OGH 15Os97/03

OGH15Os97/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Daniela Sch***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 16 Vr 336/99 des Landesgerichtes Feldkirch, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, jedoch in Abwesenheit der Privatbeteiligten und der Beschuldigten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. Mai 2000, GZ 16 Vr 336/99-28, verletzt § 367 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StPO.

Dieser Beschluss wird soweit er die Hinterlegung einer Bronzeplastik betrifft aufgehoben und dem Landesgericht Feldkirch die Entscheidung über die sich auf diesen Gegenstand beziehenden Ausfolgeanträge aufgetragen.

Text

Gründe:

Daniela Sch***** wurde mit (in gekürzter Form ausgefertigten - §§ 458 Abs 3, 488 Z 7 StPO) Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. Mai 2000, GZ 16 Vr 336/99-24, vom Vorwurf des Diebstahls einer Bronzeplastik zum Nachteil der Silvana S***** und der Unterschlagung einer Tonmaske gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Sowohl die Privatbeteiligte Silvana S***** als auch die Freigesprochene, die den Erwerb der beschlagnahmten Kunstgegenstände (S 105, 123 IV) durch Schenkung bzw Erbschaft behauptete, beantragten deren Ausfolgung.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2000 (ON 28) verfügte das Landesgericht Feldkirch, gestützt auf § 367 StPO und § 613 Geo, die Aufhebung der Beschlagnahme und die Übergabe der Kunstgegenstände an das Bezirksgericht Feldkirch zur weiteren Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB, weil Daniela Sch***** ein Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung nicht nachgewiesen und die Eigentumsrechte an den Gegenständen nicht geklärt werden konnten.

Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde der Daniela Sch***** wies das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 6. Juli 2000, AZ 7 Bs 284/00, als unzulässig zurück.

Während die Tonmaske vom Verwahrschaftsgericht bereits ausgefolgt wurde (ON 11 in 12 Nc 25/00 des Bezirksgerichtes Feldkirch), verblieb die Bronzeplastik weiter in gerichtlicher Verwahrung.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. Mai 2000, mit dem die Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB angeordnet wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wurden in einem Strafverfahren Gegenstände beschlagnahmt und in gerichtliche Verwahrung genommen (§§ 98 Abs 2, 143 Abs 1 StPO), so ist über diese spätestens nach Rechtskraft des Urteiles zu verfügen. Wurde der Angeklagte wie im gegebenen Fall freigesprochen, sind bei ihm sichergestellte Sachen, wenn sie nicht als verfallen erklärt oder eingezogen wurden und wenn er schlüssig behauptete Ansprüche erhebt, an ihn auszufolgen, auch wenn andere Personen ebenso schlüssig Ansprüche stellen. Denn mit dem Freispruch entfällt die Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff der Beschlagnahme. Auch eine Hinterlegung (§ 1425 ABGB) würde einen solchen Eingriff bedeuten (Maleczky, Das Schicksal beschlagnahmter Gegenstände im Strafprozess, ÖJZ 1997, 456, III. C. und V. C.; ihm folgend 1 Ob 178/01k). Ein auf Zurückstellung der Sachen gerichtetes Begehren eines Privatbeteiligten ist in diesem Fall auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Der Privatbeteiligte kann aber der Ausfolgung (an den Freigesprochenen) durch eine von ihm zu erwirkende einstweilige Verfügung nach der EO entgegentreten (1 Ob 178/01k). In dem vom Privatbeteiligten als Kläger anzustrengenden Zivilverfahren sind die Ansprüche auf die Sache zu klären.

Wenn der Freigesprochene unschlüssig Ansprüche behauptet und das Gericht zur Auffassung kommt, dass die Sachen offensichtlich nicht ihm gehören, so hat es gemäß § 378 Abs 1 vorletzter und letzter Halbsatz StPO auszusprechen, dass die Rechtsmäßigkeit seines Besitzes nicht glaubwürdig ist. Zu einem solchen - mit Beschwerde anfechtbaren (§ 378 Abs 2 StPO) - Bedenklichkeitsbeschluss kommt es unter anderem dann, wenn ein trotz Erfüllung des objektiven Tatbestandes etwa mangels Verwirklichung der subjektiven Tatseite Freigesprochener unschlüssig Ansprüche auf die Sachen behauptet (Foregger/Fabrizy, StPO8 § 378 Rz 2; Maleczky aaO VI. C.), wobei für die Zulässigkeit des Beschlusses unerheblich ist, ob ein Ediktalverfahren gemäß §§ 375 ff StPO stattgefunden hat und ob andere Personen Eigentum an der Sache behaupten (SSt 2/64).

Im Fall eines Bedenklichkeitsbeschlusses, aber auch dann, wenn der Freigesprochene keinen Anspruch auf die Sachen stellt, sind sie ihm nicht auszufolgen. Dann ist nach folgenden Kriterien vorzugehen:

Erheben zwei oder mehr Privatbeteiligte in schlüssiger Weise miteinander konkurrierende Ansprüche auf die Sachen oder wird der Anspruch eines Privatbeteiligten von einem Dritten schlüssig bestritten oder erhebt nur ein einziger Privatbeteiligter einen Anspruch, der aber zweifelhaft ist, dann sind die Ausfolgungsbegehren der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zu verweisen und die Sachen gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht zu hinterlegen, in dessen Sprengel das Strafgericht seinen Sitz hat (vgl § 367 Abs 3 StPO; Maleczky aaO V. A. und B.).

Stellt - im Fall eines Bedenklichkeitsbeschlusses oder wenn der Freigesprochene keinen Anspruch auf die Sachen erhebt - nur ein Privatbeteiligter schlüssig Ansprüche auf die Sachen und überzeugt sich das Gericht, dass sie ihm gehören, hat es - auch im Fall eines Freispruches und gleich ob mit oder ohne Zustimmung des Freigesprochenen - ihm die Sachen auszufolgen, wenn Rechte Dritter (vgl etwa § 368 StPO) nicht entgegenstehen (§ 367 Abs 1 erster Satz StPO; aM Maleczky aaO IV. A., der diese Bestimmung bei einem Freispruch für unanwendbar hält, indem er davon ausgeht, dass sie einen Teil des Adhäsionserkenntnisses im Sinn des § 366 StPO normiert [IV. C.], während aber - entgegen dieser Auffassung - im Unterschied zu § 366 Abs 1 und 2 StPO in § 367 Abs 1 erster Satz StPO nicht zwischen Freispruch und Schuldspruch unterschieden wird).

Hat sich kein Privatbeteiligter gemeldet, ist gegebenenfalls den Geschädigten eine Mitteilung gemäß § 365 Abs 1 zweiter Satz StPO zu machen (Maleczky aaO IV. D.).

Wenn von niemandem ein Recht auf die Sache geltend gemacht wurde oder zwar der Freigesprochene Ansprüche erhoben hat, aber ein Bedenklichkeitsbeschluss ergangen ist, so hat das Gericht die Sachen nach § 379 StPO zu veräußern.

Im vorliegenden Fall waren sowohl die Bronzefigur als auch die Tonmaske im Haus der Beschuldigten Daniela Sch***** sichergestellt worden (S 1, 43/III). Da im Strafverfahren die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden konnten (S 127/IV) und die Privatbeteiligte auch sonst ihr Recht auf die Kunstgegenstände nicht genügend nachzuweisen vermochte, wären diese nicht gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Feldkirch zu hinterlegen, sondern wäre die Privatbeteiligte mit ihrem Ausfolgeantrag auf den Zivilrechtsweg zu verweisen und die sichergestellten Gegenstände an die Beschuldigte auszufolgen gewesen.

Der Hinterlegungsbeschluss verletzt daher § 367 Abs 1 Z 2 und Abs 3 StPO. Er gereicht der Beschuldigten auch zum Nachteil, weil ihr die sichergestellten Gegenstände nicht sofort nach Abschluss des Strafverfahrens ausgefolgt wurden und die Beweislast für ein allfälliges Zivilverfahren zu ihren Ungunsten verändert wurde.

Die konkrete Wirkung war dieser Entscheidung jedoch nur hinsichtlich der Bronzeplastik zuzuerkennen, weil die Tonmaske bereits an Daniela Sch***** ausgefolgt wurde. Da der gerichtlich angeordnete Erlag einen rechtswirksamen Beschluss des erlegenden Gerichtes voraussetzt, ist mit dessen Behebung auch die Annahme des Erlages zu Gericht unwirksam geblieben (1 Ob 522/88 = NZ 1989, 16). Das Landesgericht Feldkirch hat somit über die Ausfolgeanträge betreffend die Bronzeplastik neuerlich zu entscheiden.

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