OGH 8Ob20/03d

OGH8Ob20/03d16.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen der S***** GmbH, ***** infolge Rekurses des Masseverwalters Dr. Peter Pullez, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Bäckerstraße 1, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11. Dezember 2002, GZ 28 R 144/02f-363, womit infolge Rekurses der Gläubigerin R***** regGenmbH, ***** vertreten durch Burgemeister & Alberer, Rechtsanwälte in Klosterneuburg, der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. April 2002, GZ 41 S 33/00b-281, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 28. 2. 2000 eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und bestellte den Revisionsrekurswerber zum Masseverwalter. Ein Gläubigerausschuss wurde ihm nicht beigeordnet.

Mit konkursgerichtlicher Genehmigung veräußerte der Masseverwalter eine im Eigentum der Gemeinschuldnerin gestandene Eigentumswohnung zum Kaufpreis von EUR 43.603,70. Die Miteigentumsanteile waren mit einer Höchstbetragshypothek über ATS 1,722.000 zugunsten einer Bank belastet. Diese Pfandgläubigerin hatte bereits am 22. 3. 2000 durch ihre Rechtsvertreter im Konkurs eine Forderung von ATS 1,517.901,34 sA angemeldet und den Antrag auf Feststellung dieser Forderung als Konkursforderung gestellt.

Zur Verteilung des Verkaufserlöses beraumte das Erstgericht mit Beschluss vom 30. 11. 2001 die Tagsatzung für 21. 2. 2002 an. Der Termin der Meistbotsverteilungstagsatzung wurde am 5. 12. 2001 in der Insolvenzdatei bekannt gemacht. Die Ladung zur Verteilungstagsatzung erfolgte mit den Belehrungen im Sinne der §§ 210 Abs 1, 211 Abs 1, 210 Abs 2 und 211 Abs 4 EO an die Pfandgläubigerin persönlich und nicht an deren Rechtsvertreter.

Zu der am 21. 2. 2002 durchgeführten Verteilungstagsatzung, in welcher über die Verteilung des Erlöses mehrerer Liegenschaften verhandelt wurde, erschien hinsichtlich der hier strittigen Eigentumswohnung für die Pfandgläubigerin niemand.

Mit dem Verteilungsbeschluss wies das Erstgericht den gesamten Erlös sowie den Zinsenzuwachs dem Masseverwalter als Hyperocha zu. Die Pfandgläubigerin habe zur Meistbotsverteilungstagsatzung keine Forderung angemeldet. Melde der Höchstbetragshypothekar seine besicherten Ansprüche nicht an, so gehe er dieser verlustig.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluss dem dagegen erhobenen Rekurs der Pfandgläubigerin Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Konkursgericht habe den Erlös außergerichtlicher Verwertung nach den Verteilungsvorschriften der EO in einer amtswegig durchzuführenden Tagsatzung zu verteilen. Daraus folge, dass auch die Vorgangsweise bei Anberaumung der abzuhaltenden Verteilungstagsatzung den Bestimmungen des § 209 EO zu entsprechen habe. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung seien verbücherte Pfandgläubiger durch individuelle Zustellung zu laden. Ihre Ladung habe die im § 210 EO vorgesehene Belehrung und Aufforderung zu enthalten und könne daher durch die im § 209 Abs 4 EO vorgesehene öffentliche Bekanntmachung des Tagsatzungstermines nicht ersetzt werden. Gemäß dem im Konkurs- sowie im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 93 ZPO seien alle den Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu bewirken. Bestehe ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis, sei die Zustellung an die Partei selbst wirkungslos. Bediene sich ein pfandrechtlich sichergestellter Gläubiger zur Anmeldung seiner Konkursforderung eines Rechtsanwalts, so erstrecke sich das Vollmachtsverhältnis selbstverständlich auch auf das im Konkurs durchgeführte Verwertungs- und Verteilungsverfahren jener Sondermasse, auf welche sich das Absonderungsrecht des bereits als Konkursgläubiger eingeschrittenen Gläubigers beziehe. Die Rechtsprechung erstrecke die Wirkungen der Bevollmächtigung auch auf die mit dem Verfahren, in dem die Bevollmächtigung erteilt wurde, in engem Verfahrenszusammenhang stehenden Streitigkeiten. Da eine rechtswirksame Ladung nicht erfolgt sei, sei der Pfandgläubigerin die Möglichkeit genommen worden, ihre mit der Höchstbetragshypothek besicherte Forderung rechtzeitig anzumelden und damit ihren Teilnahmeanspruch im Meistbotsverteilungsverfahren zu wahren. Es könne dahingestellt bleiben, ob der unterlaufene Zustellmangel wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs Nichtigkeit bewirke oder ob er lediglich als Verfahrensmangel zu qualifizieren sei, da die Relevanz des Verfahrensverstoßes außer Zweifel stehe. Die Frage der Aufhebung der Verteilungstagsatzung als nichtig stelle sich nicht, da eine Verhandlung über die Verteilung des Erlöses dieser Liegenschaft nicht abgehalten worden sei. Das Erstgericht werde eine neuerliche Verteilungstagsatzung unter ordnungsgemäßer Ladung sämtlicher Beteiligter anzuberaumen haben.

Der dagegen - wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat - rechtzeitig eingebrachte Rekurs des Masseverwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses datiert der diesem Verteilungsverfahren zugrunde liegende Kaufvertrag vom 5. 2. 2001, sodass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Antrag des Masseverwalters auf Genehmigung dieses Vertrages sei nach dem 30. September 2000 bei Gericht eingelangt. Gemäß Art III Abs 1 des Bundesgesetzes vom 11. 7. 2000 (BGBl I 2000/59 - EO-Nov 2000) ist dieses Gesetz auf Exekutionsverfahren anzuwenden, in denen der Exekutionsantrag nach dem 30. September 2000 bei Gericht eingelangt ist. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, tritt im Verwertungsverfahren nach § 120 Abs 2 KO an die Stelle des Exekutionsantrags der Antrag des Masseverwalters auf Genehmigung des Kaufvertrags (8 Ob 271/00m; 8 Ob 199/01z). Mit der EO-Nov 2000 wurde § 224 Abs 2 EO ersatzlos aufgehoben. Soweit eine Höchstbetragshypothek nicht oder nicht gehörig angemeldet wurde, darf nunmehr eine Zuweisung (auch zur zinstragenden Anlegung) nicht mehr erfolgen (3 Ob 33/01a; 3 Ob 113/02t; Angst in Angst EO § 224 Rz 3). Dem Rekursgericht ist daher darin beizupflichten, dass die Pfandgläubigerin durch die unterbliebene Anmeldung ihres Teilnahmeanspruchs im Verteilungsverfahren verlustig gegangen ist und somit von der Frage, ob dieser Umstand durch einen gesetzwidrigen Zustellvorgang verursacht wurde, jedenfalls in relevantem Maß betroffen ist.

Gemäß § 93 Abs 1 ZPO, welche Bestimmung gemäß § 171 KO und § 78 EO sowohl im Konkurs- als auch im Exekutionsverfahren anzuwenden ist, haben, wenn eine Partei für einen Rechtsstreit Prozessvollmacht erteilt hat, bis zu deren Aufhebung alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, bezieht sich die Berechtigung zur Empfangnahme von Zustellungen demnach grundsätzlich zwar nur auf jenes Verfahren, in welchem die Bevollmächtigung erteilt wurde, sie erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung jedoch auch auf die mit diesem Verfahren unmittelbar zusammenhängenden Streitigkeiten, die vom gesetzlichen Umfang der einem Rechtsanwalt erteilten Prozessvollmacht gedeckt sind (4 Ob 2/95; 3 Ob 2418/96a; RZ 1998/6; SZ 68/32; 3 Ob 190/98g). So wurde etwa ausgesprochen, dass der Ersatzanspruch des Gegners der gefährdeten Partei nach § 394 EO, obwohl er in ein formloses selbständiges Verfahren eigener Art verwiesen ist, in einem so engen Zusammenhang mit der erlassenen einstweiligen Verfügung steht, dass es den im § 31 Abs 1 Z 1 ZPO angeführten Streitigkeiten, auf die sich die Prozessvollmacht jedenfalls erstreckt (Widerklage, Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage, Sicherungsantrag und Hauptintervention) jedenfalls gleichzuhalten sei (4 Ob 2/95). Ein in hohem Maße mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbarer Fall lag der Entscheidung 3 Ob 190/98g zugrunde, wo die Bevollmächtigung im Antrag auf Bewilligung des Beitritts zur Zwangsversteigerung auch als die Vertretung dieser Partei in ihrer weiteren Position als bloße Pfandgläubigerin aus einer anderen als der betriebenen Forderung umfassend angesehen wurde. Der Umstand, dass die betreibende Partei auch Pfandgläubigerin gewesen und die pfandrechtlich sichergestellte Forderung nicht betrieben worden sei, bewirke nicht, dass Zustellungen - auch wenn die betreffenden Beschlüsse die Pfandgläubigerin betrafen - nicht an deren Vertreter zu erfolgen hätte, zumal dem Gericht gegenüber niemals erklärt worden sei, dass bloß eine eingeschränkte Vollmacht erteilt wurde. Auch wenn - wie noch darzustellen sein wird - das Verteilungsverfahren nach den Vorschriften der Exekutionsordnung durchzuführen ist, hängt es dennoch im dargestellten Sinn mit dem Konkursverfahren unmittelbar zusammen, weil es in dieses eingebettet ist.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die im Zuge der Anmeldung einer Konkursforderung ausgewiesene Vollmacht des Rechtsfreundes sich auch auf das Verwertungsverfahren erstreckt, sodass die in Widerspruch zu § 93 ZPO an die Pfandgläubigerin selbst bewirkte Zustellung der Ladung zur Verteilungstagsatzung wirkungslos ist (RIS-Justiz RS0036252).

Der Revisionsrekurswerber vermeint, dass selbst eine unwirksame individuelle Ladung in Anbetracht der Bestimmung des § 174 Abs 2 KO nicht schaden könnte. Nach dieser Gesetzesstelle treten, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein, auch wenn die individuelle Zustellung unterblieben ist. Er übersieht mit dieser Argumentation allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung die Verteilung des Erlöses aus der freihändigen Veräußerung an die Absonderungsgläubiger zwar dem Konkursgericht obliegt, dieses jedoch die einschlägigen Vorschriften der Exekutionsordnung anzuwenden hat (Riel in Konecny/Schubert, KommzInsolvenzgesetzen, § 120 KO Rz 36). Es ist ebenso gesicherte Rechtsprechung, dass die Vorschriften der Exekutionsordnung nicht nur hinsichtlich einzelner Verfahrensschritte wie etwa der Feststellung der Rangordnung, sondern überhaupt anzuwenden sind (SZ 40/152; SZ 56/112; 8 Ob 215/00a, 8 Ob 270/00i). Damit kann aber hinsichtlich des Verteilungsverfahrens auch nicht auf die Bestimmung des § 174 Abs 2 KO zurückgegriffen werden. Die hier anzuwendende Norm ist vielmehr § 209 EO, nach dessen Abs 2 zur Verteilungstagsatzung außer dem Verpflichteten der betreibende Gläubiger und alle Personen zu laden sind, für die nach den dem Gericht darüber vorliegenden Urkunden an der versteigerten Liegenschaft oder an den auf dieser Liegenschaft haftenden Rechten dingliche Rechte und Lasten bestehen. Hinsichtlich der letztgenannten Berechtigten sind der Ladung die Aufforderungen und Belehrungen gemäß §§ 210, 211 EO anzuschließen. Gemäß § 209 Abs 4 EO ist die Anberaumung der Tagsatzung öffentlich bekannt zu machen, wobei zwischen der Aufnahme in die Ediktsdatei und der Tagsatzung eine Frist von mindestens vier Wochen liegen soll. Rechtsnatur und Wirkungen der hier angeordneten öffentlichen Bekanntmachung sind nach § 71 EO zu beurteilen, welche Bestimmung eine § 174 Abs 2 EO vergleichbare Zustellfiktion nicht enthält. Der Zweck der Bekanntmachung durch Edikt im Exekutionsverfahren wird von der Rechtsprechung in der Erlangung entsprechender Publizität gesehen; so etwa für das Versteigerungsverfahren im Erreichen eines möglichst großen Interessentenkreises (JBl 1957, 621; 3 Ob 2186/96h). In seiner Entscheidung SZ 67/219 hat der Oberste Gerichtshof zu § 209 Abs 2 EO ausgesprochen, dass selbst derjenige, der bloß obligatorische Rechte angemeldet hat, Beteiligtenstellung erlangt und damit zu dem zur Verteilungstagsatzung individuell zu ladenden Personenkreis gehört. Der im § 209 Abs 4 EO aF vorgesehene Anschlag an der Gerichtstafel sei nur deshalb vorgeschrieben, damit die nicht aus dem Grundbuch und den Exekutionsakten ersichtlichen Beteiligten die Möglichkeit zur Anmeldung und Teilnahme haben. In diesem Sinne argumentiert auch Angst aaO § 209 EO Rz 9, der nur jene neuen Berechtigten, die aufgrund einer dem Gericht nicht mehr bekannt gewordenen Änderung des Grundbuchsstandes einen Teilnahmeanspruch haben können, auf die Information durch die Ediktsdatei verweist, sodass das Unterbleiben der Ladung solcher Berechtigter nicht wie sonst einen Nichtigkeitsgrund bilde.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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