OGH 7Ob314/99y

OGH7Ob314/99y29.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Pennerstorfer, Haftner, Schobel OEG, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Hans-Jürgen-Michael H*****, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 142.267,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 1. Juni 1999, GZ 13 R 204/98k-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juni 1998, GZ 9 Cg 185/97k-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 35.570,-- (darin enthalten S 3.720,-- USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte beauftragte die Versicherungsmaklergesellschaft U***** KG mit der Ummeldung der für sein Kraftfahrzeug bestehenden Haftpflichtversicherung auf die klagende Versicherung. Diese Versicherungsmaklergesellschaft steht in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Klägerin, ohne aber deren Formulare zu verwenden.

Als der Beklagte Anfang Juni 1996 beim Versicherungsmakler den Antrag an die Klägerin hinsichtlich der Haftpflichtversicherung unterfertigte, wurde auf dem Antrag auch sein Zulassungsschein mitfotokopiert. Auf dem scheint als Adresse ***** Wien, ***** auf, an der jedoch der Beklagte seit Februar 1996 nicht mehr wohne, sondern nur mehr sein namensgleicher Vater. Der Beklagte wies jedoch nicht darauf hin, andernfalls hätte der Versicherungsmakler eine entsprechende Ummeldung bei der Zulassungsbehörde veranlasst.

Die klagende Versicherung stellte dann auf den Beklagten mit 26. 8. 1996 eine Haftpflichtversicherungspolizze - beginnend mit 1. 8. 1996 - aus, bei der als Erstprämie S 4.409,-- genannt und auch auf die Folgen der nicht rechtzeitigen Prämienzahlung gemäß den §§ 38 bis 39a VersVG hingewiesen wird. Diese wurde an den Versicherungsmakler übermittelt und von diesem am 2. 9. 1996 an den Beklagten per Adresse in der D***** weiter gesandt, allerdings nicht eingeschrieben. Die Polizze mit dem Zahlschein wurde zwar vom Vater des Beklagten übernommen, dieser teilte dies jedoch seinem Sohn zunächst nicht mit. Die Übersendung durch nicht eingeschriebene Briefe solcher Polizzen ist branchenüblich.

Erst nach einem Unfall des Beklagten am 2. 10. 1996 für den die Klägerin im Hinblick auf das angenommene Alleinverschulden des Beklagten dem Geschädigten aus der Haftpflichtversicherung S 142.267,-- bezahlte, nahm der Beklagte mit seinem Vater Kontakt auf und dieser teilte ihm mit, dass die Polizze mit Zahlschein eingelangt sei. Am Folgetag zahlte der Beklagte die Erstprämie ein. Erst mit der Unfallmeldung wurde dem Versicherungsmakler und der Klägerin bekannt, dass der Beklagte eine andere Adresse hat.

Die klagende Versicherung begehrte den Ersatz der von ihr geleisteten Zahlung von S 142.267,-- samt 4 % Zinsen seit 15. 12. 1996 und stützte sich darauf, dass sie infolge Nichtzahlung der Erstprämie der Haftpflichtversicherung zum Unfallzeitpunkt trotz Fälligkeit leistungsfrei und der Regress daher berechtigt sei. Ein allfälliges Verschulden des Versicherungsmaklers sei nicht der klagenden Versicherung zuzurechnen. Der Beklagte habe seine Zahlungsverpflichtung auch anerkannt, und um Ratenvereinbarung ersucht.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass gar kein Zahlungsverzug vorgelegen sei, da ihm entgegen der Vereinbarung trotz Kenntnis seiner Adresse eine Zahlungsaufforderung nicht zugesandt worden sei. Er sei stets zahlungsbereit gewesen. Auch habe die Klägerin die Anzeige entsprechend § 61 Abs 3 KFG wegen Nichtzahlung der Prämie unterlassen. Der Versicherungsmakler selbst habe sein Verschulden an der mangelnden Bekanntgabe der richtigen Adresse zugestanden. In seiner Schadensmeldung habe der Beklagte auf seine aktuelle Adresse hingewiesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass entsprechend § 3 Abs 3 des Maklergesetzes eine Informationspflicht des Maklers gegenüber der klagenden Versicherung bestanden habe und eine allfällige Unterlassung dieser zuzurechnen sei. Auch bestritt der Beklagte, dass ihn das Alleinverschulden an den hier maßgeblichen Verkehrsunfall treffe (AS 31).

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich aus dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass die Versicherung im Hinblick auf den Verzug des Beklagten bei der Zahlung der Erstprämie gemäß § 38 Abs 2 VersVG leistungsfrei und damit zum Regress berechtigt sei. Der Versicherer sei nur dann zum Beweis des Zugangs der Zahlungsaufforderung verpflichtet, wenn die bekanntgegebene Adresse auch zutreffend sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es beurteilte die einleitend dargestellten Feststellungen gestützt auf Lehrmeinungen dahin, dass § 10 Abs 1 VersVG auch auf Fälle wie den vorliegenden analog anzuwenden sei, bei denen bereits ursprünglich eine unrichtige Adresse angegeben und nicht nur nachträglich eine Adressänderung nicht bekanntgegeben wurde. Weiters seien auch Willenserklärungen wie die Übermittlung der Versicherungspolizze samt Zahlungsaufforderung von § 10 VersVG erfasst. Da aber die Klägerin es entgegen der Regelung des § 10 VersVG unterlassen habe, den Brief eingeschrieben an den Beklagten zu übermitteln, was auch die Möglichkeiten des Empfängers vergrößere, in den Besitz der Briefsendung zu gelangen, sei der Eintritt der Leistungsfreiheit zu verneinen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht im Hinblick auf divergente Entscheidungen zur Anwendung des § 10 VersVG und abweichende Stellungnahmen in der Literatur und Rechtsprechung als zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der klagenden Versicherung ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zustellung der Versicherungspolizze und der Vorschreibung der ersten Prämie bei einer bereits ursprünglich unrichtigen Angabe der Wohnanschrift des Versicherten liegt nicht vor, ebensowenig zu der hier letztlich entscheidenden Frage der Zustellung an den vom Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmakler.

Übereinstimmung besteht zwischen den Parteien, dass vorweg eine vorläufige Deckungszusage erteilt wurde, die durch die unveränderte Annahme des Versicherungsantrages enden sollte (vgl auch zum Charakter der vorläufigen Deckungszusage RIS-Justiz RS0080332 = SZ 57/33 = JBl 1985, 109 = EvBl 1984/100, SZ 60/184 = JBl 1988, 184, VersR 1994, 839; Jabornegg, Die vorläufige Deckung, insb 16 und 24 ff).

Nach § 38 Abs 2 VersVG ist der Versicherer dann leistungsfrei, wenn 14 Tage nach der Aufforderung zur Prämienzahlung die erste Prämie zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles noch nicht gezahlt ist, es sei denn den Versicherten trifft an der nicht rechtzeitigen Zahlung kein Verschulden. Letzteres hat der Versicherungsnehmer zu beweisen (vgl RV BlgNR 1533 18. GP, 20; Schauer, Das Österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 227; Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer VersVG-Novellen § 38 Rz 8; Knappmann in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz26 § 38 Rz 36; Binder im Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 38 Rz 50 mwN). Weitere Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers ist es, dass der Aufforderung zur Prämienzahlung - wie hier - eine entsprechende Belehrung des Versicherungsnehmers über diese Rechtsfolge angeschlossen ist.

Es ist daher erforderlich, dass die Polizze und die Aufforderung zur Zahlung der ersten Prämie dem Versicherungsnehmer wirksam zugestellt werden. Die Voraussetzungen des Erlöschens der vorläufigen Deckung sind so wie die der Zustellung der genannten Aufforderung als anspruchsvernichtende Umstände von der Versicherung zu behaupten und zu beweisen (vgl RIS-Justiz RS0043388 = VersR 1994, 839; VersR 1996, 17; VersR 1997, 70; Fenyves aaO § 38 Rz 3).

In Betracht kommen dabei für den Nachweis des Zugangs der Erklärungen einerseits, dass diese dem Erklärungsempfänger entsprechend § 862a ABGB erster Satz tatsächlich zugekommen, also in dessen Machtbereich gelangt sind (vgl MGA ABGB35 § 862a E 2 = SZ 53/28; JBl 1986, 36) oder andererseits dass dieser Zugang etwa entsprechend § 10 VersVG oder unter analoger Heranziehung des § 862a zweiter Satz ABGB fingiert wird.

Voranzustellen ist hier, dass die von der Versicherung vorgenommene Zustellung der genannten Schriftstücke an den vom Beklagten beauftragten Versicherungsmakler diesem tatsächlich zugekommen ist, während die vom Versicherungsmakler vorgenommene Zustellung an den Beklagten nur fingiert werden könnte.

Entscheidend ist damit aber, welche Stellung hier dem Versicherungsmakler zukommt.

Der Versicherungsmakler im Sinne der §§ 26 ff MaklerG ist zwar regelmäßig ein Doppelmakler (vgl § 27 MaklerG, RV BlgNR 2 20. GP, 13) wird aber trotzdem bei einer wie vorliegenden Sachverhaltslage als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als "Bundesgenosse" des Versicherten dessen Interessen zu wahren (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 105 f; Fenyves, Die Haftung des Versicherungsmaklers nach österreichischem Recht in Fenyves/Koban [Hrsg] Die Haftung des Versicherungsmaklers, 5 f; RV zum MaklerG aaO, 29; vgl zur deutschen Rechtslage etwa jüngst Zinnert, Das Recht des Versicherungsmakler am Anfang des 21. Jahrhundert VersR 2000, 399).

Davon zu unterscheiden wäre der Versicherungsagent im Sinne des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit zu der Versicherung ein Naheverhältnis hat und der der Sphäre des Versicherers zugerechnet wird (vgl RV zum MaklerG aaO, 29; Schauer aaO 97 ff; Grassl, Maklerrecht für Mehrfachagenten RdW 1999, 445 uva).

Die Abgrenzung ist anhand der Festlegung des Begriffes des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG vorzunehmen (vgl § 26 Abs 3 MaklerG), wobei das MaklerG noch ergänzend vorsieht, dass alleine das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung noch nicht die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers ausschließt (vgl § 26 Abs 1 MaklerG).

Allerdings ist auch festgelegt, dass der Versicherer selbst für den Makler iSd Abgrenzung haftet, wenn das wirtschaftliche Naheverhältnis zum Makler so intensiv ist, dass es zweifelhaft scheint, ob dieser in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (vgl § 43a VersVG; vgl zu der von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Abgrenzung etwa BGH 22. 9. 1999 zfs 2000, 67; Baumann, Ist der Versicherungsmakler Auge und Ohr des Versicherers NVersZ 2000, 116; Reusch, Wie weit reicht der Auge- und Ohr-Grundsatz ? NVersZ 2000, 120). Hier hat sich nun der Beklagte auf ein solches wirtschaftliches Naheverhältnis gar nicht gestützt.

Es ist daher davon auszugehen, dass vom Beklagten ein unabhängiger Versicherungsmakler beauftragt wurde. Zusätzlich zum reinen Vermittlungsauftrag können damit noch weitere Vollmachten auch konkludent erteilt werden (vgl Prölss/Martin aaO Anh zu §§ 43-48 Rz 8 mwN). Hier hat nun der beklagte Versicherungsnehmer den Versicherungsmakler "beauftragt", die "Ummeldung" seiner KFZ-Haftpflichtversicherung durchzuführen. Auf dem vom Beklagten als echt und richtig zugestandenen, an die Versicherung gerichteten und vom Beklagten sowie dem Versicherungsmakler unterfertigten Antrag wird auch ausdrücklich festgehalten, dass die Versicherungspolizze zweifach an den Makler zu ergehen hat. Dies kann aber nur als Empfangsvollmacht angesehen werden (vgl auch § 28 Z 4 MaklerG, der die Übermittlung der Polizze durch den Makler zugrundelegt; aber auch SZ 27/110). Diese ist unter Berücksichtigung der umfassenden Prüfungspflicht des Versicherungsmaklers (vgl § 28 Abs 1 MaklerG) und der sonst für den Versicherungsnehmer ohne Vorliegen der Versicherungspolizze gar nicht möglichen Überprüfung der Prämienvorschreibung dahin zu verstehen, dass sie auch die Übermittlung der Zahlungsaufforderung für die erste Prämie umfasste. Damit ist aber dem Beklagten die Annahme seines Antrages und die Zahlungsaufforderung bereits mit der Übermittlung an den von ihm bevollmächtigten Makler Anfang September 1996 zugegangen (vgl Strasser in Rummel ABGB2 § 1002 Rz 53; Apathy in Schwimann ABGB2 § 862 Rz 4 uva). Im Zeitpunkt des Unfalles war daher der Beklagte mit der Zahlung säumig und die Frist des § 38 Abs 2 VersVG war bereits verstrichen.

Dass ihn an der Zahlungsverzögerung kein Verschulden treffen würde, konnte der Beklagte schon deshalb nicht nachweisen, weil im Zeitpunkt des Unfalles am 2.10. 1996 bereits mehr als 2 Monate seit Vertragsbeginn bzw 4 Monate seit dem Auftrag an den Versicherungsmakler verstrichen waren, ohne dass sich der Beklagte über den Verlauf der Ummeldung erkundigt hätte. Inwieweit der Versicherungsmakler gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Beklagten verstoßen hat, ist hier nicht zu beurteilen.

Im Zeitpunkt des Unfalles am 2. 10. 1996 war die Klägerin also dem Beklagten gegenüber bereits leistungsfrei gemäß § 38 Abs 2 VersVG und nur entsprechenden § 158c VersVG dem Dritten gegenüber zur Leistung verpflichtet. Insoweit steht der Klägerin daher gemäß § 158 f VersVG (vgl auch Heiss/Lorenz Versicherungsvertragsgesetz § 38 Rz 46 uva) der Regress der im Revisionsverfahren der Höhe nach nicht mehr strittigen Forderungen gegen den Beklagten zu. Im Übrigen wurden die vom Beklagten unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit begehrten ergänzenden Feststellungen zur Verschuldensfrage und zur Höhe der Regressforderung nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt, weil die begehrten Feststellungen weder konkretisiert, noch die Beweismittel, auf die sie sich gründen sollten, bezeichnen (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 471 Rz 8).

Im Ergebnis war daher der Revision der klagenden Versicherung stattzugeben und das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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