OGH 2Ob158/03d

OGH2Ob158/03d10.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried, wider die beklagte Partei Land Oberösterreich, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz an der Donau, wegen EUR 6.070,20 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 12. März 2003, GZ 22 R 448/02t-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 1. August 2002, GZ 6 C 164/02d-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten USt von EUR 83,23, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Im Zuge des Ausbaues einer Landesstraße wurde von der Straßenmeisterei Gmunden im Jahre 1989 die Zufahrt zu einem Anwesen den geänderten Verhältnissen angepasst. Zwischen der Hauszufahrt und der Fahrbahn der Landesstraße wurde zum Zwecke der Entwässerung eine Pflastermulde angebracht, die in einen Einlaufschacht mündet. Die Abdeckung des Schachtes durch einen geriffelten Eisendeckel erfolgte ebenfalls durch die Straßenmeisterei. Der Deckel wies nur an drei Seiten eine Führung auf, weshalb keine Sicherung gegen ein Verrutschen nach vorne (zum Trichter hin) gegeben war. Am 20. 9. 1999 fuhr ein Arbeitnehmer der klagenden Partei mit deren Milchsammelwagen zu dem Anwesen. Wegen Gegenverkehrs fuhr er ohne Ausschwenken nach links in einem Bogen nach rechts in die Zufahrt ein. Dabei fuhr er, ohne über die Granitsteinbegrenzung des Trichters zu fahren, über den etwa 3 bis 4 cm über die Granitsteinkante hervorragenden Teil der Schachtabdeckung, wodurch diese nach oben kippte und das Milchsammelfahrzeug beschädigte.

Die klagende Partei begehrt Schadenersatz von der beklagten Partei und führte aus, diese hafte sowohl nach § 1319 ABGB, als auch nach § 1319a ABGB.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Haftung gemäß § 1319 ABGB werde durch die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB verdrängt, wenn der Wegehalter kein Interesse an der betreffenden Anlage habe und somit Interessenneutralität vorliege. Hier sei der Einlaufschacht zum Zwecke der Entwässerung des vom Anwesen abfließenden Wassers errichtet worden, weshalb die beklagte Partei kein eigenes Interesse an der Anlage habe. Sie hafte daher nur nach § 1319a ABGB. Die dafür erforderliche grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei oder ihrer Leute sei aber nicht gegeben. Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht schloss sich der Auffassung an, dass dann, wenn der Wegehalter gleichzeitig als Besitzer einer im Zuge des Weges bestehenden Anlage anzusehen sei, § 1319a ABGB als Spezialnorm § 1319 ABGB verdränge, wenn der Wegehalter nicht ein eigenes Interesse an einem im Zuge des Weges befindlichen Objekt habe. Die beklagte Partei habe hier kein eigenes Interesse am Bestehen des Einlaufschachtes samt Abdeckung. Dieser diene zwar mit der Pflastermulde, die in ihn münde, der Verhinderung des Abfließens von Wasser von der Zufahrt zum Anwesen auf die Landesstraße. Die Wasserableitung liege somit im Interesse der Verkehrssicherheit, weshalb ein Interesse der beklagten Partei an diesem Werk nur im Zusammenhang mit ihrer Stellung als Wegehalter gesehen werden könne. Ein davon unabhängiges eigenes Interesse bestehe nicht. Die beklagte Partei hafte daher nur nach § 1319a ABGB doch liege die für eine Haftung des Wegehalters erforderliche grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei bzw ihrer Leute nicht vor.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil es der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 80/02m es offengelassen habe, ob der in der Entscheidung SZ 70/71 vertretenen Auffassung, dass § 1319a ABGB als Spezialnorm § 1319 ABGB verdränge, uneingeschränkt zu folgen sei. Auch zur Frage des eigenen Interesses des Straßenhalters an einem Werk, das zur Bejahung der Haftung nach § 1319 ABGB führen könnte, habe keine Entscheidung mit vergleichbarem Sachverhalt gefunden werden können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist erst in jüngerer Zeit von seiner zunächst

vertretenen Ansicht abgegangen, dass zwischen den §§ 1319 und 1319a

ABGB (grundsätzlich) auch im Falle der Interessenneutralität des

Wegehalters Anspruchskonkurrenz bestehe. In der Entscheidung 4 Ob

104/97s (SZ 70/71) wurde ausgesprochen, dass dann, wenn der

Wegehalter (§ 1319a ABGB) gleichzeitig als Besitzer einer im Zuge des

Weges bestehenden Anlage im Sinne des § 1319 ABGB zu werten sei, §

1319a ABGB als Spezialnorm § 1319 ABGB verdrängt. Dies gilt, wie der

erkennende Senat in den Entscheidungen 2 Ob 357/97g (JBl 1998, 715 =

ZVR 1999/80) und 2 Ob 281/01i (= JBl 2002, 463 = RdW 2002, 275 =

ecolex 2002, 348 = ZVR 2002/52) dargelegt hat, nur dann nicht, wenn

ein besonderes Interesse des Wegehalters am betreffenden Werk besteht. Auch in der Entscheidung 6 Ob 80/02m wurde keine gegenteilige Ansicht geäußert, vielmehr wurde in der Entscheidung 7 Ob 58/03k unter Berufung auf diese Rechtsprechung ein Rechtsmittel wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Insoweit liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung vor. Ob der Wegehalter aber an einem im Zuge des Weges befindlichen Objekt ein eigenes Interesse hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Wasserableitung liege im Interesse der Verkehrssicherheit, weshalb ein Interesse der beklagten Wegehalterin an diesem Werk nur im Zusammenhang mit dieser Stellung gesehen werden könne, nicht erblickt werden. Ein eigenes Interesse der beklagten Partei, sodass nicht nur die Wegebenützer, sondern sie selbst auch von der Anlage profitiert (s SZ 70/71), ist nicht erkennbar. Da auch im Rechtsmittel der klagenden Partei andere erhebliche Rechtsfragen nicht aufgezeigt werden, ist deren Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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