OGH 10ObS170/03b

OGH10ObS170/03b15.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter K*****, Lohnverrechner und Fakturist, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Staße 1, 1020 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2003, GZ 7 Rs 19/03y-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. September 2002, GZ 24 Cgs 146/01b-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass zur "zumutbaren Änderung" (nach §§ 255 Abs 4, 273 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000) bei Angestellten höherer Verwendungsgruppen - soweit ersichtlich - noch wenig Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes existiere.

Auch der Revisionswerber hält ausschließlich daran fest, dass die (von ihm ausgeübte) Tätigkeit des Lohnverrechners und Buchhalters zwar in dieselbe Obergruppe fallen, wie die Verweisungstätigkeiten des Fakturisten und Rechnungsprüfers, aber dennoch eine eigene Tätigkeit im Sinne einer Spezialisierung darstellten. Damit liege keine "zumutbare Änderung" iSd § 273 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000, sondern eine "Verweisung auf" diese Tätigkeiten vor, die den Intentionen des Gesetzgebers bei Inkraftsetzung leg cit widerspreche; bringe sie doch nicht die angestrebte Besserstellung des (zum Stichtag bereits 57 Jahre alten) Klägers gegenüber jüngeren Versicherten, weil für diese ausschließlich dieselben Verweisungstätigkeiten in Frage kämen.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung gebracht.

Da der Kläger im vorliegenden Fall als Absolvent der Handelsakademie von 1969 bis 1997 nicht nur als Lohnverrechner, sondern auch als Fakturist tätig war (wobei zu seinem Aufgabenbereich auch die Erstellung der Ausgangsfakturen, sowie die Magazin-, Material und Lagerbuchhaltung zählten), hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass er im Rahmen zumutbarer Änderungen seiner Tätigkeit jedenfalls auf die Teiltätigkeit des Fakturisten verwiesen werden kann, nämlich an die zutreffend dargestellten Grundsätze der - auch in der Literatur gebilligten (Heckenast, § 255 Abs 4 ASVG: Verweisung auf Teiltätigkeit der bisherigen Tätigkeit ist zumutbare Änderung, DRdA 2003, 296) - Rechtsprechung des erkennenden Senats:

Die Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG gilt gemäß § 273 Abs 2 ASVG auch in der Pensionsversicherung der Angestellten. Voraussetzung für den Pensionsanspruch nach § 255 Abs 4 ASVG ist neben der Vollendung des 57. Lebensjahres zunächst das Vorliegen einer Tätigkeit, die der Kläger in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat. Ist - wie hier - unstrittig davon auszugehen, dass er im 15-jährigen Beobachtungszeitraum vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch "eine" Tätigkeit (hier: als Buchhalter und Fakturist, in dessen Aufgabenbereich die Lohn- und Gehaltsverrechnung mit laufender Arbeitszeitenaufzeichnung, die Abrechnung mit der Sozialversicherung und dem Finanzamt, aber auch die Erstellung der Ausgangsfakturen, sowie die Magazin-, Material und Lagerbuchhaltung fiel) ausgeübt hat, dann muss in einem nächsten Schritt beurteilt werden, ob er in der Lage oder außerstande ist, dieser "einen" Tätigkeit (als Buchhalter und Fakturist) weiterhin nachzugehen (stRsp; zuletzt: 10 ObS 56/03p mwN).

Auch wenn der Kläger nicht mehr in der Lage ist, den an seinem konkreten Arbeitsplatz gestellten Anforderungen zu genügen, weil dabei das ihm verbliebene Leistungskalkül (durch das erforderliche forcierte Arbeitstempo) überschritten wird, ist er deshalb aber noch nicht berufsunfähig im Sinn der §§ 273 Abs 2, 255 Abs 4 ASVG: In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach dargelegt (10 ObS 185/02g; 10 ObS 345/02s; 10 ObS 421/02p ua), dass eine Verweisung nach § 255 Abs 4 ASVG jedenfalls dann als zumutbar angesehen werden muss, wenn die Verweisungstätigkeit - wie hier - bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist (RIS-Justiz RS0100022; zuletzt: 10 ObS 56/03p).

Der von der Revision hervorgehobene Umstand, dass der Kläger dadurch gegenüber jüngeren Arbeitnehmern, die ebenso verweisbar wären, nicht bessergestellt ist, kann daran nichts ändern: Nach der Intention des Gesetzgebers sollte durch die Neuregelung nämlich keineswegs in jedem Fall eine Besserstellung gegenüber der früheren Verweisungspraxis bewirkt werden, sondern - wie die Revision (arg: nicht "dieselben" Verweisungstätigkeiten) selbst festhält - (nur) insoweit, als der andere (nach früherer Rechtslage für die Verweisung in Frage kommende) Tätigkeitsbereich (zB infolge wesentlicher Änderungen des beruflichen Umfelds) unzumutbar erscheint; dass diese Voraussetzung hier erfüllt wäre, wird vom Revisionswerber (der sich lediglich auf die Formulierung: "Verweisung auf" statt "zumutbare Änderung" beruft) aber - zu Recht - nicht einmal behauptet.

Insgesamt werden erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO somit nicht aufgezeigt.

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