Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrte die Zahlung von 500.000 US-$. Sie brachte vor, sie habe am 27. 7. 1995 eine österreichische Bank mit der Erstellung eines Dokumentenakkreditivs zugunsten eines Unternehmens in Usbekistan beauftragt. Die Auszahlung des Klagsbetrags sollte unter der Bedingung der Vorlage bestimmter Dokumente erfolgen. Die österreichische Bank habe die beklagte Partei mit der Durchführung des Akkreditivs betraut, zumal sie über keine Zweigstelle in Usbekistan verfügt habe. Der mehrmals verlängerte Auftrag an die österreichische Bank sei schließlich dahin geändert worden, dass der Klagsbetrag an ein anderes usbekisches Unternehmen ausgezahlt werden sollte. Die beklagte Partei weigere sich, ihrer Verpflichtung aus dem Dokumentenakkreditiv nachzukommen, obwohl ihr der Betrag bereits am 27. 7. 1995 gutgeschrieben worden sei. Die aktive Klagslegitimation ergebe sich daraus, dass die österreichische Bank die klagende Partei am 19. 5. 1998 "mit der direkten Klagsführung beauftragt habe" bzw dass eine Abtretung der Forderungen der österreichischen Bank erfolgt sei. Die österreichische Bank habe einen Rücküberweisungsanspruch gegen die beklagte Partei, weil das Akkreditivgeschäft nicht zustande gekommen sei und weil die beklagte Partei ihre Verpflichtung zur Überweisung nicht erfüllt habe. Das Klagebegehren werde sowohl auf eine eigene Forderung - aufgrund die beklagte Partei treffender Schutzpflichten - wie auch auf die (abgetretenen) Forderungen der österreichischen Bank gestützt. Die beklagte Partei wendete ein, der klagenden Partei stünden Ansprüche aus dem Akkreditivverhältnis nur gegen die österreichische Bank zu. Die beklagte Partei sei allenfalls deren Botin oder Erfüllungsgehilfin gewesen. Etwaige Regressansprüche sowie allfällige Mängel im Verhältnis zwischen der österreichischen Bank und der beklagten Partei könnten nur von ersterer als Vertragspartnerin geltend gemacht werden. Die beklagte Partei habe sich ausdrücklich geweigert, den (neuen) Auftrag zur Auszahlung der Summe an ein (anderes) usbekisches Unternehmen anzunehmen. Eine Gutschrift des Klagsbetrags sei nicht erfolgt. Schließlich verstoße der der beklagten Partei erteilte Auftrag gegen usbekische Devisenvorschriften, weshalb er nichtig sei. Die Ansprüche der österreichischen Bank seien nicht abgetreten worden. Ihre Ansprüche seien außerdem verjährt.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, an ein bestimmtes Unternehmen in Usbekistan 500.000 US-$ ohne Vorlage von Dokumenten zu zahlen.
Es stellte fest, die klagende Partei habe eine österreichische Bank ersucht, an ein Unternehmen in Usbekistan 500.000 US-$ gegen Vorlage bestimmter Urkunden und "persönlich abzugebender Empfangsbestätigung" auszuzahlen. Diese Bank habe im Auftrag der klagenden Partei die beklagte Partei ermächtigt, die Zahlung auszuführen. Die Einschaltung der beklagten Partei sei erfolgt, weil die österreichische Bank keine eigene Niederlassung in Usbekistan gehabt habe. Der Betrag von 500.000 US-$ sei der beklagten Partei auf deren bestehendes Dollarkonto gutgeschrieben worden. Die Frist für die Präsentation der Dokumente sei mehrmals verlängert worden. Am 6. 9. 1995 sei das Konto der beklagten Partei bei der österreichischen Bank, auf dem der Betrag gutgebucht worden sei, geschlossen worden, weil die beklagte Partei über den Betrag disponiert habe. Die beklagte Partei habe keine Dokumente übermittelt. Am 17. 10. 1995 habe die österreichische Bank die beklagte Partei im Auftrag der klagenden Partei ermächtigt, an ein anderes usbekisches Unternehmen - ohne Präsentation von Dokumenten - zu zahlen. Die Zahlung sei nicht erfolgt. Am 8. 4. 1996 habe die beklagte Partei darauf verwiesen, dass der Transfer des Geldes an dieses usbekische Unternehmen wegen der usbekischen Devisenvorschriften "Probleme bereite". Im Übrigen bestünden Differenzen darüber, welchem Begünstigten Ansprüche gegen die klagende Partei zustünden. Am 19. 5. 1998 habe die österreichische Bank der Klagevertreterin mitgeteilt, ihr gegenüber auf den Einwand der Verjährung zu verzichten und mit der direkten Klagsführung gegen die beklagte Partei einverstanden zu sein. Eine Rücküberweisung der Klagssumme sei nicht erfolgt.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass der beschriebene Auftrag ein Akkreditiv darstelle, wobei die von der klagenden Partei beauftragte österreichische Bank die beklagte Partei als Zahlstellenbank eingeschaltet habe, damit diese nach Prüfung der entgegenzunehmenden Dokumente den Betrag an den Begünstigten auszahle. Die beklagte Partei hafte der Akkreditivauftraggeberin unmittelbar nach vertraglichen Grundsätzen, soweit sie nicht Erfüllungsgehilfin der Akkreditivbank sei. Die beklagte Partei sei als Substitut der Akkreditivbank anzusehen und hätte der klagenden Partei den von ihr nicht ausgezahlten, aber an sie überwiesenen Betrag überweisen müssen. Das Begehren, den Betrag an ein bestimmtes usbekisches Unternehmen zu zahlen, sei als Anweisung auf Schuld anzusehen und daher zulässig.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gemäß § 38 Abs 1 IPRG sei auf das Akkreditivverhältnis das Recht des Staates anzuwenden, in dem die mit der Akkreditiveröffnung beauftragte Akkreditivbank ihre Niederlassung habe. Die österreichische Bank habe als Akkreditiveröffnungsbank fungiert, somit sei österreichisches Recht anzuwenden. Das hier zu beurteilende Rechtsverhältnis stelle ein Akkreditiv dar. Der Auftrag sei keinesfalls unbestimmt gewesen. Die klagende Partei habe Anspruch auf Rückzahlung des Akkreditivbetrags, nachdem die Akkreditivfrist abgelaufen und die im Akkreditiv bestimmten Dokumente nicht vorgelegt worden seien. Ihr Vorbringen, die Durchführung des Auftrags sei rechtlich unmöglich, weil sie damit gegen usbekische Devisenvorschriften verstieße, habe die beklagte Partei nicht beweisen können.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt. Am 27. 7. 1995 "ersuchte" die klagende Partei eine österreichische Bank, an ein Unternehmen in Usbekistan 500.000 US-$ unter der Bedingung zu überweisen, dass mehrere konkret aufgelistete Dokumente vorgelegt würden (Beilage B). Dieses "Ersuchen" ist als Auftrag zu verstehen, was auch die beklagte Partei nicht in Zweifel zieht, geht sie doch in ihrer Rechtsrüge selbst vom Vorliegen eines "besonderen Überweisungsauftrags" aus (siehe S 5 der Revision). Unter einem Dokumentenakkreditiv versteht man die von einer Bank im Auftrag eines Kunden einem begünstigten Dritten gegenüber schriftlich eingegangene Verpflichtung, ihm für Rechnung ihres Auftraggebers unter bestimmten Voraussetzungen (Übergabe bestimmter Dokumente) eine Leistung zu erbringen (SZ 67/111; 2 Ob 538/87; Canaris, Bankvertragsrecht I3 Rz 919). Genau dieser Definition entspricht der Inhalt der Urkunde Beilage H, der vom Erstgericht im Wesentlichen festgestellt wurde (S 4 des Ersturteils). Das mit Schreiben vom 27. 7. 1995 über Auftrag der klagenden Partei erstellte und der beklagten Partei übermittelte Dokument Beilage H ist somit ein Dokumentenakkreditiv.
Der Umstand, dass die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (ERA 500) im vorliegenden Fall nicht Anwendung finden, ist für die Beurteilung eines Leistungsversprechens als Dokumentenakkreditiv bedeutungslos. Wenn auch das Akkreditiv im Allgemeinen in erster Linie der bargeldlosen Zahlungsabwicklung dient und daher vor allem Zahlungsfunktion hat, ist ihm doch auch eine Sicherungsfunktion zu eigen (SZ 67/111; 2 Ob 538/87; Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 4/13; Canaris aaO Rz 917): Vorerst wird durch das Akkreditiv der Begünstigte gesichert, wird diesem doch ein Anspruch gegen die Akkreditivbank, der grundsätzlich sowohl von seinen Rechtsbeziehungen zum Akkreditivauftraggeber als auch von jenen zwischen Akkreditivbank und Akkreditivauftraggeber unabhängig ist (Avancini aaO). Warum dies - offenbar die Einräumung eines "unabhängigen Anspruchs" gegen die Akkreditivbank - "in concreto nicht geschehen" sein soll (S 5 der Revision), ist bei Bedachtnahme auf die Feststellungen der Vorinstanzen, die sich auf den Inhalt der Beilagen B und H beziehen, nicht verständlich.
Nach den Feststellungen "ermächtigte" (= beauftragte) die Akkreditivbank die beklagte Partei, die Zahlung des laut Akkreditiv vom 27. 7. 1995 auszuzahlenden Betrags entsprechend den Akkreditivbedingungen auszuführen (Beilage H); die beklagte Partei wurde deshalb eingeschaltet, weil die Akkreditivbank keine eigene Niederlassung in Usbekistan hatte (S 4 f des Ersturteils). Die Frage, welches Recht anzuwenden ist, ist noch nach dem IPRG zu beurteilen, weil die Aufhebung der §§ 36 bis 45 IPRG erst mit 1. 12. 1998 in Kraft trat und die neue Rechtslage nur für nach dem 30. 11. 1998 begründete Schuldverhältnisse gilt (ÖBA 2002, 316). Das Akkreditivverhältnis - und zwar sowohl das Verhältnis zwischen dem Auftraggeber des Akkreditivs und der dieses eröffnenden Bank wie auch das zwischen dem Begünstigten und der Akkreditivbank - ist mangels Rechtswahl - wie hier - gemäß § 38 Abs 1 Satz 1 IPRG nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die mit der Akkreditiveröffnung beauftragte Akkreditivbank ihre Niederlassung hat. Dass sich die Akkreditivbank einer avisierenden Bank oder einer Zahlstellenbank in einem anderen Land bedient, hat keinen Einfluss auf das anzuwendende Recht (ÖBA 2002, 316; SZ 67/111 mwN; Schütze,
Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr5 Rz 471, 473; derselbe, Kollisionsrechtliche Probleme des Dokumentenakkreditivs, in WM 1982, 226 [228]; vgl Martiny in MünchK3 Rz 241 f zu Art 28 EGBGB). Lediglich die Ansprüche gegen eine bestätigende Akkreditivbank wären (gesondert) nach deren Sitzrecht zu beurteilen (SZ 67/111). Da die Akkreditivbank ihre Niederlassung in Österreich hat, ist auf das vorliegende Akkreditivverhältnis österreichisches Recht anzuwenden. Auf die direkten Rechtsbeziehungen zwischen Akkreditivbank und eingeschalteter Zweitbank kommt es insoweit nicht an. Für das Vertragsverhältnis zwischen diesen beiden Banken ist hingegen mangels Rechtswahl zufolge § 38 Abs 2 Satz 2 IPRG das Sitzrecht der beauftragten Zweitbank maßgeblich, weil insoweit ein Auftragsverhältnis vorliegt (ÖBA 2002, 316 [318 f]; vgl Avancini aaO Rz 4/161; Schütze, Kollisionsrechtliche Probleme des Dokumentenakkreditivs, in WM 1982, 226 [228]; WM 1988, 254 [256]; vgl 1 Ob 38/03z).
Nun begehrt im vorliegenden Fall die Akkreditivauftraggeberin von der Zahlstellenbank, die von der Akkreditivbank eingeschaltet werden musste, die (Rück-)Überweisung des zur Ausfolgung an den Begünstigten überwiesenen Betrags. Es ist daher zu prüfen, welches Recht auf dieses zwischen der Akkreditivauftraggeberin und der Zahlstellenbank bestehende Verhältnis anzuwenden ist:
Die klagende Partei leitet den Klagsanspruch aus dem zwischen der Akkreditivbank und der Zahlstellenbank zustande gekommenen Auftragsverhältnis - als begünstigte Dritte - ab. Demgemäß muss auch für die zwischen der Akkreditivauftraggeberin und der Zahlstellenbank bestehenden Rechtsbeziehungen jene Rechtsordnung maßgebend sein, unter deren Regime das Vertragsverhältnis zwischen Akkreditiv- und Zahlstellenbank steht. Selbst aber dann, wenn man den Klagsanspruch nicht als vertraglichen Schadenersatzanspruch, sondern als Bereicherungs- oder als außervertraglichen Schadenersatzanspruch qualifizieren wollte, könnte dies am Ergebnis der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nichts ändern: Im ersteren Fall ist die Bereicherung in Usbekistan eingetreten (§ 46 erster Satz IPRG); aber auch das Rechtsverhältnis, auf dessen Grundlage die Leistung, die zur Bereicherung führte, erbracht wurde, das Auftragsverhältnis zwischen den beiden Banken, ist - wie schon erörtert - usbekischem Recht unterstellt (§ 46 zweiter Satz IPRG). Im zweiteren Fall, in dem es auf den Ort, an dem das schadenstiftende Verhalten gesetzt wurde (§ 48 IPRG), ankommt, wäre gleichfalls usbekisches Recht berufen. Die unterbliebene Ermittlung des hier maßgeblichen usbekischen Rechts stellt einen "Verfahrensmangel eigener Art" dar (EFSlg 87.845 mwN; Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 271), den das Gericht erster Instanz zu beheben haben wird.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass es - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - nicht an der Bestimmtheit des "letzten Zahlungsauftrags", der mit 17. 10. 1995 datiert ist (Beilage E), mangelt. Mit diesem Schreiben wurde die beklagte Partei "ermächtigt" (= beauftragt), den Geldbetrag an ein bestimmtes Unternehmen in Tashkent, ohne dass es hiezu der Präsentation irgendwelcher Dokumente bedürfte, auszuzahlen, und unter dem Schlagwort "Zahlungsdetails" eine bestimmte Vertragsnummer genannt. Zweifel an der Bestimmtheit dieses Zahlungsauftrags hätten für die beklagte Partei nur bestehen können, hätte sie seitens der Akkreditivbank bereits zuvor mehrere - noch nicht erfüllte - Zahlungsaufträge, die gerade die Akkreditivauftraggeberin betrafen und auf Zahlung eines Betrags von 500.000 US-$ lauteten, erhalten. Dass dies der Fall gewesen wäre, behauptet nicht einmal die Rechtsmittelwerberin.
Schließlich ist noch auf den schon im Verfahren erster Instanz erstatteten Einwand der beklagten Partei einzugehen, der ihr erteilte Auftrag sei rechtlich unmöglich, weil er gegen usbekische Devisenvorschriften verstoße; er sei daher im Sinne des § 879 ABGB nichtig. Konkretes Vorbringen dahin, inwiefern das usbekische Devisenrecht der Auftragserfüllung entgegenstehe, wurde nicht erstattet. Nun ist fremdes Recht gemäß § 4 Abs 1 IPRG gewiss von Amts wegen zu ermitteln (SZ 45/91 uva), sofern ein konkreter Sachverhalt nach einer ausländischen Rechtsordnung beurteilt werden muss. Die Behauptung, usbekisches Devisenrecht stehe der Auftragserfüllung entgegen, wird aber von der beklagten Partei einigermaßen - beispielsweise durch Zitate bestimmter Gesetzesstellen - zu konkretisieren sein, damit diese Beachtung finden könne. Der Verweis auf das gesamte usbekische Devisenrecht ist nicht konkret genug, um eine Überprüfung dieses Einwands der beklagten Partei in die Wege zu leiten (vgl SZ 60/11; JBl 1962, 440).
Der Revision der beklagten Partei ist demnach Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf 52 ZPO.
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