Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des LG für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2002, GZ 18 Cg 191/015-13, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Euro 52.971,29 s. A. als Beitrag zu den Kosten einer (offenbar erst in Angriff zu nehmenden) Sanierung des Stiegenhauses im Haus K*****. Der Beklagte sei Eigentümer von 646/1000 Anteilen der betreffenden Liegenschaft EZ *****; Wohnungseigentum sei in Vorbereitung. Die Kosten der dringend notwendigen Sanierung des Stiegenhauses, von denen anteilig S 728.900,91 auf den Beklagten entfielen, seien diesem vergeblich vorgeschrieben worden; der Betrag sei fällig.
Der Beklagte, vertreten durch einen gerichtlich bestellten Abwesenheitskurator, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, dass der Klägerin die aktive Klagelegitimation fehle, weil im Grundbuch lediglich die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum angemerkt, Wohnungseigentum aber noch nicht begründet sei. Darüber hinaus sei die Sanierung des Stiegenhauses nicht notwendig, der eingeklagte Betrag überhöht und noch gar nicht fällig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte lediglich fest, dass der Beklagte Mehrheitseigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft sei. Von der Hausverwaltung seien Sanierungsarbeiten in Auftrag gegeben worden, die im Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt zu 4 Msch 7/01w begründet seien. Insgesamt seien hiefür Kosten in der Höhe von S 978.068,40 vorgesehen, wovon auf den Beklagten S 728.900,21 = Euro 52.971,29 entfielen. Rechtlich führte das Erstgericht lediglich aus, dass der Beklagte "die ihm obliegenden Leistungen nicht erbracht habe".
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der vom Beklagten erhobenen Berufung das erstgerichtliche Urteil samt dem ihm vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Dies aus folgenden Erwägungen:
Vorweg sei die im erstinstanzlichen Verfahren strittig gebliebene Frage des Bestehens der Klägerin als Vorfrage der aktiven Klagelegitimation zu klären. Laut Grundbuchsauszug sei die Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft EZ ***** mit der Anschrift ***** lediglich in Vorbereitung. Es seien zwar mehrfach Zusagen der Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes gemäß § 24a WEG an mehreren Wohnungen im Haus grundbücherlich angemerkt, es habe jedoch nicht an einem einzigen Anteil bislang die Begründung von Wohnungseigentum stattgefunden.
Sowohl § 13c Abs 1 WEG 1975 als auch § 2 Abs 5 WEG 2002 (gemäß § 54 in Kraft seit 1. 7. 2002) definierten die (Wohnungs-) Eigentümergemeinschaft als Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer. Daraus hätten Literatur und Judikatur abgeleitet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft erst mit der Begründung von Wohnungseigentum an zumindest einem Miteigentumsanteil (einer Wohnung oder sonstigen selbstständigen Räumlichkeit der Liegenschaft) entstehe (Niedermayr in Schwimann, ABGB2, Rz 3 zu § 13c WEG 1975 mwN). Das wiederum bedürfe der Einverleibung des Wohnungseigentums im Grundbuch; die bloße Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum nach § 24a Abs 2 WEG 1975 reiche hiefür nicht aus (WoBl 2000, 48/20 mit zustimmender Anmerkung von Call; 5 Ob 103/00h; 5 Ob 109/02v).
Der Oberste Gerichtshof habe sich in seiner Entscheidung 5 Ob 109/02v mit der gegenteiligen Ansicht von Illedits, wonach seit Inkrafttreten des § 23 Abs 4 WEG 1975 idF der WRN 1999 eine Wohnungseigentümergemeinschaft schon vorher entstehen könne, auseinandergesetzt, diese aber ausdrücklich abgelehnt. Solle die nach wie vor geltende Begriffsdefinition der Wohnungseigentümergemeinschaft in § 13c Abs l WEG 1975 ernst genommen werden, sei § 23 Abs 4 WEG 1975 einschränkend so zu verstehen, dass nicht schon die Anmerkung nach § 24a Abs 2 WEG, sondern erst die Einverleibung des Wohnungseigentums an zumindest einem Anteil die Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen lasse. Vor Erreichen dieses Stadiums gehörten die Bestimmungen des § 13c WEG 1975 über die Sachlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu den verwiesenen Normen des § 23 Abs 4 WEG 1975 in der zuletzt in Geltung gestandenen Fassung.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes habe sich an dieser Rechtslage nichts geändert, weil auch die Begriffsbestimmung des § 2 Abs 5 WEG 2002 hinsichtlich der (nunmehr so bezeichneten) Eigentümergemeinschaft auf die Wohnungseigentümer Bezug nehme. Es könne daher auch die Bestimmung des § 37 Abs 5 WEG 2002 über die Rechte des Wohnungseigentumsbewerbers, die auf die §§ 16 bis 34, 36 und 52, also auch auf die Regelung der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft in § 18 WEG 2002, verweise, nur in dem Sinn verstanden werden, dass zwar die Rechtsstellung des Wohnungseigentumsbewerbers jener des Wohnungseigentümers weitgehend angenähert werde, die Eigentümergemeinschaft als juristische Person (mit einer auf die Verwaltungsagenden eingeschränkten Rechtsfähigkeit) aber erst mit der Begründung von Wohnungseigentum an zumindest einem Miteigentumsanteil entstehe.
Da im vorliegenden Fall nicht einmal an einem Miteigentumsanteil Wohnungseigentum begründet wurde, fehle der - bislang rechtlich noch gar nicht existierenden - hier als Klägerin auftretenden Person die Rechtsfähigkeit, was gleich der Prozessfähigkeit von Amts wegen wahrzunehmen sei (MGA ZPO15 § 1/3, 10). Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung (auf sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft) komme hier nicht in Betracht, weil die Klägerin aus rechtlichen Erwägungen (Wohnungseigentum in Vorbereitung, Anmerkung nach § 24a WEG) auf ihrer Existenz beharrt habe (vgl MGA ZPO15 § 235/212, 214, 216 f). Darüber hinaus könnte der Beklagte als Mehrheitseigentümer nicht (gemeinsam mit den Minderheitseigentümern) sich selbst klagen; es könnten nur die übrigen Miteigentümer den Beklagten auf Zahlung zu Handen des bestellten Verwalters in Anspruch nehmen. Eine derartige Klageführung lasse sich aber aus dem Klagevorbringen nicht ableiten. Das von der Klägerin erhobene Begehren sei daher unter Nichtigerklärung des mit der Nichtpartei geführten Verfahrens einschließlich des Urteils zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Prüfung der den Beklagten als Miteigentümer der Liegenschaft allenfalls treffenden Verpflichtung zur (anteiligen) Tragung des Erhaltungsaufwandes bedürfe.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei gemäß § 519 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig.
Den Beschluss des Berufungsgerichtes hat die Klägerin mit Rekurs angefochten und beantragt, ihn aufzuheben und das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.
Vom Beklagte liegt dazu eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist iS einer vom Rechtsmittelbegehren mitumfassten Aufhebung der rekursgerichtlichen Entscheidung auch berechtigt.
Die Rekurswerberin beharrt auf ihrer Rechtsansicht, zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Beitragsforderung legitimiert zu sein. An ihrer rechtlichen Existenz könne im Hinblick darauf, dass bereits mehrere Miteigentümer des sanierungsbedürftigen Hauses im Grundbuch eingetragen sind (und bei einigen Anteilen die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 24a Abs 2 WEG 1975 angemerkt ist), nicht gezweifelt werden. Damit liege der jetzt in § 37 Abs 5 WEG 2002 ausdrücklich geregelte Fall einer Vorziehung der Bestimmungen über die Eigentümergemeinschaft auf das Vorstadium von Wohnungseigentum vor, was mangels materiellrechtlicher Änderung auch als Klarstellung zu § 23 Abs 4 WEG 1975 zu gelten habe. Die Tatsache, dass bereits mehrere Miteigentümer mit angemerkten Zusagen der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts vorhanden sind unterscheide den gegenständlichen Fall von dem zu 5 Ob 109/02v entschiedenen. Mangels anderslautender Übergangsregelung im WEG 2002 sei die Bestimmung des § 37 Abs 5 WEG 2002 sogar unmittelbar anzuwenden.
Dazu wurde erwogen:
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass der OGH in der zu 5 Ob 109/02v ergangenen Entscheidung vom 14. 5. 2002 (EvBl 2002/220 = bbl 2002/136 = immolex 2002/111 mit krit Anm von Lachmann) den Standpunkt vertreten hat, § 23 Abs 4 WEG idF der WRN 1999 habe nichts daran geändert, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft erst mit der Einverleibung des Wohnungseigentums an zumindest einem Miteigentumsanteil entsteht (und vor diesem Zeitpunkt keine Sachlegitimation in gerichtlichen Verfahren hat). Dies geschah allerdings lediglich in einer nicht entscheidungsrelevanten Zusatzbegründung und zu einem mit dem gegenständlichen nicht vergleichbaren Sachverhalt (Werklohnklage eines Dritten auf Grund von Werkverträgen aus der Zeit vor Inkrafttreten der WRN 1999). Der gegenständliche Fall zeichnet sich nach dem vorliegenden Grundbuchsauszug vor allem dadurch aus, dass gleich zwei Zusagen der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts zugunsten von Personen angemerkt sind, deren Miteigentum bereits einverleibt ist (B-LNR 11 lit b und B-LNR 13 lit a). Es gibt also schon Wohnungseigentumsbewerber, die Miteigentum an der Liegenschaft erworben haben. Dem in der Entscheidung 5 Ob 109/02v zu beurteilenden Sachverhalt war dies nicht zu entnehmen.
Nach der Gesetzeslage, wie sie durch das WEG 2002 geschaffen wurde, wäre demnach nicht zweifelhaft, dass die Eigentümergemeinschaft bereits als rechtlich existent zu fingieren ist und Beitragsforderungen wie die gegenständliche eintreiben kann, liegt doch der in § 37 Abs 5 erster Satz WEG 2002 ausdrücklich geregelte Fall einer Vorziehung der Verwaltungsbestimmungen auf das Vorstadium von Wohnungseigentum vor. Durch die Gesetzesmaterialien ist klargestellt, dass dies insbesondere für die Bestimmungen über die Eigentümergemeinschaft gilt (989 der BlgNR 21. GP, 77 f), die Erwähnung des § 18 WEG 2002 (in den §§ 16 bis 34) also bedacht und beabsichtigt war. Auch die Lehre vertritt diesen Standpunkt (Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 5 zu § 18 WEG 2002). Ungereimtheiten der alten Regelung (§ 23 Abs 4 WEG 1975), die insoweit zu Zweifeln Anlass gegeben hatten, sind durch die Anknüpfung der Fiktion einer bereits bestehenden (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft an das bereits einverleibte Miteigentum wenigstens eines Wohnungseigentumsbewerbers ausgeräumt. Als zusätzliches Argument für dieses Gesetzesverständnis ist anzuführen, dass seit dem Zwang, Wohnungseigentum stets an allen wohnungseigentumstauglichen Objekten zu begründen (§ 3 Abs 2 WEG 2002), gar kein Anwendungsbereich für eine Vorziehung der Bestimmungen über die Eigentümergemeinschaft bliebe, sollte das Entstehen dieser Gemeinschaft die Einverleibung des Wohnungseigentums an (wenigstens) einem Miteigentumsanteil voraussetzen.
Der erkennende Senat folgt der Rechtsansicht der Rekurswerberin, dass mit der in § 37 Abs 5 erster Satz WEG 2002 getroffenen Regelung, die auf Anregungen im Begutachtungsverfahren zum ME des neuen Wohnungseigentumsgesetzes zurückzuführen ist, klargestellt werden sollte, was eigentlich schon bei Geltung des § 23 Abs 4 WEG 1975 idF der WRN 1999 rechtens war (die schon erwähnten Gesetzesmaterialien unterstellen einen "im Wesentlichen" gleichen normativen Gehalt). Das wird auch von der Lehre so gesehen (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 78 zu § 56 WEG 2002). Die Befähigung, den streitgegenständlichen Anspruch geltend zu machen, ist daher der klagenden Partei schon dann zuzubilligen, wenn man bei der Lösung der mit dem WEG 2002 entstandenen intertemporalen Probleme auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung (den 19. 11. 2001) abstellt und dementsprechend § 23 Abs 4 WEG 1975 als maßgebliche Norm ansieht. Dass die Anwendung des § 37 Abs 5 WEG 2002 (zu dem sich im WEG 2002 keine konkrete Übergangsbestimmung findet) zum selben Ergebnis führen würde, wurde bereits gesagt.
Zu bemerken bleibt, dass im Fall einer Verneinung der Aktivlegitimation der Klägerin nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - die anderen Miteigentümer, sondern der gemeinsame Verwalter zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Beitragsforderung legitimiert gewesen wäre (7 Ob 515/76 = MietSlg 28.071 mwN; 5 Ob 26/83 = MietSlg 35/15; 5 Ob 41/00s = NZ 2001, 406), was eine bisher unbeachtet gebliebene Möglichkeit einer Berichtigung der Parteibezeichnung eröffnet hätte (5 Ob 43/95 = WoBl 1997, 197/74; 5 Ob 132/95 = SZ 69/190 ua).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Eine sofortige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils scheidet schon deshalb aus, weil kein Fall des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO vorliegt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 51 Abs 2 ZPO.
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