich ab Dezember 1999 die Forderungsexekution (Drittschuldner Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien).

Am 16. Juni 2003 beantragte die Betreibende den unpfändbaren Freibetrag gemäß § 292b EO herabzusetzen, weil der Lebensunterhalt des Verpflichteten, der über ein weiteres Pensionseinkommen von einer Pensionsversicherungsanstalt in Deutschland verfüge, keinesfalls gefährdet sei; der Verpflichtete möge überdies zur Bekanntgabe dieser Anstalt sowie der Bezugshöhe aufgefordert werden, damit die Betreibende einen Antrag gemäß § 292 Abs 2 EO stellen könne. Am 11. August 2003 teilte die Betreibende mit, der Verpflichtete beziehe eine weitere Pension über die LVA Landesversicherungsanstalt Oberbayern in München.

Das Bezirksgericht Josefstadt überwies die Exekutionssache mit Beschluss vom 11. August 2003 dem Bezirksgericht Leopoldstadt (neue Anschrift des Drittschuldners Pensionsversicherungsanstalt in Wien 2).

Die Aufforderung zur Äußerung zum erwähnten Antrag der Betreibenden konnte dem Verpflichteten nicht zugestellt werden, weil dieser laut Mitteilung des Amtsgerichts München als Rechtshilfegericht nach Österreich verzogen sei.

Am 12. September 2003 teilte die Betreibende mit, der Verpflichtete wohne nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichts Villach, uzw. in F*****, weshalb die Überweisung an das Bezirksgericht Villach beantragt werde. Das Bezirksgericht Leopoldstadt überwies hierauf mit Beschluss vom 16. September 2003 die Exekutionssache gemäß § 44 JN dem Bezirksgericht Villach.

Das Bezirksgericht Villach erklärte sich mit Beschluss vom 27. Oktober 2003 für die Fortführung dieses Exekutionsverfahrens durch Pfändung und Überweisung von Pensionsbezügen für nicht zuständig; der Akt werde nach Rechtskraft der Überweisungsbeschlüsse des Bezirksgerichts Josefstadt und des Bezirksgerichts Leopoldstadt sowie dieses Beschlusses dem Obersten Gerichtshof nach § 47 JN zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vorgelegt. Zur Begründung führte das Bezirksgericht Villach aus, die Änderung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts bei einer bereits bewilligten und vollzogenen Forderungsexekution nach § 294 EO sei nach § 18 Z 3 EO nicht zulässig; das Bezirksgericht Josefstadt bleibe daher gemäß § 29 JN zuständig.

Die (gemeinsam zugestellten) Überweisungsbeschlüsse des Bezirksgerichts Josefstadt und des Bezirksgerichts Leopoldstadt sowie der Beschluss des Bezirksgerichts Villach sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Mit Verfügung vom 24. November 2003 legte das Bezirksgericht Villach den Exekutionsakt zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt gemäß § 47 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Da zwei einander widersprechende rechtskräftige Beschlüsse des Bezirksgerichts Leopoldstadt und des Bezirksgerichts Villach über die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der betreibenden Parteien vorliegen, sind die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 47 JN gegeben. Bei der Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses, auch wenn dieser vielleicht unrichtig war, Bedacht zu nehmen (EvBl 1980/123; 3 Nd 1/97 ua; Ballon in Fasching2 I § 47 JN Rz 17; Mayr in Rechberger, ZPO2 § 47 JN Rz 5).

Gemäß § 46 Abs 1 JN ist dann, wenn die Unzuständigkeit eines Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit rechtskräftig ausgesprochen wurde, diese Entscheidung für jedes Gericht bindend, bei dem die Rechtssache in der Folge anhängig wird. Die Überweisung nach § 44 JN enthält zumindest insoweit eine analog zu § 46 Abs 1 JN sowohl in sachlicher als auch in örtlicher Hinsicht bindende Zuständigkeitsentscheidung, als das Gericht, an das überwiesen wurde, seine Zuständigkeit nicht deshalb ablehnen kann, weil das überweisende Gericht zuständig ist (SZ 40/97; EvBl 1980/52;

EvBl 1980/123; SZ 68/217; 3 Nd 1/97 ua; Ballon aaO § 44 JN Rz 12;

Mayr aaO § 44 JN Rz 4).

Diese Bindungswirkung des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, greift auch dann ein, wenn es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasste (SZ 68/217; 3 Nd 1/97; 8 Nd 2/99 ua). Die gegenteilige Ansicht von Fucik in RZ 1985, 240, Mayr aaO § 44 JN Rz 4 und Ballon in FS Gaul 11 (ders ebenso in Fasching aaO § 44 JN Rz 12) wurde vom Obersten Gerichtshof in den erwähnten Entscheidungen mit eingehender Begründung abgelehnt. Eine unterschiedliche Behandlung der Fälle, in denen der Beschluss gemäß § 44 JN bereits vom überweisenden Gericht zugestellt wurde, und denjenigen Fällen, in denen die Zustellung gemäß § 44 Abs 2 JN erst durch das Gericht, an das überwiesen wurde, erfolgt, nachdem dieses selbst seine Unzuständigkeit erklärt hat, ließe es vom Ermessen der betreffenden Gerichte abhängen, ob eine derartige Bindung eingetreten ist oder nicht. Die bloße Vereinfachung der Zuständigkeitsvorschriften durch § 44 Abs 2 JN idF ZVN 1983 bewirkte keine Änderung der in stRsp bejahten Bindung der anderen Gerichte an eine rechtskräftige Entscheidung über die örtliche Unzuständigkeit. Der Versuch des Bezirksgerichts Villach, der aufgezeigten Bindung dadurch zu entgehen, dass es seine Unzuständigkeit aussprach und dadurch einen negativen Kompetenzkonflikt herbeiführte, erweist sich demnach als untauglich, wobei die Frage, ob sich das Bezirksgericht Leopoldstadt mit Recht für unzuständig erklärt hat, nicht zu erörtern ist. Es war daher auszusprechen, dass für das Exekutionsverfahren das Bezirksgericht Villach zuständig ist; gleichzeitig war der Unzuständigkeitsbeschluss dieses Gerichts aufzuheben (EvBl 1980/123; 3 Nd 1/97).

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