OGH 6Ob74/03f

OGH6Ob74/03f21.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag. Martin S*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs, Veröffentlichung des Widerrufs ehrverletzender Äußerungen und Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2003, GZ 2 R 195/02i-14, womit über die Rekurse beider Parteien der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 31. Juli 2002, GZ 17 Cg 31/02v-7, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er mangelnde inländische Gerichtszuständigkeit geltend macht, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 624,06 EUR (darin 104,01 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die Zuständigkeit binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen wird der Revisionsrekurs gemäß den §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat ihre (weiteren) Kosten des Revisionsrekursverfahrens im Provisorialverfahren vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

In einer Zeitungsausgabe der in Deutschland ansässigen beklagten Medieninhaberin war am 25. 4. 2002 ein Artikel über den Kläger erschienen, in dem dieser als inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit und als Geheimagent bezeichnet wurde. Der Kläger beantragte neben der auf Unterlassung und öffentlichen Widerruf der ehrverletzenden Behauptungen sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden gerichteten Klage auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs. Die Behauptungen der Beklagten seien unwahr, ehrverletzend und rufschädigend.

Die Beklagte wandte Unzuständigkeit des österreichischen Gerichtes ein. In Österreich sei kein Schaden eingetreten. Im Übrigen seien die Behauptungen wahr. Die Bewertungen der Beklagten seien durch Art 10 EMRK gedeckt.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzuständigkeit, erließ die beantragte einstweilige Verfügung hinsichtlich der Behauptung, der Kläger sei Geheimagent der DDR-Staatssicherheit gewesen und wies das Mehrbegehren ("inoffizieller Mitarbeiter") ab. Es stellte den Inhalt des Artikels vom 25. 4. 2002 und weiters den wesentlichen Sachverhalt fest, dass der Kläger zwar mit Unternehmen der ehemaligen DDR auch im Interesse des Ministeriums für Staatssicherheit Geschäfte unter Umgehung von Embargobestimmungen abgewickelt habe, dass aber nicht bescheinigt sei, dass er gegen Bezahlung geheime Nachrichten im Interesse des Staatssicherheitsdienstes der DDR beschafft, zusammengestellt und/oder ausgewertet hätte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die inländische Gerichtbarkeit im Hinblick auf Art 5 Nr 3 EuGVÜ gegeben sei. Die Beklagte habe nur die Richtigkeit der Behauptung, der Kläger sei inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit gewesen, bescheinigen können, nicht aber den Vorwurf einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers und dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge. Es wies die Klage insoweit wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurück, als sie sich auf Schäden bezieht, die außerhalb Österreichs eintreten und erließ die beantragte einstweilige Verfügung hinsichtlich beider Behauptungen. Nach der Judikatur des EuGH sei die Kognitionsbefugnis des österreichischen Gerichtes gemäß dem anzuwendenden Art 5 EuGVVO auf jene Schäden eingeschränkt, die im Staat des angerufenen Gerichtes verursacht wurden bzw drohen. Die bekämpften Behauptungen seien nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers rufschädigend und ehrverletzend. Dies gelte auch für den Begriff inoffizieller Mitarbeiter der "Stasi". Für den Wahrheitsbeweis genüge es nicht, dass der Kläger in Akten der DDR-Behörden so bezeichnet worden sei und dass er kommerzielle, wenn auch rechtswidrige "Embargogeschäfte" abgewickelt habe. Die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht sei nicht bescheinigt worden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs wegen Fehlens einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Zuständigkeitsfrage nach der "Fiona Shevill-Doktrin" des EuGH zulässig sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass die Klage zurückgewiesen und der Sicherungsantrag abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht stattzugeben. Der Revisionsrekurs ist teilweise jedenfalls unzulässig und teilweise - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes - mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionsrekurs wendet sich gegen die vom Rekursgericht bestätigte Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede. Der Oberste Gerichtshof hat schon in einem Parallelverfahren (des Klägers gegen einen anderen deutschen Medieninhaber) ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs gegen Konformatsentscheidungen gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig und dass die Ausnahmebestimmung des § 402 Abs 1 letzter Satz EO nicht anzuwenden ist, weil sie nur für Sachentscheidungen, nicht aber für Entscheidungen über Prozesshindernisse gilt (6 Ob 318/02m). Deshalb ist auch nicht aufzugreifen, dass die Vorinstanzen über die Prozesseinrede entgegen § 261 Abs 1 ZPO ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden haben (4 Ob 193/01p).

II. In der Sache selbst werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt:

Die Qualifikation der Behauptungen als ehrverletzend und rufschädigend kann nicht ernstlich in Frage gestellt werden (so schon die oben zitierte Vorentscheidung).

Bei Rufschädigungen, die gleichzeitig auch ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB sind, trifft den beklagten Täter die Beweislast über die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen (RIS-Justiz RS0031798). Die erforderliche Bescheinigung hat die Beklagte nicht erbracht.

Entgegen dem Revisionsrekursvorbringen hat das Rekursgericht keine nach der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 66/164 unzulässige Umwürdigung der Beweise vorgenommen, sondern nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt (über die "Embargogeschäfte") anders dahin beurteilt, dass damit der Vorwurf einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit ("inoffizieller Mitarbeiter" eines "Spitzelsystems") nicht nachgewiesen wurde.

Zu einem allenfalls vorliegenden Rechtfertigungsgrund nach § 6 Abs 2 MedienG (wegen Einhaltung der journalistischen Sorgfalt) führt der Revisionsrekurs nichts aus. Die Beklagte beruft sich insbesondere nicht auf konkrete Recherchen und Umstände über eine Verlässlichkeit der Informationsquellen (vgl SZ 70/180).

Im Übrigen greift die Revisionsrekurswerberin unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO sowie auf § 393 EO. In der Zuständigkeitsfrage - einem Zwischenstreit - obsiegt der Kläger mit seiner Revisionsrekursbeantwortung zur Gänze. Revisionsrekursgegenstand ist die teilweise Klagezurückweisung. Mangels Vorliegens einer Bewertung der beiden Teile ist für die Kostenbestimmung von einem vollen Obsiegen auf der Basis der Hälfte des Streitwertes für den Unterlassungsanspruch (das sind gemäß § 10 RATG 19.620 EUR) auszugehen. Darüber hinausgehende Kostenersatzansprüche des Klägers im Provisorialverfahren hängen vom Obsiegen in der Hauptsache ab.

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