OGH 8ObS5/03y

OGH8ObS5/03y26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Erika Helscher als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Michael L*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, Geschäftsstelle Wien, 1040 Wien, Operngasse 17-21, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallsgeld (Revisionsinteresse EUR 30.958,23 netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2002, GZ 7 Rs 376/02v-12, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. Juli 2002, GZ 33 Cgs 34/02k-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit begründet, dass zur Frage der Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen bei tatsächlich nicht aufgenommener Arbeit nach dem IESG eine gesicherte ständige Rechtsprechung noch nicht vorliege.

Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in der Grundsatzentscheidung 8 ObS 141/01w (= WBl 2001, 532 = EvBl 2001/208 = infas 2002, 16 = ZIK 2002, 107 = RdW 2002, 615 = DRdA 2002/14 [Liebeg]) ausführlich dargelegt, dass die in § 1 Abs 2 IESG angeführten Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis erst ab dem tatsächlichen Antritt der Arbeit entstehen. Für vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn entstandene Ansprüche gebührt daher kein Insolvenz-Ausfallsgeld.

Der hier zu beurteilende Fall ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass es zu einem tatsächlichen Antritt der Arbeit nicht kam: Es wurde zwar vereinbart, dass das Dienstverhältnis mit sechs Monaten ab Vertragsunterzeichnung (6. 5. 2001) befristet sein sollte; allerdings erfolgte keine Vereinbarung eines konkreten Arbeitsantrittszeitpunktes; dem Kläger wurde lediglich von dem Geschäftsführer der C***** GmbH mitgeteilt, es könne jederzeit ein Anruf erfolgen, wonach bereits am folgenden Tag die Abreise zur Verwendung des Klägers als Partieführer bei Zimmerer- und Tischlerarbeiten im Baugewerbe zur Errichtung von Einfamilienhäusern in Ungarn gefordert werde. Tatsächlich wurde der Kläger, der bei Vertragsunterfertigung S 3.270 als "Ersatz für Spesen zur Erlangung einer Arbeitsbewilligung in Ungarn" zu zahlen hatte und dem ein monatliches Nettoentgelt von S 58.485 zugesagt worden war, von der Bürokraft der C***** GmbH immer wieder vertröstet, als er sich nach dem tatsächlichen Arbeitsbeginn erkundigte. Am 6. 6. 2001 teilte die Bürokraft dem Kläger schließlich mit, dass ein Konkursantrag gestellt worden sei. In der Folge erfuhr der Kläger, dass es auch anderen "Arbeitnehmern" wie ihm ergangen war.

Bei dieser Sachlage ist - vergleichbar dem Sachverhalt der zitierten Vorentscheidung - davon auszugehen, dass die für die Sicherung von Ansprüchen nach dem IESG vorausgesetzte tatsächliche Funktion der Entgeltleistung als Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers nicht verwirklicht ist.

Der Einwand in der Revision, der tatsächliche Antritt der Arbeit liege darin, dass der Kläger "arbeitsbereit" sein habe müssen, übersieht, dass hier eine Arbeitsbereitschaft in dem von der Rechtsprechung verstandenen Sinn (Aufenthalt an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort mit der Bereitschaft zur jederzeitigen Aufnahme der Arbeitsleistung - vgl RIS-Justiz RS0051351; SZ 72/115) ebensowenig wie Rufbereitschaft (RIS-Justiz RS0051403), die im Übrigen keine Arbeitsleistung selbst darstellt, sondern eine andere Leistung (RIS-Justiz RS0021696) vorlag: Nicht die jederzeitige sofortige Bereitschaft zur Arbeit oder die sofortige Erreichbarkeit wurde vereinbart: Dem Kläger wurde lediglich mitgeteilt, dass in der Woche der Dienstvertragsunterzeichnung noch weitere Arbeitskräfte aufgenommen werden müssten, dann würde eine Verständigung von der Abreise nach Ungarn erfolgen. Genaue Termine könne der Geschäftsführer der C***** GmbH nicht nennen, der Kläger solle sich aber arbeitsbereit halten, weil jederzeit der Anruf erfolgen könne, wonach bereits am darauffolgenden Tag eine Abreise zu erfolgen habe.

Die in der Revision geäußerten Bedenken gegen die Richtlinienkonformität der Entscheidung des Berufungsgerichtes werden vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt: Wie Liebeg in seiner Glosse zu 8 ObS 141/01w (DRdA 2002/14) ausführt, entspricht dem Begriff "Arbeitsentgelt" im Sinne der Art 3, 4 der Insolvenz-RL in Österreich am ehesten der Begriff des laufenden Entgelts. "Laufendes Entgelt" setzt im Sinne der obigen Ausführungen definitionsgemäß ein Synallagma zu vom Arbeitnehmer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen voraus. An Letzterem fehlt es hier.

Da somit der vorliegende Sachverhalt in wesentlichen Punkten durchaus mit jenem der zitierten Vorentscheidung vergleichbar ist und eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits dann besteht, wenn auch nur eine, aber ausführlich begründete, grundlegende Entscheidung vorliegt (RdW 1998, 406), jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (vgl Kodek in Rechberger² § 502 ZPO Rz 3), war die Revision- ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.

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