Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 812,52 EUR (darin enthalten 135,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Haftungserklärung vom 14. 6. 1985 übernahm der Beklagte für alle Forderungen der Klägerin gegen die I*****gmbH aus Wertkontosalden, Vermittlungsprovisionen, Jahresmitgliedsbeiträgen, fällig gestellten Forderungen, Kapitalzinsen, Kosten und Gebühren die Haftung als Bürge und Zahler. Aus den Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der I*****gmbH resultierten Forderungen der Klägerin vom 179.094 S aus negativen Wertkontossalden, von 14.641,05 S an Vermittlungsprovisionen und von 2.341,73 S an Kosten eines Rechtsstreites, somit insgesamt 196.076,30 S (entspricht 14.249,42 EUR).
Mit am 9. 10. 1987 eingebrachter Klage begehrte die Klägerin diesen Betrag samt 4 % Zinsen ab Klagstag vom Beklagten als Bürgen und Zahler. Nach mehreren vergeblichen Zustellversuchen an verschiedenen Adressen des Beklagten wurde die Klage schließlich am 1. 6. 1988 durch Hinterlegung zugestellt. An derselben Zustelladresse wurde auch das antragsgemäß erlassene Versäumungsurteil vom 11. 10. 1989 am 17. 11. 1989 hinterlegt. Dieses wurde am 22. 12. 1989 für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt. Der Beklagte erfuhr von der Klageerhebung erstmals durch ein Schreiben des Geschäftsführers der Klägerin am 12. 10. 2000. Mit am 6. 11. 2000 eingebrachtem Schriftsatz begehrte er die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung und die neuerliche Zustellung der Klage und des Versäumungsurteiles. Er behauptete, an der Zustelladresse niemals gewohnt zu haben. Mit Beschluss vom 22. 12. 2000 hob das Erstgericht die Vollstreckbarkeitsbestätigung auf. Der vom Beklagten erhobenen Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil wurde mit Beschluss des Berufungsgerichtes vom 20. 3. 2001 stattgegeben. In der daraufhin erhobenen Klagebeantwortung beantragte der Beklagte die Abweisung der Klage. Er bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete insbesondere Verjährung ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe erst im Oktober 2000 von der Klageführung Kenntnis erlangt und unverzüglich entsprechende prozessuale Schritte gesetzt. Deshalb sei das Klagebegehren verjährt.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren statt gab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Verjährung sei gemäß § 1497 ABGB durch die Einbringung der Klage unterbrochen worden. Für die Klägerin habe kein Anlass bestanden, nach Erlangung des Exekutionstitels weitere Handlungen zu setzen, um das Erkenntnisverfahren zu einem Abschluss zu bringen. Die Notwendigkeit, Exekutionsschritte zu setzen, hätte nur bestanden, um die 30jährige Verjährungsfrist für Judikatsschulden zu verhindern. Ergänzend sei auch auf den rechtsähnlichen Fall des Art 46 EGZPO zu verweisen, wonach eine während des Prozesses oder erst nach dessen Beendigung eingetretene Verjährung eines Rechts nicht zum Nachteil dessen geltend gemacht werden könne, dem nachträglich die Wiederaufnahme des über dieses Recht geführten Prozesses bewilligt werde. Da der Anspruch der Höhe nach nicht bestritten sei, sei das Urteil des Erstgerichtes im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf die Ungewöhnlichkeit des Sachverhaltes, der noch nicht Gegenstand oberstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei, zulässig. Die Revision des Beklagten ist jedoch entgegen diesem dem Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Als Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Revisionswerber geltend, dass das Berufungsgericht von der Unstrittigkeit der Ansprüche der Klägerin der Höhe nach ausgegangen sei, obwohl er diese durch ein konkretes Vorbringen bestritten habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Erstgericht die dem Klagebegehren entsprechenden Verbindlichkeiten der Klägerin aus der Geschäftsbeziehung mit der I*****gmbH unbekämpft festgestellt hat. Das Berufungsgericht hat zwar nach § 473a Abs 1 ZPO vorzugehen, wenn es erwägt, das erstrichterliche Urteil abzuändern. Dies gilt jedoch dann nicht, "wenn der Berufungsgegner die in Betracht kommenden festgestellten Tatsachen nach § 468 Abs 2 zweiter Satz ZPO zu rügen gehalten war" (§ 473a Abs 1 letzter Satz ZPO). Der Beklagte hat in seiner Berufungsbeantwortung keine Beweisrüge erhoben. Dazu wäre er aber, falls er mit den Feststellungen nicht einverstanden gewesen sein sollte, verpflichtet gewesen. Denn die Rügepflicht des Berufungsgegners ist nach ständiger Rechtsprechung bereits dann gegeben, wenn sich der Berufungswerber dadurch auf Feststellungen des Erstgerichtes beruft, dass er seine Rechtsrüge auf die betreffenden Feststellungen gründet (10 ObS 129/01w ua). Zu einem Vorgehen nach § 473a ZPO ist das Berufungsgericht nur dann verpflichtet, wenn es seine Entscheidung auf in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes "verborgene" Feststellungen gründet (RIS-Justiz RS0112020). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht ist daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass im Berufungsverfahren nicht mehr strittig ist, dass der von der Klägerin begehrte Gesamtbetrag unberichtigt aushaftet, wofür der Beklagte als Bürge und Zahler haftet. Soweit der Beklagte nunmehr auch eine - bisher unterlassene - Beweisrüge erhebt, macht er keinen zulässigen Revisionsgrund (§ 503 ZPO) geltend. Auch mit seinen Ausführungen zur Verjährungsfrage vermag der Beklagte kein Abweichen des Berufungsgerichtes von der ständigen Rechtsprechung aufzuzeigen. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Einbringung der Klage innerhalb der Verjährungsfrist und durch deren gehörige Fortsetzung unterbrochen. Maßgeblich für die Unterbrechungswirkung ist die Gerichtsanhängigkeit, das ist das Einlangen der Klage bei Gericht. Auf den Zeitpunkt der Klagezustellung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0034675; M. Bydlinski in Rummel ABGB3 § 1497 Rz 6). Die Gründe für die Untätigkeit müssen im Verhältnis zwischen den Parteien selbst liegen. Ein Verfahren ist dann nicht gehörig fortgesetzt, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozesstitels nichts mehr gelegen ist (SZ 49/106 ua). Bei Beantwortung bei Frage, ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, kommt es nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an. Für die Unterlassung der zur Fortsetzung des Verfahrens notwendigen Schritte müssen triftige Gründe gegeben sein (SZ 43/176; 2 Ob 2059/96z mwN). Beruft sich der Beklagte auf die Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung, ist es Sache des Klägers, diese Gründe für seine Untätigkeit nachzuweisen (SZ 52/30 ua). Ob ein Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruches eine ungewöhnliche Untätigkeit begründet, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (SZ 58/112 ua).
Da die Klägerin - zunächst - einen Exekutionstitel erwirkt hat und keine Umstände hervorgekommen sind, dass ihr bekannt war oder bekannt sein hätte müssen, dass dieser Titel - gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO infolge Ortsabwesenheit des Beklagten während des gesamten Verfahrens - nichtig ist, bestand für sie keinerlei Anlass, das Titelverfahren fortzusetzen. Dies ergibt sich zwingend aus der Tatsache, dass das Titelverfahren aus der Sicht der Klägerin ja bereits abgeschlossen war. Davon konnte sie zumindest solange ausgehen, bis der Beklagte den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und die Nichtigkeitsberufung einbrachte. Dieser trat die Klägerin mit einer rechtzeitigen Berufungsbeantwortung entgegen. In dem über die Klage nach Aufhebung des Versäumungsurteiles als nichtig abermals durchgeführten Verfahren lag keine Säumnis der Klägerin mit einer Prozesshandlung vor. Da sich die Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nur für das Titelverfahren stellt, das aber nach der Aktenlage zumindest bis zur Einbringung des Antrages des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung abgeschlossen war, ist es ohne Bedeutung, welche exekutiven Schritte die Klägerin nach Erhalt des für rechtskräftig und vollstreckbar erklärten Versäumungsurteils setzte, mit welcher Intensität der die Forderungseintreibung betrieb und ob die damit im Zusammenhang aufgestellte Behauptung des Beklagten zutrifft, zumindest 1994 einen gleichbleibenden Wohnsitz gehabt zu haben, der durch Einsicht in das Telefonbuch zu ermitteln gewesen sei.
Das Verfahren 74 C 37/00i des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, auf das sich der Beklagte zur Begründung seiner Ansicht bezieht, dass zumindest das Zinsenbegehren teilweise verjährt sei, endete - wie sich aus der vom Beklagten mit seiner Berufungsbeantwortung vorgelegten Urteilskopie ergibt - nach Einschränkung der Oppositionsklage auf Kosten mit einem Urteil, das lediglich über die Verfahrenskosten absprach. Das Ausmaß der Rechtskraft und der Bindungswirkung wird aber nur durch den Urteilsspruch bestimmt (RIS-Justiz RS0041331; RS0041357). Die Frage der Verjährung der hier begehrten Zinsen vom 11. 10. 1989 (Datum des Versäumungsurteils) bis 12. 10. 1997 (drei Jahre vor der neuerlichen Einbringung eines Exekutionsantrages der Klägerin) gemäß § 1480 ABGB wurde dort nur in der Begründung behandelt, sodass dieses Urteil hinsichtlich der hier begehrten Zinsen weder eine materielle Rechtskraftwirkung noch eine Bindungswirkung nach sich zieht.
Soweit der Beklagte die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass auch die in einem Urteil für die Zukunft zugesprochenen Zinsen der dreijährigen Verjährung unterliegen und diese Verjährung nur durch einen Exekutionsantrag unterbrochen wird (SZ 39/40; 3 Ob 107/95; vgl RIS-Justiz RS0003297), heranzieht, ist ihm zu erwidern, dass hier der ursprüngliche Titel mit Erfolg durch Nichtigkeitsberufung angefochten und die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufgehoben wurde. Die Rechtskraft des Titels wurde demnach abschließend verneint. Deshalb konnten die begehrten Zinsen auch nicht gemäß § 1480 ABGB innerhalb von drei Jahren ab "Rechtskraft" des Versäumungsurteils verjähren. Die Klageeinbringung und die gehörige Verfahrensfortsetzung, von der hier, wie ausgeführt, auszugehen ist, wirkte auch hinsichtlich des Zinsenbegehrens verjährungsunterbrechend.
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist daher nicht zu lösen, weshalb die Revision zurückzuweisen ist. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung primär den Antrag gestellt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen und diesen Antrag begründet. Die Revisionsbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
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