OGH 8ObA40/03w

OGH8ObA40/03w12.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Mag. Bernhard Achitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Maria B*****, Ärztin, *****, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2003, GZ 12 Ra 251/02x-16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Vorwurf der Revisionswerberin, das Verfahren sei in einer an Nichtigkeit grenzenden Weise mangelhaft geblieben, weil die von ihr angebotenen Beweise nicht aufgenommen worden seien und das Berufungsgericht dies trotz Rüge nicht korrigiert habe, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht war zu einer eingehenden Erörterung der Mängelrüge nicht verpflichtet, weil diese nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde. Die Beklagte hat es nämlich unterlassen, die Wesentlichkeit der von ihr behaupteten Verfahrensmängel darzutun. Insbesondere fehlen Ausführungen darüber, welche konkreten, eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigende Tatsachen durch die gewünschten Beweisaufnahmen unter Beweis gestellt hätten werden können. Insofern ist nur davon die Rede, dass bei Zulassung "weiterer Beweise" hervorgekommen wäre, dass der Nachfolger der Klägerin mit dem ihr angebotenen Arbeitszeitausmaß auskomme und dass das unterschiedliche Gehaltsniveau zwischen der Klägerin und ihrem männlichen Kollegen daher rühre, dass sie ursprünglich von zwei rechtlich selbständigen Unternehmen aufgenommen worden seien, die erst später im Rahmen einer Fusion zusammengeführt worden seien. Derartiges wurde aber von der Beklagten in erster Instanz nicht vorgebracht und ist daher von vornherein nicht geeignet, die Mängelrüge zu rechtfertigen. Abgesehen davon hat die Beklagte in ihrer Mängelrüge aber nur darauf verwiesen, dass sie immer bestritten habe, dass die Forderungen der Klägerin "nicht offenbar unberechtigt" gewesen seien und dass diese Forderungen Grund für die Kündigungen gewesen seien. Dies reicht aber mangels jeglicher Konkretisierung der mit den vermissten Beweisaufnahmen angestrebten Tatsachenfeststellungen zur gesetzmäßigen Ausführungen der Mängelrüge nicht aus.

Im Übrigen erklärt sich das Unvermögen der Beklagten, die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel konkret darzulegen, aus dem Umstand, dass - wie ein Vergleich des festgestellten Sachverhaltes mit dem Prozessvorbringen der Parteien zeigt - die unterschiedlichen Auffassungen der Streitteile in erster Linie nicht im tatsächlichen sondern im rechtlichen Bereich liegen. Zur Klärung unterschiedlicher Rechtsauffassungen hätten aber weitere Beweisaufnahmen nichts beigetragen.

So ist in Wahrheit zwischen den Parteien in erster Instanz nie strittig gewesen, dass Anlass für die Gespräche über eine Änderung des Arbeitsvertrages der Klägerin deren Forderung war, das gleiche Entgelt zu bekommen, wie ihr männlicher Kollege (siehe insbesondere das Vorbringen der Beklagten S 7 in ON 2). Dass die Beklagte - wie sie in der Revision andeutet - nur auf eine ihr vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit zur Kostensenkung habe reagieren wollen, hat sie in erster Instanz mit keinem Wort vorgebracht.

Auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei nicht offenbar unberechtigt gewesen, ist alles andere als unvertretbar. Dass die Klägerin im Hinblick auf das Diskriminierungsverbots des § 2 Abs 1 Z 2 GlBG und auf den in § 141 EG verankerten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (zu dessen unmittelbarer Anwendbarkeit im Inland: 9 ObA 193/02a; 9 ObA 256/02s; Mayr, Kommentar zu Art 141 EG in Smutny/Mayr Gleichbehandlungsgesetz, 702 f mwN) ihre Forderung jedenfalls mit Grund als berechtigt erachten konnte, ist unter den gegebenen Umständen keineswegs unplausibel. Ob unter den gegebenen Umständen die unterschiedliche Honorierung der Tätigkeit des männlichen und des weiblichen Betriebsarztes dennoch gerechtfertigt war, ist jedenfalls - wie schon das dazu erstattete Vorbringen gezeigt hat - keineswegs so klar, dass von einer offenbar unberechtigten Forderung gesprochen werden könnte. Der in diesem Zusammenhang erstmal in der Revision erhobene Hinweis auf einen mittlerweile darüber zwischen den Streitteilen geführten Rechtsstreit ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Zur Untermauerung seiner Auffassung, dass die Forderung der Klägerin Anlass für die Kündigung gewesen sei, verweist das Berufungsgericht zu Recht nicht zuletzt auf das Vorbringen der Beklagten selbst. Diese hat - wie schon ausgeführt - in erster Instanz nie bestritten, dass die Gespräche über eine Änderung des Arbeitsvertrages eine Reaktion auf die ständige Forderung der Klägerin war, das gleiche Entgelt wie ihr männlicher Kollege zu erhalten. Ebenso wenig bestritten hat sie, dass Anlass für die Kündigung die Ablehnung des Anbots der Beklagten war, das diese der Klägerin zur Bereinigung der Situation gemacht hat. Allerdings versucht die Beklagte, das Angebot in einzelne Aspekte zu trennen und zwischen einem Eingehen auf die Gehaltswünsche der Klägerin und dem Vorschlag einer Stundenreduktion - letztere wird in der Revision als Kündigungsmotiv bezeichnet - zu unterscheiden. Damit wird aber der tatsächliche Gehalt des Anbots verzerrt wiedergegeben. In Wahrheit hat nämlich die Beklagte unter Androhung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl das Beklagtenvorbringen S 7 in ON 2 letzter Absatz) die Angleichung des Entgeltes der Klägerin an jenes des männlichen Kollegen (allerdings nur gemessen an der Vollzeitbeschäftigung - vgl das Beklagtenvorbringen S 7 in ON 2 Pkt 3.1) davon abhängig gemacht, dass die Klägerin in eine Reduzierung der Arbeitszeit einwilligen müsse, allerdings - auch insofern blieb das Vorbringen der Klägerin unbestritten - ohne gleichzeitige Reduzierung der zu erbringenden Leistungen. Das bedeutet, dass die Klägerin inhaltlich die gleiche Leistung wie bisher hätte erbringen müssen, dafür aber - wie die Beklagte selbst vorgebracht hat (vgl abermals das Beklagtenvorbringen S 7 in ON 2) - um EUR 591,37 weniger an Entgelt erhalten hätte. Berücksichtigt man überdies, dass die Beklagte selbst in ihrer Revision (allerdings nur unter Bezugnahme auf die Stundenkürzung) ausführt, dass die Klägerin wegen der Ablehnung dieses Anbots gekündigt wurde, erweist sich daher die Auffassung der zweiten Instanz, die Klägerin sei letztlich deshalb gekündigt worden, weil sie auf ihrer (durch das Angebot ja keineswegs erfüllten) Forderung beharrt habe, als keineswegs unvertretbar.

Dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Kündigung, die ausgesprochen wird, weil ein zulässiges Anbot des Arbeitgebers auf Änderung dispositiver Vertragspunkte vom Arbeitgeber ausgeschlagen wird, zwar nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG (also als sozialwidrig), nicht aber als Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden kann (RIS-Justiz RS0018143; SZ 66/83) trifft zu. Die dazu ergangenen Entscheidungen sind jedoch mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht zu vergleichen, weil hier das mit der Androhung der Beendigung des Vertragsverhältnisses verbundene Änderungsanbot die Reaktion auf die Geltendmachung nicht offenbar unberechtigter Ansprüche durch den Arbeitnehmer war und inhaltlich darauf hinauslief, die Klägerin vor die Wahl zu stellen, ihre Forderung (im Wesentlichen) aufzugeben oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen zu müssen.

Die Meinung der Revisionswerberin, einem Arbeitgeber in ihrer Situation stehe bei Zutreffen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes keine Möglichkeit offen, sich gegen ständig geltend gemachte, nicht geradezu absurde Ansprüche des Arbeitnehmers zu wären, trifft nicht zu. Dem Arbeitgeber, der nicht offenbar unberechtigte Ansprüche des Arbeitnehmers nicht anerkennt, steht es frei, sie nicht zu erfüllen und den Arbeitgeber damit auf die gerichtliche Geltendmachung seiner Forderung zu verweisen. Auf die Geltendmachung nicht unberechtigter Ansprüche letztlich - wenn auch im Umweg über ein "Änderungsanbot" der hier erfolgten Art - mit Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu reagieren, macht die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG bzw - sofern es sich um Ansprüche aus dem GlBG handelt - nach § 2a Abs 8 GlBG anfechtbar.

Die von der Revisionswerberin vermissten Feststellungen darüber, ob durch die Kündigung überhaupt wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt wurde, sind nur für die Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit, nicht aber für die Anfechtung einer Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG erforderlich.

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