Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht gab der gegen das das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension in gesetzlicher Höhe ab 1. 6. 1995 abweisende Urteil des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Rechtsmittel enthält keine gesonderten Ausführungen im Sinn des § 506 Abs 1 Z 5 ZPO.
Rechtliche Beurteilung
Durch die Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 2002, BGBl I 2002/76, wurde die Sonderregelung des Revisions- und Revisionsrekursverfahrens im ASGG aufgegeben und das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz auch in arbeits- und sozialgerichtlichen Streitigkeiten in die in der ZPO für den allgemeinen Zivilprozess bestehenden Regelungen eingebaut. Dies hatte in erster Linie die Abschaffung der bisher möglichen Vollrevision nach § 46 Abs 3 ASGG zur Folge, die im Gegensatz zur ZPO die Anrufung des Obersten Gerichtshofes auch dann erlaubte, wenn keine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts zu beurteilen war.
Nach der durch die ZVN 2002 geschaffenen Rechtslage ist die Revision in Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen - unabhängig von einer bestimmten Wertgrenze (vgl § 502 Abs 5 Z 4 ZPO idF ZVN 2002) - nur unter den Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zulässig. Diese neue Rechtslage ist anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung zweiter Instanz - wie im vorliegenden Fall - nach dem 31. Dezember 2002 liegt (Art XI Z 6 ZVN 2002). Zutreffend hat daher das Berufungsgericht einen entsprechenden Ausspruch (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO) in seine Entscheidung aufgenommen.
Zulässig ist daher im vorliegenden Fall jedenfalls eine außerordentliche Revision; nicht zulässig ist hingegen infolge des Ausspruches des Berufungsgerichtes eine ordentliche Revision. Die "Revision" des Klägers ist daher als "außerordentliche" Revision zu behandeln.
Gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO sind in einer außerordentlichen Revision gesondert die Gründe anzugeben, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird. Das Gesetz spricht zwar von der gesonderten Anführung der für die Zulässigkeit der Revision sprechenden Gründe. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass es ausreicht, wenn sich diese Gründe insgesamt aus dem Revisionsvorbringen ergeben. Dies ist eine notwendige Folgerung aus der im § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO enthaltenen Regelung, wonach die unrichtige Benennung der Gründe unerheblich ist, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. Das Fehlen der im § 506 Abs 1 Z 5 ZPO vorgesehenen besonderen Bezeichnung der für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführten Gründe gibt daher dann nicht zu einem Verbesserungsauftrag Anlass, wenn in der Revision überhaupt die Gründe der Anfechtung bezeichnet sind. Sind Gründe im Sinne des § 506 Abs 1 Z 5 ZPO nicht gesondert ausgeführt, so ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf der Grundlage der übrigen Rechtsmittelausführungen zu prüfen (SSV-NF 10/22; RZ 1994/45 ua; RIS-Justiz RS0036561; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 506).
Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Eine Rechtsfrage dieser Qualität wird aber vom Revisionswerber nicht aufgezeigt. Der in Bosnien-Herzegowina wohnhafte Revisionswerber, der in den Jahren 1972 bis 1987 als Hilfsarbeiter in Österreich beschäftigt war, macht geltend, dass die Frage der Invalidität entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht nach den Verhältnissen am österreichischen Arbeitsmarkt, sondern nach den Verhältnissen in Bosnien-Herzegowina zu beurteilen sei, da dem Kläger die Verlegung seines Wohnsitzes bzw ein Pendeln nach Österreich nicht zumutbar sei.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass bereits das Oberlandesgericht Wien als seinerzeitiges Höchstgericht in Leistungsstreitsachen in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, dass auch für einen im Ausland wohnhaften Versicherten die Verweisungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen österreichischen Arbeitsmarkt entscheidend sind. Das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass bei der Beurteilung des behaupteten Anspruches auf eine Leistung aus der österreichischen Pensionsversicherung unter Anwendung des österreichischen Gesetzes Verhältnisse eines ausländischen Arbeitsmarktes maßgebend sein sollten, zumal selbst bei einem im Inland wohnhaften Versicherten die besondere Lage seines Wohnsitzes rechtlich unerheblich sei. Die vom Versicherten gewünschte Berücksichtigung schlechterer Arbeitsmarktverhältnisse in seinem Heimatstaat würde auf eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung österreichischer Staatsbürger hinauslaufen, die bei gleichem Leistungskalkül keinen Pensionsanspruch haben (SSV 10/4; 11/80, 21/77; 21/122 ua). Auch hinsichtlich der Beurteilung der Invalidität eines Gastarbeiters, auf den das - seinerzeitige - Abkommen über soziale Sicherheit mit Jugoslawien anzuwenden war, war für die Prüfung der Invalidität die Verweisbarkeit auf dem österreichischen Arbeitsmarkt maßgebend (SSV 11/80; Teschner/Widlar, MGA, ASVG 68. ErgLfg Anm 10 zu § 255).
Auch der Oberste Gerichtshof stellt in ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung der Verweisbarkeit auf den österreichischen Arbeitsmarkt ab. So müssen beispielsweise in einem Verweisungsberuf zumindest 100 Arbeitsstellen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhanden sein, damit davon ausgegangen werden kann, dass in diesem Beruf ein Arbeitsmarkt besteht (SSV-NF 7/37 mwN ua). Bei Inanspruchnahme einer Leistung aus der österreichischen Pensionsversicherung ist die Verweisbarkeit grundsätzlich auch unabhängig vom Wohnsitz des Versicherten nach den Verhältnissen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu beurteilen. Vom Versicherten kann daher auch eine Wohnsitzverlegung oder Wochenpendeln verlangt werden, wenn er dadurch in die Lage versetzt wird, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erreichen. Dass im Umkreis des derzeitigen Wohnortes des Versicherten Arbeitsplätze, die für ihn im Hinblick auf die bestehenden Einschränkungen nicht in Betracht kämen, nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung stehen, wäre nur dann entscheidend, wenn dem Versicherten aus medizinischen Gründen eine Wohnsitzverlegung nicht zumutbar wäre (SSV-NF 1/4; 3/142; 7/37; 10 ObS 47/02p ua). Für derartige Zumutbarkeitsgründe bleibt jedoch bei Versicherten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, kein Raum, weil sie einerseits keinen örtlichen Bezugspunkt im Bundesgebiet mehr haben, andererseits aber für sie bei der Beurteilung der Invalidität in jedem Fall die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt in Österreich allein rechtserheblich sind (vgl auch für den deutschen Rechtsbereich: BSGE 44/6 ua). Auch aus dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit (BGBl III 2001/229) ergibt sich keine andere Beurteilung.
Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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