OGH 3Ob160/03f

OGH3Ob160/03f26.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A***** reg. Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Christoff Beck, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Emmerich S*****, wegen 21.854,55 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der ungeborenen ehelichen Kinder des Verpflichteten, vertreten durch DDr. Gunther Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. März 2003, GZ 37 R 1/03i-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt vom 21. November 2002, GZ 1 E 1526/02k-2, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Rekursentscheidung dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss im Umfang seiner Abänderung durch die zweite Instanz wiederhergestellt wird.

Die durch diese Entscheidung erforderlichen Anordnungen werden dem Erstgericht übertragen.

Die betreibende Partei ist schuldig, den Revisionsrekurswerbern die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten des außerordentlichen Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Ein näher genannter Erblasser, dessen Erbe der Verpflichtete ist, war Eigentümer von Liegenschaftsanteilen (mit denen Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden ist), auf denen unter C-LNr 11 auf Grund der Schuld- und Pfandurkunde vom 10. Juli 1992 für eine näher bezeichnete Bank ein Pfandrecht über einen Höchstbetrag von 500.000 S einverleibt war. Der Verpflichtete wurde 1975 im Erbweg Eigentümer dieser Liegenschaftsanteile, gleichzeitig mit seiner Einantwortung wurde auch eine fideikommissarische Substitution zu Gunsten seiner (ungeborenen) ehelichen Kinder (im Folgenden nur Nacherben) gemäß Testament vom 5. Juli 1991 zufolge § 158 Abs 1 erster Satz AußStrG zu B-LNr 13g im Grundbuch angemerkt und, wie nach § 274 ABGB, § 77 Z 3 AußStrG vorgeschrieben, vom Gericht für die Nacherben ein Posteritätskurator (vgl. dazu SZ 68/61) bestellt. Zeitlich danach am 31. Jänner 1997 langte der Antrag des Posteritätskurators wegen Genehmigung des Schuldscheins und der Pfandurkunde vom 26. April 1996 bzw. 3. Jänner 1997 beim Pflegschaftsgericht ein, der vorbrachte, der Verpflichtete beabsichtige, bei der nun betreibenden Bank ein vergleichsweise zinsengünstigeres Darlehen von 500.000 S aufzunehmen, um damit den zinsenmäßig vergleichsweise ungünstigen Kredit der anderen Bank abzulösen, somit eine Umschuldung vorzunehmen. Die Nacherben würden durch die beabsichtigte Darlehensaufnahme keine Einschränkung ihrer Rechte erfahren. Nach Einlangung der Löschungserklärung vom 4. April 1997 betreffend das frühere Pfandrecht genehmigte das Erstgericht die Schuld-und Pfandbestellungsurkunde pflegschaftsbehördlich mit der Auflage, dass der Darlehensbetrag zur Tilgung des zugunsten der anderen Bank unter COZ 11 eingetragenen Pfandrechts von 500.000 S verwendet und dieses Pfandrecht nach Tilgung gelöscht werde. Auf Grund dieser Umschuldung wurde 1997 das Pfandrecht C-LNr 11 gelöscht und gleichzeitig zu Gunsten der hier betriebenen Forderung der betreibenden Bank das Pfandrecht C-LNr 17 einverleibt.

Nachdem ein vorhergehender Antrag auf Zwangsversteigerung letztlich erfolglos geblieben war (Vorverfahren und Gegenstand der Entscheidung des erkennenden Senats 3 Ob 135/02b = RpflE 2002/118), beantragte die betreibende Bank erneut die Bewilligung der Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile des Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 300.725,20 S = 21.854,55 EUR sA und führte dazu zusammengefasst aus: Die Schuld- und Pfandurkunde vom 3. Jänner 1997 sei unter Beiziehung des Posteritätskurators pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Dieser habe namens der Nacherben in Kenntnis der Folgen bei Nichtzahlung der vereinbarten Rückzahlungsraten zugestimmt. Im Schuldschein seien die Konsequenzen bei Verletzung der Pflichten aus diesem genau aufgelistet, bis hin zur Verwertung der Liegenschaft durch gerichtliche Zwangsversteigerung.

Das Erstgericht wies den Antrag im Wesentlichen aus der Erwägung ab, dass die Nacherben keine Einschränkung ihrer Rechte gewollt und somit einer Verwertung des Pfandrechts durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft nicht zugestimmt hätten, gehe doch aus dem Antrag ihres Kurators hervor, dass durch die Genehmigung des Schuldscheins und der Pfandurkunde keine Einschränkung ihrer Rechte bewirkt werden sollte. Eine Zwangsversteigerung bewirke nicht nur eine Einschränkung, sondern eine Aufgabe der Rechte der Nacherben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Partei überwiegend dahin Folge, dass es die Zwangsversteigerung zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Partei bewilligte und dieses Begehren nur im Umfang eines Teilzinsenbegehrens aus den Prozesskosten abwies, insoweit somit den erstgerichtlichen Beschluss - unangefochten - bestätigte.

Die zweite Instanz verneinte das Vorliegen des Prozesshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Sache, weil die betreibende Partei gegenüber dem Vorantrag ein entscheidungswesentliches ergänzendes Tatsachenvorbringen erstattet habe. Nach der Entscheidung 3 Ob 135/02b des Obersten Gerichtshofs könne bei einer im Grundbuch angemerkten fideikommissarischen Substitution das Einverständnis des Nacherben auch dadurch als erklärt gelten, dass für die betriebene Forderung ein Vertragspfandrecht mit Zustimmung des Nacherben begründet worden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Der Posteritätskurator selbst habe beim Pflegschaftsgericht den Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung des bereits von den Vertragsparteien unterfertigten Schuldscheins und der Pfandurkunde gestellt. In letzterer sei die Pfandbestellung samt Einverleibungsklausel enthalten, auf Grund derer schließlich auch das Pfandrecht einverleibt worden sei. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass hier ein Vertragspfandrecht mit Zustimmung der Nacherben begründet worden sei. Es wäre völlig sinnwidrig, anzunehmen, diese hätten zwar der Begründung des Vertragspfandrechts, nicht jedoch auch einer zwangsweisen Verwertung zugestimmt. Solches würde einem derartigem Pfandrecht für die betreibende Partei Sinn und Wert nehmen. An dieser Beurteilung ändere auch die Erklärung nichts, dass die Nacherben durch die beabsichtigte Darlehensaufnahme keine Einschränkung ihrer Rechte erfahren würden. Dies sei nur im Hinblick auf die Umschuldung zu verstehen, habe doch das ältere ungünstigere Pfandrecht unstrittig den Vorrang vor dem Substitutionsband gehabt. Der ordentliche Revisionsrekurs sie nicht zulässig, weil die hier relevanten Rechtsfragen im Einklang mit der Entscheidung 3 Ob 135/02b gelöst worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Nacherben ist rechtzeitig, entgegen der Auffassung der Vorinstanz zulässig und auch in der Sache berechtigt.

a) Nicht gefolgt werden kann den Nacherben allerdings, soweit ein Verstoß gegen die materielle Rechtskraft der abweisenden Entscheidung im Vorverfahren geltend gemacht wird. Diese Rechtsmittelausführungen lassen in Wahrheit jedwede Begründung dafür vermissen, weshalb die - in Wahrheit zutreffende - Begründung des Rekursgerichts in diesem Punkt unrichtig sein sollte.

b) Zu Recht machen die Nacherben jedoch geltend, nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen könne keine Rede davon sein, sie hätten ausdrücklich ihre Zustimmung zur Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile ihres präsumtiven Vaters, des Verpflichteten, erteilt.

Der Nacherbe ist - wie der Vorerbe - mit Eintritt des Nacherbfalls Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben. Zusammen haben Vorerbe und Nacherbe die Rechte eines freien (Voll-)Eigentümers, doch ist das Recht des Vorerben ein auflösend bedingtes oder zeitlich beschränktes - mit dem Eintritt des Nacherbfalls endendes - Eigentum (1 Ob 185/01i mwN aus Lehre und Rsp). Da der Vorerbe die Erbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls den Nacherben herausgeben muss, kann er sie zwar unbeschränkt nutzen, hat jedoch ihre Substanz zu schonen. Seine Rechtsstellung ist der eines Fruchtnießers ähnlich (§ 613 ABGB), von dem er sich allerdings durch das Eigentumsrecht unterscheidet. Die im Grundbuch eingetragene Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution steht der Einverleibung eines Pfandrechts ohne Zustimmung des Nacherben entgegen, gleichgültig, ob es sich um ein vertragliches Pfandrecht oder um eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung handelt (SZ 41/97 = NZ 1969, 40; SZ 46/28 = NZ 1974, 56; SZ 49/103; 3 Ob 108, 109/86 (auch der Zwangsversteigerung); 5 Ob 97/94 = SZ 67/193; zuletzt 3 Ob 135/02b; RIS-Justiz RS0002605; RS0028367). Vorerbe und Nacherbe zusammen haben die Rechte eines freien Eigentümers. Sie können daher gemeinsam die Substitutionsbindung aufheben, einschränken oder auf eine andere Sache übertragen; der Vorerbe kann mit Zustimmung des Nacherben über die Substitutionsmasse verfügen.

In solchen Fällen sind bei einer Exekutionsführung eines Gläubigers auf die mit der vorrangigen fideikommissarischen Substitution belastete Liegenschaft zwei Zustimmungen zu unterscheiden, nämlich die Zustimmung zur Pfandrechtsbegründung und die zur Exekutionsführung, wobei sich die Frage stellt, ob zu beiden notwendigen Zustimmungen auch eine bloß schlüssige zulässig ist. Bei einer fideikommissarischen Substitution muss für eine vertragliche Verpfändung einer Liegenschaft die Erteilung der ausdrücklichen Zustimmung des Nacherben vorliegen (NZ 1980, 156 = MietSlg 31.780 [zu einem auch hier fruchtbar zu machenden vorrangigen Veräußerungsverbot, weil die fideikommissarische Substitution ein nicht an die Schranken des § 364c ABGB gebundenes Veräußerungs- und Belastungsverbot in sich schließt [SZ 41/97, SZ 49/103; Welser aaO § 613 ABGB Rz 6; ähnlich Eccher in Schwimann2, § 613 ABGB Rz 6]; 3 Ob 108, 108/86; 5 Ob 97/94; RIS-Justiz RS0012565; Angst in Angst, EO, § 87 Rz 11 mwN [zur Einverleibung eines Zwangspfandrechts ungeachtet eines vorrangigen Belastungs- und Veräußerungsverbots]; Schreiber in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 88 Rz 15). Dies ist wohl aus der Geltung der Regeln des GBG für die Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung (§ 88 Abs 2 EO) abzuleiten. Überdies muss die Zustimmung im Exekutionsantrag behauptet und urkundlich nachgewiesen werden (Angst aaO § 88 Rz 11, Schreiber aaO, je mwN). Eine ohne Zustimmung des begünstigten Nacherben dennoch einverleibte Hypothek ist nach stRsp absolut unwirksam (3 Ob 108, 109/86 mwN; RIS-Justiz RS0012560); sachenrechtliche Akte, die die Rechtsstellung des Nacherben (Fideikommissars) beeinträchtigen könnten, sind auch gegenüber Dritten nichtig (hA, Nachweise bei Welser in Rummel3 § 613 ABGB Rz 6).

Dem Rekursgericht ist nun zweifellos darin zuzustimmen, dass grundsätzlich mit Zustimmung des Nacherben auch die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft, die Substitutionsgut bildet, zu bewilligen ist (Angst aaO § 133 Rz 21 mwN; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 133 Rz 28). In der Vorentscheidung 3 Ob 135/02b wurde ausgesprochen, das Einverständnis zur Zwangsversteigerung könne auch dadurch erklärt werden, dass für die betriebene Forderung ein Vertragspfandrecht mit Zustimmung der Nacherben begründet wurde. Voraussetzung dafür ist freilich, dass aus den obgenannten Gründen eine ausdrückliche Zustimmung der Nacherben vorliegt. Nun steht aber nach den vom Rekursgericht nicht geänderten Feststellungen des Erstgerichts eine solche ausdrückliche Zustimmung des Posteritätskurators zur Pfandurkunde der betreibenden Partei gerade nicht fest. Daraus könnte allenfalls eine schlüssige Zustimmung zur Verpfändung deswegen gesehen werden, weil der Kurator selbst beantragt hatte, den Schuldschein und die Pfandurkunde gerichtlich zu genehmigen, und zudem erläuterte, das neue einzutragende Darlehen diene einer Umschuldung und dass bereits für dieses ein Pfandrecht auf der Liegenschaft hafte. Aus diesen Erwägungen liegt eine schlüssige Zustimmung zur Verpfändung durchaus nahe, eine Entscheidung darüber müsste aber im Prozessweg erfolgen (RIS-Justiz RS0002512).

Kann aber von keiner ausdrücklichen Zustimmung der Nacherben zur Verpfändung ausgegangen werden, fehlt es schon begrifflich an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme ihrer schlüssigen Zustimmung auch zur Zwangsversteigerung. Die Abweisung des Antrags der betreibenden Partei auf Bewilligung der Zwangsversteigerung durch die Erstrichterin erfolgt somit zu Recht. Ihre Entscheidung ist demnach in Stattgebung des Rechtsmittels wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 iVm §§ 50 und 40 ZPO.

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