OGH 5Ob56/03a

OGH5Ob56/03a29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der Antragsteller 1. Riza D***** GesmbH & Co KEG, ***** vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, und 2. Dogan Z***** KEG, ***** vertreten durch Hannelore Istvan, Mieterschutzverband Österreich, 3100 St. Pölten, Wiener Straße 9, gegen die Antragsgegnerin G***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Amler und Dr. Michael Schwarz, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen § 37 Abs 1 Z 8, 12 und 14 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 20. Dezember 2002, GZ 7 R 118/02m-35, womit der Zwischensachbeschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 23. April 2002, GZ 9 Msch 13/99s und 9 Msch 1/00f-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Der Zwischenantrag der Antragsteller auf Feststellung, dass es sich bei den Bestandverträgen der Antragsteller mit der Antragsgegnerin betreffend das Geschäftslokal ***** (Lokal 0054 und 0053 laut Vorschreibungen der Liegenschaftseigentümerin), bestehend aus einem Verkaufslokal, zwei Nebenräumen, einem Klosett sowie einem Kellerabteil jeweils um ein Untermietverhältnis im Sinne des § 26 MRG handle und die dort genannten Mietzinsbeschränkungen gelten, wird abgewiesen."

Text

Begründung

Eigentümerin der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, ist die A***** eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung in *****. Das darauf errichtete Gebäude wurde nach gemeinnützigkeitsrechtlichen Prinzipien errichtet und eine Wohnbauförderung des Landes N***** in Anspruch genommen. Am 19. 2. 1972 schloss die Genossenschaft und Hans A***** einen "Nutzungsvertrag" über das gegenständliche Bestandobjekt. In diesem Nutzungsvertrag wurden folgende Vertragsbestimmungen aufgenommen:

"§ 21: Die Genossenschaft wird einer beabsichtigten Veräußerung bzw Verpachtung und einer anderweitigen Verwendung zustimmen, ...

§ 22: Beide Vertragsteile verpflichten sich, entsprechend den Bestimmungen des WEG und des WGG in der jeweils gültigen Fassung ..., das Wohnungseigentumsrecht an der gegenständlichen Wohnung vertraglich zu begründen und das Eigentumsrecht an der gegenständlichen Wohnung zu übertragen bzw zu übernehmen, wenn sämtliche Darlehen für das Haus zur Gänze abgestattet sind und die Darlehensgeber hiezu ihre ausdrückliche Zustimmung erteilen. ... Bei Begründung des Wohnungseigentums werden die derzeit vom Bundesministerium für Bauten und Technik in Ausarbeitung befindlichen Verträge abgeschlossen, wobei auf die einschlägigen Bestimmungen des WGG Bedacht genommen werden müssen."

Hans A***** erlegte zunächst an Eigenmitteln etwa S 315.000. Laut Nutzungsvertrag war an Betriebs-, Verwaltungs- und Instandhaltungskosten S 861 monatlich zu bezahlen.

In der Folge schlossen die Rechtsnachfolgerin von Hans A***** und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (die Ing. A***** GmbH & Co KG wurde in die Antragsgegnerin eingebracht) einen Kaufvertrag. Unter Bezugnahme auf den oben genannten Nutzungsvertrag wurden sämtliche Rechte aus dem Nutzungsvertrag um S 650.000 verkauft/gekauft und übergeben. Es wurde festgehalten, dass bei der Genossenschaft insgesamt S 406.700 an geleisteten "Einlagen" zu Buche stünden.

Am 8. 6. 1994 schloss die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit einer Gesellschaft einen Mietvertrag über das Geschäftslokal, in den die Erstantragstellerin per 31. 3. 1995 eintrat. Der vereinbarte Hauptmietzins betrug S 21.016 zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten.

Die Antragsgegnerin erwirkte gegen die Erstantragstellerin ein Versäumungsurteil, das sie zur Bezahlung eines Mietzinsrückstandes von April 1997 bis Juli 1997, und zur Räumung nach Auflösung des Mietvertrages gemäß § 1118 ABGB verpflichtete.

Am 4. 11. 1997 schloss die Antragsgegnerin mit der Zweitantragstellerin einen als Untermietvertrag bezeichneten Bestandvertrag über das selbe Geschäftslokal auf unbestimmte Zeit.

Die im Nutzungsvertrag zugesicherte Begründung von Wohnungseigentum ist bisher nicht erfolgt, ebensowenig die Rückzahlung sämtlicher Förderungsdarlehen. Es wurde auch kein außerbücherliches Eigentum der Antragsgegnerin begründet.

Die Antragsteller begehren die Feststellung des gesetzlich zulässigen Untermietzinses auf Grund der von ihnen abgeschlossenen Mietverträge und stellten im Verfahren den im Spruch ersichtlichen Zwischenantrag auf Feststellung, dass es sich bei den abgeschlossenen Bestandverträgen um ein Untermietverhältnis handelt.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages mit der Begründung, dass ihr auf Grund des Nutzungsvertrages vom 19. 2. 1971 eine eigentümerähnliche Stellung zukomme und dass der Vertrag zwischen den Parteien nicht als Untermietvertrag zu qualifizieren sei.

Das Erstgericht stellte mit Zwischensachbeschluss fest, dass es sich bei den abgeschlossenen Bestandverträgen um Untermietverhältnisse im Sinne des § 26 MRG handle und die dort genannten Mietzinsbeschränkungen zu gelten hätten. Auf Grund der Unbestimmtheit des zwischen der Antragsgegnerin und der Genossenschaft abgeschlossenen Vertrages sei die Antragsgegnerin kein Wohnungseigentumswerber. Es sei in der festgestellten Vereinbarung keine definitive Zusage im Sinne des § 23 Abs 1 WEG zu erblicken, da der Antragsgegnerin kein konkreter Anspruch auf Einverleibung des Eigentumsrechtes zustehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin mit der Begründung nicht Folge, dass Hauptmietrechte grundsätzlich nur von demjenigen abgeleitet werden könnten, der in Bezug auf die gesamte Liegenschaft verfügungsberechtigt sei, nicht jedoch von einem Fruchtnießer nur einer Wohnung. Die Antragsgegnerin sei lediglich als obligatorisch berechtigte Fruchtnießerin des Geschäftslokals anzusehen und könne daher nur einen Untermietvertrag abschließen. Ein künftiger Wohnungseigentümer könne schon vor der Entstehung des Wohnungseigentums von seinem rein obligatorischen Recht ohne Beteiligung der übrigen Miteigentümer Gebrauch machen, könne aber nur einen Untermietvertrag im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG abschließen, der nach Begründung des Wohnungseigentums von selbst in einen Hauptmietvertrag übergehe. Da weder sämtliche Förderungsdarlehen zurückbezahlt worden seien noch eine Zusage oder Vereinbarung zur Begründung von Wohnungseigentum erfolgt sei, habe die Antragsgegnerin nicht die Rechtsstellung einer Wohnungseigentumsbewerberin erlangt, sodass der abgeschlossene Mietvertrag als Untermietvertrag zu qualifizieren sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, da zu der Frage, ob der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung abgeschlossene Mietvertrag, an der irgendwann Wohnungseigentum begründet werden solle, eine Hauptmiete begründe oder nicht, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstantragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Die Zweitantragstellerin beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin verweist darauf, dass sie Wohnungseigentumswerberin sei, sodass der von ihr abgeschlossene Mietvertrag im Sinne des § 2 MRG als Hauptmietvertrag zu beurteilen sei.

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass auf die Mietverträge die Bestimmungen des MRG idF des 3. WÄG anzuwenden sind. Nach § 2 Abs 1 zweiter Satz MRG liegt Hauptmiete mit dem Eigentümer der Liegenschaft auch dann vor, wenn an einem Mietgegenstand Wohnungseigentum begründet werden soll, dieses aber noch nicht verbüchert ist. Nach § 2 Abs 1 3. Satz leg cit sind an den wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger des Vermieters auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist. Dies bedeutet, dass - im Gegensatz zur bisher in Geltung gestandenen Rechtslage - auch eine Person, die nicht bereits Miteigentümer der Liegenschaft ist, einen Hauptmietvertrag abschließen kann, wenn an dem Mietgegenstand Wohnungseigentum begründet werden soll (vgl 5 Ob 179/01m, Fenyves in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 2 Rz 18 mwN, Würth/Zingher20, § 2 MRG Rz 6). Auf die Begründung von Wohnungseigentum kommt es also nach § 2 Abs 1 MRG im Gegensatz zur Rechtsansicht des Rekursgerichtes nach der hier anzuwendenden Rechtslage nicht an. Es ist daher auch unerheblich, ob die im Nutzungsvertrag vereinbarten Bedingungen für die Einräumung des Wohnungseigentums bereits eingetreten sind oder nicht; die Rückzahlung der Förderungsdarlehen bzw die Zustimmung der Darlehensgeberin sind nur für das Rechtsverhältnis zwischen Wohnungseigentumsbewerber und Wohnungseigentumsorganisator relevant (vgl 5 Ob 62/93). Für die Beurteilung als Hauptmiete genügt es, dass an dem Mietgegenstand in Zukunft Wohnungseigentum begründet werden soll (§ 2 Abs 1 zweiter Satz MRG).

Aus dem Nutzungsvertrag ergibt sich die Verpflichtung zwischen Genossenschaft und Nutzungsberechtigten, dass das Wohnungseigentum am Bestandobjekt zu begründen ist, wobei auf die Geltung des WGG und des WEG als konkretisierende Bestimmungen der Verpflichtung verwiesen wird. § 23 Abs 1 WEG definiert als Wohnungseigentumsbewerber denjenigen, dem schriftlich, sei es auch bedingt oder betagt, von einem Wohnungseigentumgsorganisator die Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes an einer bestimmt bezeichneten Räumlichkeit zugesagt worden ist. Dass der Betreffende bereits schlichter Miteigentümer ist, ist damit nicht vorausgesetzt (5 Ob 38/01a). An den Wortlaut der "Zusage" im Sinne des § 23 Abs 1 WEG sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, wenn der Zweck dieser Bestimmung nicht verfehlt werden soll. Es ist nicht notwendig, dass die schriftliche Erklärung des Wohnungseigentumsorganisators das Wort "Zusage" oder ein gleichbedeutendes Wort enthält; es genügt, wenn die nach § 914 ABGB vorzunehmende Auslegung dieser schriftlichen Erklärung in ihrer Gesamtheit - vom Verständnishorizont des Wohnungseigentumsbewerbers aus betrachtet - dazu führt, dass der Wohnungseigentumsorganisator damit dem Wohnungseigentumsbewerber die Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes an einer bestimmt bezeichneten selbständigen Wohnung zusagen wollte (5 Ob 55/88, RIS-Justiz RS0083173; vgl auch Vonkilch in Hausmann/Vonkilch vor §§ 37 bis 44 WEG, Rz 9 f; Ofner in Schwimann, Praxiskommentar2, § 23 WEG, Rz 3).

Die schriftliche Vereinbarung im vorliegenden Nutzungsvertrag kann nur als eine derartige Zusage im Sinne des § 23 Abs 1 WEG aufgefasst werden, legt sie doch unmissverständlich die Verpflichtung zur Begründung von Wohnungseigentum an dem im Nutzungsvertrag genannten Objekt fest. Durch die vereinbarte Geltung des WGG ergibt sich auch der Rechtsgrund der Übertragung und die Bestimmbarkeit der Leistungen (§§ 15, 13 WGG). Die Antragsgegnerin ist sohin als Wohnungseigentumsbewerberin zu bezeichnen.

Der vorliegende Mietvertrag betrifft daher einen Bestandgegenstand, an dem Wohnungseigentum begründet werden soll, wobei dieses aber noch nicht verbüchert ist. Dadurch sind die zwischen der Antragsgegnerin und den Antragstellern abgeschlossenen Mietverträge als Hauptmietverträge im Sinne des § 2 Abs 1 zweiter Satz MRG zu beurteilen. Der Zwischenfeststellungsantrag, der auf die Feststellung eines Untermietverhältnisses abzielt, war daher abzuweisen.

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