OGH 1Ob284/03a

OGH1Ob284/03a16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Milica Z*****, und 2. Vesna S*****, beide vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. September 2003, GZ 44 R 506/03t-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 10. Juni 2003, GZ 3 P 218/02y-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehrten die Bewilligung der Annahme der Zweitantragstellerin an Kindes Statt durch die Erstantragstellerin. Sie hätten am 7. 12. 2002 einen Adoptionsvertrag geschlossen. Zwischen ihnen bestehe eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung. Seit 1996 seien sie persönlich bekannt und verbrächten die Urlaube und die sonstige Freizeit gemeinsam. Dem Antrag wurde unter anderem eine Zustimmungserklärung der leiblichen Eltern der Zweitantragstellerin beigelegt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die persönlichen Kontakte zwischen den Antragstellern bedeuteten nicht, dass zwischen ihnen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestünde; es sei auch nicht davon auszugehen, dass eine solche Beziehung mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklicht werde. Es handle sich um eine "Scheinadoption", die eine Aufenthaltserlaubnis für die Zweitantragstellerin in Österreich bewirken sollte. Im Übrigen dürften Ehegatten gemäß § 179 Abs 2 ABGB ein Kind nur gemeinsam annehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die sich aus § 180a Abs 1 ABGB ergebenden Voraussetzungen für die Bewilligung einer Adoption vorlägen. Ehegatten dürften nämlich in der Regel ein Kind nur gemeinsam annehmen. Ein Ausnahmetatbestand im Sinne des letzten Satzes des § 179 Abs 2 ABGB sei gar nicht behauptet worden. Der zitierten Bestimmung stünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig:

Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem Vertreter der Antragsteller am 15. 10. 2003 zugestellt. Der Revisionsrekurs wurde erst am 12. 11. 2003, also nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist des § 11 Abs 1 AußStrG, zur Post gegeben. Er ist daher verspätet.

Gemäß § 11 Abs 2 AußStrG bleibt es dem Ermessen des Gerichts überlassen, auf verspätete Rechtsmittel Rücksicht zu nehmen, wenn sich die getroffene Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern lässt. Letztere Voraussetzung läge vor, doch verbietet sich eine Rücksichtnahme auf das verspätete Rechtsmittel der Antragsteller schon angesichts seines Inhalts. Der verspätete Revisionsrekurs ist nämlich sachlich nicht gerechtfertigt, was aber Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG wäre (1 Ob 76/01k uva).

Gemäß § 179 Abs 2 ABGB dürfen Ehegatten in der Regel ein Wahlkind nur gemeinsam annehmen. Die gemeinschaftliche Adoption soll den Regeltatbestand bilden, weil Kinder möglichst in einer vollständigen Familie aufwachsen sollen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Erwachsenenadoption (SZ 69/292). Von den im § 179 Abs 2 ABGB ausdrücklich, wenngleich nur demonstrativ aufgezählten Ausnahmen kommt hier keine in Frage: Es liegen keine wie immer gearteten gewichtigen Gründe vor, die die Annahme der Zweitantragstellerin durch die Erstantragstellerin rechtfertigen könnten; ein solcher Ausnahmetatbestand wurde erst gar nicht behauptet. Der Umstand, dass die Erstantragstellerin "eine zweite Tochter dazugewinnen" möchte, kann die Ausnahme vom Erfordernis der gemeinsamen Annahme durch Ehegatten nicht rechtfertigen. Es mag durchaus sein, dass der Ehemann der Erstantragstellerin kein Interesse an einer Adoption der Zweitantragstellerin hat. Dieser Umstand ähnelt aber keinesfalls einem der im § 179 Abs 2 ABGB angeführten Ausnahmetatbestände.

Es ist auch nicht zu erkennen, warum die Entscheidungen der Vorinstanzen einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Antragsteller und damit einen Verstoß gegen Art 8 EMRK darstellen sollten. Das Privat- und Familienleben der Antragsteller bleibt auch im Falle der Ablehnung der Bewilligung der Annahme an Kindes Statt geachtet, bleibt es ihnen doch unbenommen, ihre Lebensverhältnisse autonom zu gestalten. Diese Gestaltung bedarf aber nicht der Einbindung der Zweitantragstellerin in das Familienleben der Erstantragstellerin dergestalt, dass eine Eingliederung der Zweitantragstellerin im Wege der Annahme an Kindes Statt - gegen den Willen des Ehegatten der Erstantragstellerin (siehe S 2 des Revisionsrekurses) - vollzogen werden sollte. § 179 Abs 2 ABGB steht im Einklang mit Art 8 EMRK.

Der Revisionsrekurs wäre sachlich also nicht gerechtfertigt, weshalb für die Ausübung des Ermessens im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG diese unerlässliche Voraussetzung fehlt; demgemäß ist das Rechtsmittel der Antragsteller als verspätet zurückzuweisen.

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