Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 3.637,42 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 606,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 089167 (E 22884):
Gegenstand des Patents sind Verfahren zur Herstellung von Dihydropyridinen als antiischaemische und antihypertonische Mittel und diese enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen. Die Klägerin hat das Patent am 8. 3. 1983 angemeldet; erteilt wurde ihr das Patent am 25. 1. 1987. Auf Antrag der Klägerin wurde das Schutzzertifikat Nr 41/94 mit Wirkung vom 20. 1. 2000 bis längstens 8. 3. 2004 erteilt. Mit Hilfe der patentierten Verfahren kann insbesondere Amlodipin hergestellt werden. Unter den Schutzbereich des Patents fallen auch die pharmazeutisch verwendbaren Säureadditionssalze der hergestellten Verbindungen.
Der Wirkstoff Amlodipin-Besylat ist ein von der allgemeinen Formel I der Ansprüche 1 und 8 des Klagepatents umfasstes pharmazeutisch verwendbares Säureadditionssalz. Die Verbindungen der Formel I der Ansprüche 1 und 8 sind neue Verbindungen.
Die Beklagte bringt in Österreich Amlodipin-Interpharm 5 mg Tabletten in Verkehr. In diesen Tabletten ist Amlodipin-Besylat enthalten, das von der G***** Ltd in Ungarn nach einem eigenen Verfahren hergestellt wird.
Das Klagepatent umfasst 3 Anspruchsgruppen:
a) ein Verfahren zur Herstellung von Verbindungen der Formel I: Ansprüche 1 bis 7 und 12
b) ein anderes Verfahren zur Herstellung von Verbindungen der Formel I: Ansprüche 8 bis 11 und 13
c) Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Präparaten.
Das „Richter-Verfahren" unterscheidet sich vom Verfahren gemäß Anspruch (Punkt a) 1 des Klagepatents in folgenden grundlegenden Punkten: Es wird kein Amlodipin hergestellt, sondern direkt Amlodipin-Besylat; es wird daher auch nicht Amlodipin in ein pharmazeutisches Säureadditionssalz umgewandelt und es wird keine Aminoschutzgruppe von einem amino-geschützten Amlodipin abgespalten. Zum Unterschied von dem unter b) beschriebenen Verfahren findet beim „Richter-Verfahren" keine Reduktion einer Azidoverbindung statt.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu verbieten, in Österreich den Stoff Amlodipin betriebsmäßig zu gebrauchen, insbesondere die Arzneispezialität Amlodipin Interpharm 5 mg-Tabletten feilzuhalten, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder zu besitzen, wenn das Amlodipin nach einem im Klagepatent beschriebenen Verfahren hergestellt ist. Der im Medikament der Beklagten enthaltene Wirkstoff Amlodipin sei nach einem der patentierten Verfahren hergestellt. Durch Produktion und/oder Besitz und/oder Vertrieb dieses Stoffes greife die Beklagte in das Patent der Klägerin ein.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der im Medikament der Beklagten enthaltene Wirkstoff Amlodipin-Besylat werde nach dem „Richter-Verfahren" hergestellt. Das Richter-Verfahren greife weder in die Ansprüche 1 bis 13 noch in die Ansprüche 8 bis 11 und 13 ein. Die Ansprüche 14 und 15 des Klagepatents seien offensichtlich nicht rechtsbeständig.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe bescheinigt, dass ihr Produkt nicht nach dem patentierten Verfahren hergestellt werde.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach der Systematik der Patentschrift sei Anspruch 1 dahin zu verstehen, dass man gemäß Stufe 2, und hier insbesondere nach Variante c, durch Umwandlung der zuvor gebildeten freien Base vorgehen müsse, wenn man ein Säureadditionssalz herstellen wolle. Diese Interpretation stehe mit den §§ 914ff ABGB im Einklang. Das Vorbringen, wonach das „Richter-Verfahren" ein von Anspruch 1 des Klagepatents „abhängiges Verfahren" im Sinne des § 50 PatG sei, sei eine unzulässige Neuerung. Das „Richter-Verfahren" sei aber im Übrigen eine neue und erfinderische Methode, Amlodipin-Besylat zu gewinnen. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Beklagten der ihr gemäß § 155 PatG obliegende Nachweis, nicht in das Klagepatent einzugreifen, nicht gelungen wäre. § 155 PatG diene lediglich der „Aufdeckung des beim jeweiligen Beklagten verwendeten Verfahrens". Würde dem Beklagten auch noch die Bescheinigung auferlegt, dass das von ihr beschriebene Verfahren nicht äquivalent sei, so könnte sich der Beklagte aus einem Verfahrenspatent nie verteidigen. Damit würde der Unterschied zwischen Stoffschutz und Verfahrensschutz im Provisorialverfahren hinfällig. Der Vorbehalt gemäß Art 167 Abs 2 lit a EPÜ ermögliche Österreich, das Stoffschutzverbot bei europäischen Patenten aufrechtzuerhalten. Das Stoffschutzverbot sei nicht mehr im Patentgesetz selbst normiert, sondern in Art IV PatRNov 1984, BGBl 1984/234. Gleichzeitig sei aber § 2 PatG bereits mit dieser Novelle den einschlägigen Bestimmungen des EPÜ angepasst worden, um eine spätere Novellierung nach Ablauf des Vorbehalts zu vermeiden. § 2 Z 2 PatG 1970 habe zuvor dahin gelautet, dass Patente für Erfindungen (ua) von Heilmitteln nicht erteilt werden, soweit sie nicht ein bestimmtes technisches Verfahren zur Herstellung solcher Gegenstände betreffen. An dieser Definition sei wegen der Weitergeltung des Stoffschutzverbots festzuhalten, auch wenn das Wort „bestimmt" in Art IV PatRNov (§ 10 Abs 2 PatV-EG) nicht vorkomme.
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Auslegung von Patentansprüchen
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, wonach Patentansprüche nach §§ 914 ff ABGB auszulegen seien. Für Patente bestünden eigene Auslegungsregeln. Hätte das Rekursgericht die Patentansprüche nach den für die Auslegung von Patenten maßgeblichen Bestimmungen beurteilt, so wäre es zum Schluss gekommen, dass Anspruch 1 des Klagepatents ein Verfahren zur Herstellung eines pharmazeutisch verträglichen Säureadditionssalzes von Amlodipin umfasse, welches die Isolierung von Amlodipin-Base nicht voraussetze. Dem ist nicht zu folgen.
Nach § 22a PatG wird der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
Nach dem Auslegungsprotokoll zu Art 69 EPÜ ist Art 69 nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Art 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden (wörtlich zitiert in OPM Op 1/00 = PBl 2001, 127; Op 4, 5/00 = PBl 2002, 32).
Der Klägerin ist daher insoweit zuzustimmen, als für Patente eigene Auslegungsregeln bestehen. Die Rechtsprechung, wonach Patentanmeldungen und insbesondere die Patentansprüche darin Willensklärungen sind, die nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen sind (Weiser, Österreichisches Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz 124 mwN; 4 Ob 305/75 = ÖBl 1975, 137 - Ankerbolzen mwN), geht auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 22a PatG (BGBl 1984/234) zurück. In der Sache selbst ist der Klägerin damit aber nicht geholfen, weil sich bei einer Auslegung nach den in § 22a PatG iVm dem Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens festgelegten Grundsätzen keine wesentlichen Unterschiede zu einer Auslegung nach den §§ 914ff ABGB ergeben:
Bei der Auslegung von Patentansprüchen sind die mit dem Patent verfolgten Ziele gegeneinander abzuwägen: ausreichender Schutz für den Patentinhaber und ausreichende Rechtssicherheit für Dritte. Für den ersten Gesichtspunkt ist die objektive Bedeutung der Erfindung, wie sie in den Patentansprüchen ihren Niederschlag gefunden hat, und nicht die subjektive Anstrengung des Erfinders maßgeblich; für den zweiten das, was der Fachmann bei objektiver Betrachtung den Patentansprüchen entnimmt. Der Schutzbereich des Patents muss für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar sein (Busse, Patentgesetz5 § 14 Rz 48).
Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, dann kann die Auffassung der Klägerin, nach Anspruch 1 des Patents sei auch die unmittelbare Gewinnung von Amlodipin-Besylat, ohne Umweg über freie Amlodipin-Base, geschützt, nicht geteilt werden. Das mit Anspruch 1 des Klagepatents geschützte Verfahren besteht in der Herstellung eines 1,4-Dihydropyridins der Formel (I) oder eines pharmazeutisch verwendbaren Säureadditionssalzes davon. In der ersten Stufe wird die Aminoschutzgruppe von einem Amino-geschützten 1,4-Dihydropyridin entfernt, wodurch freie Amlodipin-Base entsteht. Die Amlodipin-Base kann nach der Verfahrensvariante (c) des Patentanspruchs 1 mit einer nicht-toxischen Säure in ein pharmazeutisch verwendbares Säureadditionssalz (= Amlodipin-Besylat) umgewandelt werden. Die Verfahrensvariante (c) ist nur sinnvoll, wenn Amlodipin-Besylat nicht schon durch die Entfernung der Aminoschutzgruppe entsteht. Bei objektiver Betrachtung muss Patentanspruch 1 daher dahin verstanden werden, dass davon Verfahren erfasst werden, bei denen zuerst Amlodipin-Base und erst daraus Amlodipin-Besylat gewonnen wird.
2. Anwendungsbereich des § 155 PatG
Nach § 155 PatG gilt bei einem Patent für ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses bis zum Beweis des Gegenteils jedes Erzeugnis von gleicher Beschaffenheit als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Beweist demnach der Kläger, dass das mit dem patentierten Verfahren hergestellte Erzeugnis neu ist und das vom Beklagten vertriebene Erzeugnis die gleichen Eigenschaften wie ein nach dem patentierten Verfahren hergestelltes Erzeugnis hat und beweist der Beklagte nicht, dass er sein Erzeugnis nach einem anderen Verfahren herstellt, so ist anzunehmen, dass der Beklagte das Patent verletzt (4 Ob 47/02v = ÖBl 2002/52 - Sprayback-Problem; s dazu Schmidt, Beweis und Gegenbeweis bei Verfahrenspatenten, ÖBl 2002, 267).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Verfahren offengelegt, nach dem das in dem von ihr vertriebenen Medikament enthaltene Amlodipin-Besylat hergestellt ist. Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte auch die mangelnde Äquivalenz dieses Verfahrens hätte bescheinigen müssen.
Die Frage der Äquivalenz ist in erster Linie eine Rechtsfrage. Da in den Schutzbereich eines Patents auch vom Wortlaut der Patentansprüche abweichende, aber inhaltsgleiche Ausführungsformen fallen, ist im Verletzungsstreit zu prüfen, ob die angegriffene Gestaltungsform den durch die Ansprüche vorgezeichneten Lösungsweg der patentierten Erfindung beibehält. Eine äquivalente Benützung der patentierten Erfindung liegt dann vor, wenn der Fachmann im Prioritätszeitpunkt, ausgerüstet mit dem allgemeinen Fachwissen unter Berücksichtigung des Standes der Technik, ohne erfinderisches Bemühen die ausgetauschten Merkmale als den Patentansprüchen funktionsgleiche Lösungsmittel entnimmt (OPM Op 4/99 = PBl 2001, 100). Ebenso wie für die Offenbarung des Gegenstands der Erfindung ist demnach für dessen Vergleich mit der angegriffenen Gestaltungsform auf das Erkenntnisvermögen des einschlägigen Fachmanns abzustellen. Das technische Verständnis des Fachmanns ist ein objektivierendes, der beweismäßigen Feststellung zugängliches Element (Ullmann in Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz9 § 14 dPatG Rz 120).
Insoweit kann sich daher auch bei der Prüfung der Äquivalenz die Frage der Beweislast stellen. Die Klägerin stützt ihre Auffassung, dass die Beweislast die Beklagte treffe, auf deutsche Rechtsprechung. Sie verweist auf die Entscheidung E X ZR 4/75 (= BGHZ 67, 38 = GRUR 1977, 100 [Beil] - Alkylendiamine II). In dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass die Umkehr der Beweislast auch dann gilt, wenn „ein abgewandeltes Verfahren in den Schutzbereich des Patents fällt und das Verfahrenserzeugnis dieses abgewandelten Verfahrens mit dem angegriffenen Stoff (§ 47 Abs 3 dPatG, die Vorgängerbestimmung des § 139 Abs 3 dPatG, sprach, ebenso wie ursprünglich auch § 155 PatG, noch von einem „Stoff" statt von einem „Erzeugnis") identisch ist". In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte zwar bewiesen, den mit dem nach dem geschützten Verfahren hergestellten Stoff identischen Stoff nach einem anderen Verfahren zu erzeugen; das Berufungsgericht hatte aber festgestellt, der Fachmann habe das abgewandelte Verfahren aufgrund der Angaben in der Klagepatentschrift erkennen und ausführen können. Diese Feststellung rechtfertigte nach Auffassung des BGH den Schluss, dass das abgewandelte Verfahren in den Schutzbereich des Klagepatents falle. Das Erzeugnis des äquivalenten Verfahrens gelte unstreitig als neuer Stoff. Deshalb gelte zugunsten der Klägerin die Vermutung des § 47 Abs 3 PatG (nunmehr § 139 Abs 3 dPatG), dass der identische Wirkstoff in den Arzneimitteln der Beklagten nach dem für die Klägerin geschützten Verfahren hergestellt werde. Die Frage der Beweislast für Tatsachen, deren Feststellung für die Beurteilung der Äquivalenz notwendig ist, hat sich angesichts der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen über das Verständnis des Fachmanns nicht gestellt.
Rogge (in Benkard aaO § 139 PatG Rz 122) leitet aus der BGH-Entscheidung ab, dass es genüge, wenn Identität mit dem Erzeugnis eines abgewandelten Verfahrens gegeben sei. Für diesen Fall müsse der Patentinhaber konkret darlegen und beweisen, in welcher abgewandelten und noch unter das Klagepatent fallenden Form das angegriffene Erzeugnis identisch hergestellt werden kann.
Für diese Auffassung spricht, dass der bei Verfahrenspatenten zur Herstellung neuer Erzeugnisse aufgetragene Beweis des Gegenteils den Patentinhaber auch dann ausreichend schützt, wenn er sich nicht auf Tatsachen erstreckt, deren Feststellung für die Beurteilung der Äquivalenz notwendig ist. Die Beweislastregel des § 155 PatG berücksichtigt die Beweisschwierigkeiten der Inhaber von Verfahrenspatenten. Sie können nur schwer beweisen, dass vorgefundene Gegenstände nach dem patentierten Verfahren hergestellt seien (s BGH X ZR 4/75). Wenn aber offen gelegt ist, welches Verfahren der Beklagte anwendet - nur dann kann sich die Frage der Beweislast für Tatsachen, die für die Beurteilung der Äquivalenz notwendig sind, überhaupt stellen -, dann sind sie in der gleichen Situation wie der Inhaber eines Patents auf (zB) dem Gebiet der Mechanik. Der Eingriffsgegenstand (= Eingriffsverfahren) ist bekannt; den Beweis, dass damit in das Patent eingegriffen wird, muss der Patentinhaber erbringen.
Die vom BGH auch bei abgewandelten Verfahren bejahte Beweislastumkehr ist dennoch sinnvoll: Beweist der Kläger, dass das Verfahren des Beklagten dem geschützten Verfahren äquivalent ist, so gilt die Vermutung des § 155 PatG, wonach - wie zB in dem der Entscheidung BGH X ZR 4/75 zugrunde liegenden Fall - der identische Wirkstoff in den Arzneimitteln der Beklagten nach dem geschützten Verfahren hergestellt ist. Damit liegt im Inverkehrbringen und Feilhalten der Arzneimittel mit dem Wirkstoff ein Patenteingriff.
Im vorliegenden Fall hätte daher die Klägerin bescheinigen müssen, dass der Lösungsweg des „Richter-Verfahrens" nach dem technischen Verständnis des Fachmanns mit dem durch die Ansprüche des Klagepatents vorgezeichneten Lösungsweg übereinstimmt. Diese Bescheinigung hat die Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt nicht erbracht.
3. Zur Rechtsbeständigkeit der Patentansprüche 14 und 15
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, wonach beide Patentansprüche gegen das Stoffschutzverbot verstießen. Das Rekursgericht habe die beiden Ansprüche nicht voneinander unterschieden, obwohl ein grundlegender Unterschied bestehe. Patentanspruch 14 enthalte kein „Mischverfahren", weil die Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 13 zweifellos bestimmte Verfahren seien.
Richtig ist, dass Patentanspruch 14 zwar einen Mischschritt umfasst, aber kein reines Mischverfahren ist. Das mit einem pharmazeutisch verwendbaren Vedünnungsmittel oder Trägermaterial zu mischende Produkt muss nach einem „Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Präparaten, welches darin besteht, dass man eine Verbindung der Formel (I) gemäß Definition in Anspruch 1 oder ein pharmazeutisch verwendbares Säureadditionssalz davon durch ein Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche herstellt" hergestellt sein. Daraus folgt aber auch, dass Patentanspruch 14 nur durch Verfahren verletzt wird, die auch in einen der vorhergehenden Ansprüche eingreifen.
Für das „Richter-Verfahren" trifft dies nicht zu, weil dieses Verfahren - wie oben dargelegt - mangels Bescheinigung eines entsprechenden technischen Verständnisses des Fachmanns nicht als dem durch das Patent geschützten Verfahren äquivalent beurteilt werden kann. Damit ist auch die Frage unerheblich, ob Patentanspruch 14 rechtsbeständig ist.
Bei Patentanspruch 15 gesteht auch die Klägerin zu, dass es sich um ein reines Mischverfahren handelt und dass die Auffassungen darüber, ob solche Mischverfahren schutzfähig sind, auseinander gehen. Ihre Behauptung, wonach das Stoffschutzverbot trotz des von Österreich gemäß Art 167 Abs 2 lit a EPÜ eingelegten und im Zeitpunkt der Patentanmeldung und -erteilung noch gültigen Vorbehalts durch § 2 Z 2 PatG idF Patrnov 1984 hinfällig geworden sei, ist durch die Erläuternden Bemerkungen zur PatRNov 1984 (abgedruckt in ÖBl 1984, 125 [137]) widerlegt:
"Zu Art IV:
Der Vorbehalt Österreichs gemäß Art 167 Abs 2 lit a EPÜ, der Österreich die Aufrechterhaltung des Stoffschutzverbotes bei europäischen Patenten ermöglicht, ist gemäß Art 167 Abs 3 EPÜ höchstens bis zum Jahr 1987 und im Fall einer Fristverlängerung durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation bis zum Jahr 1992 wirksam. Allerdings können bis dahin erteilte europäische Patente, die einen Stoffschutz gewähren, auch noch danach für Österreich nichtig erklärt werden (§ 10 Abs 2 PatV-EG iV mit Art 167 Abs 5 EPÜ). Dem entsprechend sieht Art IV vor, dass auch derartige österreichische Patente bis zu dem erwähnten Zeitpunkt nicht erteilt werden dürfen und entgegen dieser Vorschrift vom Österreichischen Patentamt allenfalls erteilte Patente zeitlich unbeschränkt nichtig erklärt werden können. Bei der Formulierung dieses Artikels ist außerdem darauf Bedacht genommen worden, dass das künftige Stoffschutzverbot weder über den gemäß Art 167 Abs 2 lit a EPÜ möglichen, noch über den im geltenden Patentgesetz vorgesehenen Umfang hinausgeht.
Da das Stoffschutzverbot nicht mehr im Patentgesetz selbst normiert, sondern in den Art IV der Novelle aufgenommen wird, kann der Wortlaut des Patentgesetzes bereits mit dieser Novelle den einschlägigen Bestimmungen des EPÜ angepasst und eine spätere neuerliche Novellierung vermieden werden."
Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien hat der Oberste Patent- und Markensenat ausgesprochen, dass trotz der Anpassung des § 2 Z 2 PatG an die einschlägigen Bestimmungen des EPÜ für den Zeitraum der Weitergeltung des Stoffschutzverbotes an den bisher an die Patentierbarkeit eines Verfahrens zur Herstellung von Heilmitteln gestellten Anforderungen festzuhalten sei. Nach § 2 Z 2 PatG aF musste es sich um ein bestimmtes technisches Verfahren handeln; bestimmt war ein Verfahren zur Herstellung von Heilmitteln nur, wenn es durch Angabe der Ausgangsstoffe, der Mittel und der Art, mit ihnen umzugehen, und schließlich des Endprodukts oder sonstigen "Resultats" entsprechend identifiziert wurde (OPM Op2/95 = PBl 1997, 19).
Diesen Anforderungen wird das durch Patentanspruch 15 geschützte Verfahren nicht gerecht. Es ist ein reines Mischverfahren, dessen Beschreibung sich auf die Angabe beschränkt, dass es sich um ein "Verfahren zur Herstellung eines pharmazeutischen Präparates" handle, welches darin bestehe, "dass man eine Verbindung der Formel (I) gemäß Definition in Anspruch 1 oder ein pharmazeutisch verwendbares Säureadditionssalz davon mit einem pharmazeutisch verwendbaren Verdünnungsmittel oder Trägermaterial vermischt".
Der Vorbehalt gemäß Art 167 Abs 2 lit a EPÜ war nach Art 167 Abs 3 EPÜ iVm Art 169 Abs 1 EPÜ bis 7. 10. 1987 wirksam; er galt für alle Patente, die aufgrund von Patentanmeldungen erteilt worden sind, die bis zu diesem Zeitpunkt eingereicht wurden (Art 167 Abs 5 EPÜ; OPM Op 2/95 = PBl 1997, 19).
Die Klägerin hat die Patentanmeldung am 8. 3. 1983 und damit vor Auslaufen des Vorbehalts eingereicht. Auch das Patent wurde ihr noch während der Gültigkeitsdauer des Vorbehalts erteilt. Die Klägerin kann sich daher auch nicht auf die Ausführungen von Wolfram (Wie hoch ist die Rechts[un]sicherheit von pharmazeutischen Patenten in Österreich?, ÖBl 1995, 260 [262f]) berufen, wonach es "nicht denkunmöglich" sei, Art IV Abs 1 PatRNov 1984 dahin zu verstehen, dass nach Ende der Wirksamkeitsdauer des Vorbehalts nationale Patente auf schwebende Anmeldungen erteilt werden können. Die von Wolfram (aaO ÖBl 1995, 262ff) zitierten und auch von der Klägerin erwähnten Entscheidungen der Beschwerdeabteilung betreffen Verwendungspatente und sind daher für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig.
Der Verstoß gegen das Stoffschutzverbot bewirkt die Nichtigkeit des Patents. Da § 156 Abs 3 PatG die Unterbrechung des Verfahrens aufgrund eines Nichtigkeitseinwands nur anordnet, wenn ein Urteil davon abhängt, ob ein Patent nichtig ist, kann das Gericht im Provisorialverfahren die Nichtigkeit des Patents selbstständig prüfen und auch wahrnehmen (s Weiser, Österreichisches Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz 332f). Damit ist der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen Patentanspruch 15 mangels Rechtsbeständigkeit des Patents zu verneinen.
Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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