OGH 8ObA27/03h

OGH8ObA27/03h22.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Lovrek sowie durch die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andreas K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rumpl, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei Christian L*****, vertreten durch Dr. Anton Aigner, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen EUR 3.740,61 und Feststellung (Streitwert 1.816,82), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Dezember 2002, GZ 9 Ra 330/02v-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. August 2002, GZ 4 Cga 147/01h-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend das Vorliegen des Entlassungsgrundes des § 15 Abs 3 lit a BAG bejaht, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Der Kläger, der seit 1. 3. 1999 im Betrieb des Beklagten als Installationslehrling mit vorwiegend Privatkundenkontakt beschäftigt war, sagte am 20. 6. 2001 in einer Unterrichtspause der vom Kläger besuchten Berufsschule zu einem Mitschüler: "Du sollst nicht petzen, sonst schlag ich Dich nach dem Turnus blutig". Danach legte der Kläger seine rechte Hand um den Hals seines Mitschülers und schlug mit der linken Faust auf den Bereich von dessen Oberkörper. Danach forderte der Kläger seinen Mitschüler auf, den Vorfall ja nicht zu melden, "sonst würde er ihn herbirnen". Durch den Schlag erlitt der Mitschüler des Klägers im Bereich der linken Brustkorbseite eine Verletzung. Diesem Vorfall war eine Rüge eines Berufsschullehrers vorangegangen, der den Eindruck gewann, dass der später vom Kläger verletzte Mitschüler vom Kläger eingeschüchtert worden war und deshalb 20mal zum Zimmersäuberungsdienst eingeteilt worden war, während eine Diensteinteilung des Klägers nicht festgestellt werden konnte. Bei einer Gegenüberstellung des Klägers und des verletzten Mitschülers machte der Kläger zum Berufsschuldirektor die Bemerkung "Was wollen Sie, er steht ja eh noch". Beim Verlassen des Schülerheims lauerte der Kläger dem verletzten Mitschüler auf. Nach einer Ermahnung eines anwesenden Lehrers entfernte sich der Kläger.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung steht somit ein objektiv strafbares Verhalten des Klägers (vorsätzliche Körperverletzung) fest.

Gemäß § 15 Abs 3 lit a BAG - der insoweit dem § 82d GewO entspricht - ist der Lehrberechtigte zur vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses berechtigt, wenn der Lehrling sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Lehrberechtigten unwürdig macht.

Für die Beurteilung, ob die strafbare Handlung - die nicht davon abhängig ist, dass bereits eine Verurteilung erfolgt ist (8 ObA 124/02x) - einen Entlassungsgrund nach § 15 Abs 3 lit a BAG bzw § 82 lit d GewO darstellt, kommt es darauf an, ob zufolge des Verhaltens des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind (RIS-Justiz RS0060407; zuletzt 8 ObA 124/02x). Nur bei Diebstahl und Veruntreuung bedarf es keiner Prüfung, ob eine Vertrauensunwürdigkeit für den Arbeitgeber eingetreten ist. Macht sich jedoch der Lehrling einer anderen strafbaren Handlung schuldig, so muss diese, um eine Entlassung zu rechtfertigen, objektiv geeignet sein, den Verlust des Vertrauens des Arbeitgebers herbeizuführen. Ein Lehrling verliert dann das Vertrauen des Arbeitgebers, wenn sich dieser mit Rücksicht auf die strafbare Handlung nicht mehr darauf verlassen kann, dass der Dienstnehmer seine Pflichten getreulich erfüllen werde. Es kommt nicht auf die subjektive Einstellung des Arbeitgebers an, sondern darauf, ob das Verhalten des Dienstnehmers nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise objektiv Vertrauensunwürdigkeit bewirkt (RIS-.Justiz RS0114536; RS0060407; RS0052754). Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung durch den Lehrberechtigten ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entlassung des Lehrlings. Dieses Kriterium ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt (Kuderna, Entlassungsrecht² 60 ff; RS0107934). Dabei ist auch das bisherige Verhalten zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0060363; vgl auch RIS-Justiz RS0052754; RS0114536; 8 ObA 124/02x). Eine außerdienstliche Tat muss sich auf das Arbeitsverhältnis zumindest mittelbar auswirken, zB dadurch, dass das Vertrauen des Arbeitgebers verwirkt wird oder dass der Ruf des Arbeitgebers oder seines Unternehmens dadurch gefährdet wird oder wenn die Tat störende Rückwirkungen auf das Betriebsklima zeitigen könnte (9 ObA 245/00w).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die beim Kläger deutlich hervortretende Gewaltbereitschaft die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung durch den Lehrherrn nach sich zieht. Der in der Revision hervorgehobene Umstand, dass der Mitschüler des Klägers lediglich geringfügig verletzt wurde, kann an dieser Beurteilung nichts ändern: Bei der zugefügten Verletzung handelt es sich gerade nicht um die Folge einer im Rahmen eines Schulbetriebs üblichen Auseinandersetzung bzw Reiberei. Vielmehr ist aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen deutlich abzuleiten, dass der Kläger nicht nur grundsätzlich gewaltbereit ist, sondern sich seine Gewaltbereitschaft insbesondere darin äußert, gegenüber Schwächeren verbalen und physischen Druck auszuüben. Damit ist aber die Gefahr nicht zu vernachlässigen, dass der Kläger nicht nur gegenüber Mitschülern in der Berufsschule, sondern auch gegenüber Arbeitskollegen im Betrieb des Beklagten ein derartiges Verhalten an den Tag legt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO iVm § 2 ASGG.

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