OGH 1Ob89/03z

OGH1Ob89/03z29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jolanda P*****, vertreten durch Dr. Georg Röhsner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Harald F*****, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 32.351,38 EUR sA und Räumung infolge "außerordentlichen" Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Februar 2003, GZ 41 R 300/02z-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. Oktober 2002, GZ 48 C 699/01b-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren "hinsichtlich des Räumungsbegehrens" bis zur rechtskräftigen Erledigung des bei diesem Gericht anhängigen Verfahrens AZ 48 C 348/00h. Beide Verfahren beträfen dasselbe Bestandobjekt. Im anderen Verfahren habe die Klägerin die Zahlung aushaftenden Mietzinses begehrt, die Auflösung des Bestandvertrags erklärt und die Räumung der Bestandräumlichkeiten gefordert. Dieses Verfahren sei bis zur rechtskräftigen Erledigung eines bei der Schlichtungsstelle anhängigen Verfahrens unterbrochen worden. Die in einer Klage erklärte Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB sei schwebend unwirksam, und es werde erst mit der Entscheidung über die daraus resultierende Räumungsverpflichtung geklärt, ob die Auflösungserklärung zu Recht abgegeben worden sei. Werde "nachfolgend vom Vermieter mit neuerlicher Klage die Auflösung des Bestandverhältnisses erklärt", so könne "erst nach Vorliegen der Entscheidung über die erste Auflösungserklärung gesagt werden, ob ein aufzulösendes Bestandverhältnis noch bestanden" habe. Die Entscheidung über die Räumungsverpflichtung im zuerst anhängig gemachten Verfahren sei daher präjudiziell für die Entscheidung im hier vorliegenden Rechtsstreit, weshalb das Verfahren gemäß § 190 ZPO zu unterbrechen sei.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Klägerin habe das hier zu beurteilende Räumungsbegehren auf Nichtzahlung von Betriebskosten für die Zeit von September 2000 bis November 2001 gestützt. Im Verfahren zu AZ 48 C 348/00h des Erstgerichts sei das Räumungsbegehren wegen Nichtzahlung des Mietzinses "für Vorperioden" erhoben worden. Auch nach Zustellung einer Auflösungserklärung gemäß § 1118 ABGB blieben die Vertragspflichten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Auflösungserklärung weiter bestehen, sodass dieses Vertragsverhältnis durch eine neue Auflösungserklärung beendet werden könne. Es sei also zulässig, einen Mieter, "dessen Bestandvertrag schon aufgelöst" worden sei, mit Räumungsklage zu belangen. Das hier zur Entscheidung anstehende Räumungsbegehren könne unabhängig vom Ergebnis des zuvor eingeleiteten Räumungsverfahrens erfolgreich sein, nämlich dann, wenn sich herausstellte, dass die Klägerin die Auflösungserklärung zu Recht abgegeben habe. Das zu AZ 48 C 348/00h anhängige Verfahren sei daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht präjudiziell.

Rechtliche Beurteilung

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs des Beklagten ist unzulässig.

Gemäß § 192 Abs 2 ZPO können die nach den §§ 187 bis 191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Ablehnung einer Unterbrechung ist nur anfechtbar, wenn die Unterbrechung zwingend (sondergesetzlich) vorgeschrieben ist (EvBl 1998/178; EvBl 1996/12; MietSlg 47.628; vgl ÖBl 1987, 39; Fucik in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 192). Die Ablehnung der Verfahrensunterbrechung kann auch dann nicht angefochten werden, wenn das Rekursgericht die in erster Instanz bewilligte Unterbrechung - wie hier - beseitigt (MietSlg 39.746; EvBl 1952/419; SZ 22/64).

Gemäß § 41 MRG ist das Verfahren über einen Rechtsstreit zwingend zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über die ein Verfahren nach § 37 MRG bei Gericht oder der Gemeinde bereits anhängig ist. Diese Unterbrechung kann im Rechtsmittelweg erzwungen werden, weil § 192 Abs 2 ZPO nicht anwendbar ist (MietSlg 51.463; WoBl 1993, 105; RZ 1987/33; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 3 zu § 41 MRG). Im vorliegenden Fall ist aber die Unterbrechung nicht gemäß § 41 MRG angeordnet worden, sondern wurde das Verfahren bis zur Entscheidung über das in einem anderen Rechtsstreit gestellte Räumungsbegehren unterbrochen. Diese Unterbrechung ist nicht zwingend vorgeschrieben, weshalb die vom Rekursgericht verfügte Ablehnung der Unterbrechung gemäß § 192 Abs 2 ZPO absolut unanfechtbar ist.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte