OGH 3Nd1/97

OGH3Nd1/9723.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei

1. Martina L*****, 2. mj.Christian L*****, geboren 28.Februar 1978, 3. mj.Elisabeth L*****, geboren 31.Jänner 1982, zweit- und drittbetreibende Partei vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Ottilie L*****, wider die verpflichtete Partei Dr.Albert L*****, wegen S 96.000 sA über die Anzeige des Bezirksgerichtes für ZRS Graz gemäß § 47 JN vom 24.März 1997, GZ 49 E 7751/96t-40, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Zur Entscheidung über den Antrag der betreibenden Parteien auf Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags (§ 292 b EO) ist das Bezirksgericht für ZRS Graz zuständig.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 24.Oktober 1996, 49 E 775/96t-34, wird aufgehoben.

Text

Begründung

Die betreibenden Parteien führen zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts von S 96.000 sA Drittschuldnerexekution gemäß § 294 EO. Über den Antrag der betreibenden Parteien auf Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags (§ 292 b EO) wurde bisher noch nicht rechtskräftig entschieden.

Das Bezirksgericht Jennersdorf erklärte sich mit Beschluß vom 7.10.1996 aufgrund der im Zuge des Verfahrens bekannt gewordenen Anschrift des Verpflichteten 8054 Graz, K*****straße 152, für dieses Verfahren für unzuständig und überwies das Exekutionsverfahren dem offenbar nicht unzuständigen Bezirksgericht für ZRS Graz (§ 44 Abs 1 JN).

Das Bezirkgericht für ZRS Graz erklärte sich mit Beschluß vom 24.10.1996 für die Fortsetzung des Verfahrens zur Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags gemäß § 292 b EO gemäß § 29 JN für unzuständig, weil das Verfahren vor Entscheidung über den Herabsetzungsantrag gemäß § 44 JN überwiesen worden sei.

Beide Beschlüsse sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Das Bezirksgericht für ZRS Graz legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 47 JN zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Da nunmehr zwei einander widersprechende rechtskräftige Beschlüsse des Bezirksgerichtes Jennersdorf und des Bezirksgerichtes für ZRS Graz über die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der betreibenden Parteien auf Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags vorliegen, sind die Voraussetzungen für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nach § 47 JN gegeben.

Bei der Entscheidung über einen solchen negativen Kompetenzkonflikt ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses, auch wenn dieser vielleicht unrichtig war, Bedacht zu nehmen (EvBl 1980/123 ua; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 47 JN).

Gemäß § 46 Abs 1 JN ist dann, wenn die Unzuständigkeit eines Gerichtes aufgrund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit rechtskräftig ausgesprochen wurde, diese Entscheidung für jedes Gericht bindend, bei welchem die Rechtssache in der Folge anhängig wird.

Der rechtskräftige Überweisungsbeschluß gemäß § 44 JN bindet das Gericht, an das die Sache überwiesen wurde, zumindest insoferne, als letzteres Gericht seine Zuständigkeit nicht wegen der Zuständigkeit des überweisenden Gerichtes verneinen kann (SZ 68/217; EvBl 1980/123; JBl 1980, 601; SZ 40/97 ua). Dieser Bindungswirkung kann das Gericht, an das die Sache überwiesen wurde, auch nicht dadurch entgehen, daß es seinen Unzuständigkeitsbeschluß noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses faßt (EFSlg 66.858; 3 Nd 1/86 ua). Die gegenteilige Ansicht von Mayr aaO Rz 4 zu § 44 JN und Fucik in RZ 1985, 240 (s auch Streller in RZ 1985, 102) wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ 68/217 mit eingehender Begründung abgelehnt. Auch der erkennende 3.Senat folgt dieser Entscheidung des 8.Senats, wonach § 46 Abs 1 JN berichtigend dahin auszulegen ist, daß im Falle der Überweisung nach § 44 Abs 1 JN der Überweisungsbeschluß für das Adressatgericht solange maßgebend bleibt, als dieser nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird. Aus der mit der ZVN 1983 eingeführten Bestimmung des § 44 Abs 2 JN, wonach die Parteien vom Überweisungsbeschluß durch das Gericht zu verständigen sind, an das die Sache überwiesen worden ist, ergibt sich nicht, daß der Gesetzgeber eine Änderung der Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses beabsichtigt hätte. Eine unterschiedliche Behandlung der Fälle, in denen der Beschluß gemäß § 44 JN bereits vom überweisenden Gericht zugestellt wurde, und denjenigen Fällen, in denen die Zustellung erst durch das Gericht, an das überwiesen wurde, erfolgt, nachdem dieses selbst seine Unzuständigkeit erklärt hat, würde es in das Ermessen der betreffenden Gerichte setzen, ob eine derartige Bindung eingetreten ist oder nicht. Die bloße Vereinfachung der Zustellungsvorschriften durch § 44 Abs 2 JN bewirkt keine Änderung in der in ständiger Rechtsprechung und Lehre (s auch Fasching ZPR**2 Rz 236) bejahten Bindung der anderen Gerichte an eine rechtskräftige Entscheidung über die sachliche Unzuständigkeit. Der Versuch des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, der aufgezeigten Bindung dadurch zu entgehen, daß es seine Unzuständigkeit aussprach und dadurch einen negativen Kompetenzkonflikt herbeiführte, erweist sich demnach als untauglich, wobei die Frage, ob sich das Bezirksgericht Jennersdorf mit Recht für unzuständig erklärt hat, nicht zu erörtern war.

Es war daher auszusprechen, daß zur Entscheidung über den Antrag auf Herabsetzung des monatlichen Freibetrags der betreibenden Gläubiger das Bezirksgericht für ZRS Graz zuständig ist; gleichzeitig war der Unzuständigkeitsbeschluß dieses Gerichtes aufzuheben (EvBl 1980/123).

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