OGH 2Ob53/02m

OGH2Ob53/02m24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sabine S*****, vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land Tirol, Landhaus, 6020 Innsbruck, vertreten durch den Landeshauptmann, dieser vertreten durch Dr. Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 9.489,04 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. November 2001, GZ 2 R 219/01z-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Juli 2001, GZ 15 Cg 138/00x-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin geriet am 28. 2. 1999 auf der Pertisauer Landesstraße, deren Wegehalterin die beklagte Partei ist, ins Schleudern und prallte frontal gegen eine Lawinengalerie.

Sie begehrt von der beklagten Partei Schadenersatz wegen Verletzung der Streu- und Räumpflicht gemäß § 1319a ABGB.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt und bejahten das Vorliegen grober Fahrlässigkeit.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Über Antrag der beklagten Partei änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei; dies "im Hinblick auf die Ausführungen im Zulassungsantrag, dass es Voraussetzung für eine Haftung sei, dass ein gefährlicher Zustand des Weges durch längere Zeit aufrechterhalten werde und als dessen Folge der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu wahrscheinlich vorherzusehen sei".

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben, aber auch auf die Unzulässigkeit der Revision verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet das Tatbestandsmerkmal "mangelhafter Zustand" im Sinne des § 1319a ABGB, dass nicht nur für den Weg selbst, sondern auch für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet wird (Reischauer in Rummel² § 1319a Rz 6 mwN). Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges ist das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen. Welche Maßnahme ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich nach § 1319a Abs 2 letzter Satz danach, was nach Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geographischen Situierung in der Natur und dem Verkehrsbedürfnis angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges zu erreichen. Welche Maßnahmen aber im konkreten Fall zu ergreifen sind, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden und stellt infolge der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl 1 Ob 42/95).

Dies trifft auch auf die Beurteilung der Frage zu, ob die Unterlassung einer zumutbaren Maßnahme dem Wegehalter bereits als grobes Verschulden vorgeworfen werden kann. Ermessensfragen, wie solchen über die Schwere des Verschuldens, kommt nämlich im Allgemeinen keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles hinausgehende Bedeutung zu. Es trifft zu, dass grobe Fahrlässigkeit nach der Rechtsprechung dann angenommen wurde, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RIS-Justiz RS0030644 mwN).

Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste, haftet der angefochtenen Entscheidung nicht an, wenn man berücksichtigt, dass den Leuten der beklagten Partei die besondere Vereisungsgefahr im Bereich der Lawinengalerie bekannt war und sie dennoch den betrauten Unternehmer anwies, in diesem Bereich nicht zu streuen, anstelle ihn auf die besondere Vereisungsgefahr hinzuweisen.

Die Revision der beklagten Partei war daher zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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