OGH 7Ob105/03x

OGH7Ob105/03x28.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Karoly P*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Georg Stauder, Rechtsanwälte in Wien sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Ing. Günther L***** , vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 23.618,67 sA, über die außerordentliche Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 2003, GZ 5 R 188/02g-13, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der auf Seiten des Klägers dem Verfahren beigetretene Nebenintervenient ist seit etwa 10 Jahren als (wie er sich selbst auf seinem Geschäftspapier bezeichnet) "unabhängiger Versicherungsmakler" tätig.

Im Sommer 2000 erwarb der Kläger mit Leasingfinanzierung einen PKW VW-Passat. Er beauftragte den Nebenintervenienten, eine KFZ-Versicherung unter anderem eine Diebstahl mitumfassende Kaskoversicherung für ihn abzuschließen und bevollmächtigte diesen schriftlich ua dazu, "Ab- und Anmeldungen von KFZ durchzuführen sowie Anzeigen und Erklärungen an seiner Stelle entgegenzunehmen und gegen den Versicherer abzugeben" etc. Der Nebenintervenient wandte sich an die Beklagte, mit der er (wie mit anderen Versicherern auch) seit etwa 10 Jahren eine Rahmenprovisionsvereinbarung getroffen hatte. Er meldete das Fahrzeug des Klägers auf Grund einer vorläufigen Deckungszusage der Beklagten behördlich an und füllte ein eigenes Formular betreffend eine KFZ-Versicherung aus, unterfertigte dieses am 20. 7. 2000 sowohl als Versicherungsvermittler als auch als Versicherungsnehmer und übersandte es an die Beklagte. Der Kläger benutzte in der Folge in Kenntnis der von der Beklagten gewährten vorläufigen Deckungszusage das Fahrzeug.

Am 23. 10. 2000 stellte die Beklagte (deren Maklerbetreuer darauf hingewiesen hatte, dass dies bis zu 5 Monate dauern könne) die Versicherungspolizze aus und übersandte sie zweifach samt Zahlschein an den Nebenintervenienten, bei dem die Unterlagen am 31. 10. 2000 einlangten. Die Unterlagen umfassten insbesondere eine aktuelle Kontoinformation (wonach die Erstprämie S 23.184,-- betrage) und neben dem Zahlschein auch ein Schreiben der Beklagten, in dem um termingerechte Einzahlung der Prämie und bezüglich Zahlungsfristen und Folgen eines eventuellen Prämienzahlungsverzuges um Beachtung der Rückseite des Schreibens ersucht wurde. Auf der Rückseite zitiert die Beklagte die Bestimmungen der §§ 38 und 39 VersVG unter der fett-gedruckten Überschrift "Wir sind verpflichtet, Ihnen nachstehenden Gesetzestext zur Kenntnis zu bringen".

Es kann nicht festgestellt werden, wann der Nebenintervenient diese Unterlagen an den Kläger - mit einfachem Brief - weiterleitete. Die Unterlagen langten zwischen dem 12. 12. 2000 und dem 18. 12. 2000 am österreichischen Wohnort des Klägers, dessen Familie in Budapest wohnt, ein. Am 18. 12. 2000 wurde das Fahrzeug des Klägers in Budapest gestohlen. Die Versicherungsprämie wurde über Veranlassung des Klägers erst am 20. 12. 2000 an die Beklagte bezahlt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den ihm durch den Diebstahl entstandenen Schaden auf Grund der Versicherung ersetzt.

Die Beklagte wendete ein, nach § 38 Abs 2 VersVG leistungsfrei zu sein, weil der Kläger die erste Prämie verspätet gezahlt habe.

Die Vorinstanzen erachteten diesen Einwand als berechtigt. Das Berufungsgericht sprach dazu aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Ausspruch ist entgegen der vom Nebenintervenienten in seiner außerordentlichen Revision vertretenen Ansicht zutreffend:

Der Versicherer ist gemäß § 38 Abs 2 VersVG leistungsfrei, wenn 14 Tage nach der Aufforderung zur Prämienzahlung die erste Prämie zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles noch nicht gezahlt ist, es sei denn, der Versicherungsnehmer kann beweisen, dass ihn an der nicht rechtzeitigen Zahlung kein Verschulden trifft (7 Ob 314/99y mwN). Als weitere Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers normiert Abs 3 leg cit, dass die Aufforderung zur Prämienzahlung einen entsprechenden Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten muss. Um sich auf Leistungsfreiheit nach der genannten Gesetzesstelle berufen zu können, ist es erforderlich, dass die Polizze und die Aufforderung zur Zahlung der ersten Prämie dem Versicherungsnehmer wirksam zugestellt werden. Dies ist - ebenso wie das Erlöschen einer von ihm vorläufig zugesagten Deckung - vom Versicherer zu behaupten und zu beweisen (7 Ob 13/93, VersR 1994, 839 = VR 1994, 126; 7 Ob 5/96; 7 Ob 314/99y; RIS-Justiz RS0043388).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit nach § 38 Abs 2 VersVG seien im vorliegenden Fall gegeben, folgt diesen Grundsätzen. Feststeht, dass die Polizze und die Zahlungsaufforderung am 31. 10. 2000 beim Nebenintervenienten, der in seiner Eigenschaft als unabhängiger Versicherungsmakler vom Kläger als Versicherungsnehmer ua zum Empfang bevollmächtigt war (vgl SZ 27/110; 7 Ob 314/99y) einlangte; damit ist die Zustellung dieser Unterlagen an den Kläger wirksam erfolgt (7 Ob 314/99y). Nicht feststellbar ist, wann der Nebenintervenient Polizze und Zahlungsaufforderung (die ihm in zweifacher Ausfertigung übermittelt worden waren) an den Kläger weiterleitete, bei dem sie erst zwischen 12. und 18. 12. 2000 einlangten. Hingegen steht weiters fest, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles (KFZ-Diebstahl) am 18. 12. 2000 eine Prämienzahlung durch den Kläger nicht erfolgt war. Da der Grund der verzögerten Zumittlung der Unterlagen durch den Nebenintervenienten an den Kläger unklar blieb und dem Kläger daher der Beweis, an der rechtzeitigen Zahlung der Prämie ohne sein Verschulden verhindert gewesen zu sein, nicht gelungen ist, steht die angefochtene Entscheidung der zweiten Instanz im Einklang mit der zitierten oberstgerichtlichen Judikatur.

Einen tauglichen Grund für die von ihm angestrebte Zulassung der Revision vermag der Nebenintervenient nicht aufzuzeigen:

Unrichtig ist die Behauptung des Revisionswerbers, dass oberstgerichtliche Judikatur "zur Vereinbarung vorläufiger Deckung und zur Beurteilung der Rechtswirkungen der §§ 38, 39 VersVG" fehle. Der Revisionswerber übersieht dabei etwa die in RIS-Justiz RS0080332 angeführten Entscheidungen SZ 57/33 = JBl 1985, 109 = EvBl 1984, 395/100; SZ 60/184 = JBl 1988, 184 = VersR 1989, 313 = VR 1988, 300 und 7 Ob 13/93, VersR 1994, 839 = VR 1994, 125. In letzterer Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es Sache des Versicherers ist, den Zustand vorläufiger Deckung auf eindeutige Art zu beenden, etwa durch Zusendung der Polizze an den Versicherungsnehmer. Da gerade dies, die Zusendung der Polizze an den Kläger, hier feststeht, müssen die Ausführungen des Revisionswerbers, wonach die Vorinstanzen die aufrechte Deckungszusage der Beklagten nicht beachtet hätten, ins Leere gehen.

Die vom Revisionswerber weiters aufgeworfene, iSd § 502 Abs 1 ZPO als erheblich angesehene Frage, ob in einer allenfalls verspäteten Weiterleitung der Polizze samt Zahlungsaufforderung eine fahrlässige Handlung des Maklers zu erblicken sei, stellt sich insoferne gar nicht, als im vorliegenden Prozess nicht allfällige Regresspflichten des Nebenintervenienten zu untersuchen sind. Entscheidungswesentlich ist vielmehr der bereits betonte Umstand, dass sich der Kläger im Hinblick auf die Empfangsbevollmächtigung des Nebenintervenienten die Zustellung der Polizze und der Zahlungsaufforderung an diesen zurechnen lassen muss (vgl 7 Ob 314/99y).

Ob die Beklagte iSd § 38 Abs 3 VersVG ausreichend deutlich auf die in Abs 2 leg cit vorgesehenen Rechtsfolgen hingewiesen hat, oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalles und würde daher nur dann einen tauglichen Zulassungsgrund darstellen, wenn dem Berufungsgericht dabei eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Dies ist aber nicht der Fall: Ausgehend von den Feststellungen, wonach die Beklagte den Kläger in einem gemeinsam mit der Polizze und dem Zahlschein übermittelten Schreiben um termingerechte Einzahlung der Prämie bat und bezüglich Zahlungsfristen und Folgen eines eventuellen Prämienzahlungsverzuges um Beachtung der Rückseite dieses Schreibens ersuchte, auf der sie unter der fett-gedruckten Überschrift "Wir sind verpflichtet, Ihnen nachstehenden Gesetzestext zur Kenntnis zu bringen" die Bestimmungen der §§ 38 und 39 VersVG zitierte, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe damit der Bestimmung des § 38 Abs 3 VersVG genügt, keine Fehleinschätzung erblickt werden, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.

Schließlich ist es zwar richtig, dass der Versicherer trotz nicht rechtzeitiger oder nicht ordnungsgemäßer Zahlung haftet, wenn die nicht rechtzeitige und ordnungsgemäße Zahlung auf einem Umstand beruht, der ihm zur Last fällt (SZ 27/328; ZVR 1962, 47/63 VersR 1964, 1283; EvBl 1969, 518/341 = JBl 1970, 626 = ZVR 1970, 17/10; SZ 57/123; RIS-Justiz RS0080486). Einen solchen Umstand vermag der Revisionswerber aber auch durch seine Ausführungen, wonach zu beachten sei, dass es sich beim gegenständlichen PKW um ein Leasingfahrzeug handelte, nicht aufzuzeigen. Seine betreffenden Argumente sind schon deshalb nicht stichhältig, weil eine den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer treffende Verpflichtung, den Leasinggeber vom Zahlungsverzug zu verständigen, nicht besteht.

Da der Revisionswerber also auch dadurch - und damit insgesamt - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen vermag, war spruchgemäß zu entscheiden.

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