OGH 8Ob79/03f

OGH8Ob79/03f26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm E*****, Unternehmensberater, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Heinrich A*****, Kaufmann, *****, 2.) Franz B*****, Pensionist, 3.) Ingeborg B*****, Pensionistin, beide *****, alle vertreten durch Mag. Reinhard Danninger, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Andrea König, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen EUR 159.880,23 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungs- und Rekursgericht vom 28. April 2003, GZ 2 R 80/03-60, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Oktober 2002, GZ 9 Cg 139/98m-43, und der Rekurs der klagenden Partei gegen die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten haben die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

In einer Ferialsache gemäß § 224 Abs 1 Z 1 ZPO wurde dem ehemaligen Beklagtenvertreter das Urteil des Erstgerichtes am 13. 12. 2002 zugestellt. Zuvor, nämlich mit am 2. 12. 2002 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz (ON 42) gab der Beklagtenvertreter bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis zu den Beklagten aufgelöst worden sei.

Über Antrag des Klägers vom 17. 12. 2002 berichtigte das Erstgericht mit Beschluss vom 17. 12. 2002 (ON 45) den Spruch des Urteiles dahin, dass es die Beklagten zur ungeteilten Hand zum Ersatz der mit EUR 30.789,74 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz verpflichtete. In der Begründung verwies das Erstgericht darauf, dass auf Grund eines offensichtlichen Irrtums die Kostenentscheidung nicht in den Spruch des Urteiles aufgenommen worden sei.

Am 14. 1. 2003 wurde dem früheren Beklagtenvertreter die berichtigte Urteilsausfertigung zugestellt.

Am 15. 1. 2003 überreichten die drei Beklagten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnissen. Nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 31. 1. 2003 (ON 55) allen Beklagten die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 und 3 ZPO; mit Bescheid der Salzburger Rechtsanwaltskammer erfolgte die Bestellung des Verfahrenshelfers. Diesem wurde am 12. 2. 2003 das Urteil zugestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die am 12. 3. 2003 zur Post gegebene Berufung der Beklagten (ebenso wie den Kostenrekurs des Klägers) zurück. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Berufungsfrist am Freitag, dem 10. 1. 2003 geendet habe. Im Anwaltsprozess ändere die Anzeige der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses wegen § 36 Abs 1 ZPO nichts an der Wirksamkeit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den bisherigen Vertreter der Beklagten. Durch die Verfahrenshilfeanträge habe eine Fristunterbrechung im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO nicht erreicht werden können, weil die Verfahrenshilfeanträge erst am 15. 1. 2003 überreicht worden seien. Die Urteilsberichtigung durch das Erstgericht habe keine neue Berufungsfrist in Gang gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der zulässige (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) Rekurs der Beklagten, der jedoch nicht berechtigt ist.

Im Rechtsmittel wird nicht in Zweifel gezogen, dass die vorliegende Rechtssache eine Ferialsache im Sinne des § 224 Abs 1 Z 1 ZPO (Wechselstreitigkeit) ist. Ebenfalls nicht bezweifelt wird die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass durch die Berichtigung der Kostenentscheidung keine neue Berufungsfrist zu laufen begann (8 Ob 597/88; 2 Ob 149/98w).

Die Rekurswerber gehen allerdings davon aus, dass § 36 Abs 2 ZPO hier nicht zur Anwendung gelange, weil sich diese Bestimmung nur auf die Fälle der Vollmachtskündigung beziehe und nicht für die hier vorliegende einverständliche Auflösung des Vollmachtsverhältnisses gelte.

Allerdings betrifft § 36 Abs 2 ZPO, wonach nach Kündigung der Vollmacht der Bevollmächtigte noch 14 Tage berechtigt und verpflichtet ist, für den Vollmachtgeber zu handeln, soweit dies nötig ist, um ihn vor Rechtsnachteilen zu schützen, lediglich das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem. Dass bei einvernehmlicher Beendigung des Vollmachtsverhältnisses § 36 Abs 2 ZPO nicht anzuwenden ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0035704; SZ 41/100), ändert nichts daran, dass in einem Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) die durch Widerruf oder Kündigung - oder auch einvernehmlich - herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht zu ihrer Wirksamkeit gegenüber dem Gericht und dem Prozessgegner ("Außenwirkung") gemäß § 36 Abs 1 ZPO der Anzeige bedarf, dass ein anderer Rechtsanwalt bestellt wurde. Ohne eine solche Anzeige ist die Mitteilung über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses im Außenverhältnis auch dann wirkungslos, wenn der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses eine einvernehmliche Auflösungsvereinbarung zugrundeliegt (EvBl 2000/168 = SZ 73/256).

Das Berufungsgericht hat auch richtig erkannt, dass Voraussetzung für die Unterbrechung der Berufungsfrist durch die Einbringung des Verfahrenshilfeantrages ist, dass die Partei während des Laufes der Berufungsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe - soferne eine solche nicht bereits erfolgt ist - und die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt (Kodek in Rechberger 2 § 464 ZPO Rz 4; EvBl 1999/157; 8 Ob 152/00m). Dass das Erstgericht dennoch die Verfahrenshilfe bewilligte und dem Rechtsmittelwerber einen Rechtsanwalt für die Erhebung der Berufung beigab, ändert daran nichts, weil die Bewilligung der Verfahrenshilfe die bereits eingetretene Rechtskraft einer Entscheidung nicht zu beseitigen vermag (Kodek aaO; 8 Ob 152/00m; 10 ObS 67/98w).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte