OGH 6Ob16/03a

OGH6Ob16/03a24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9. März 2001 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen österreichischen Staatsbürger Dkfm. Walter R*****, über den Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes MMag. Dr. Harald R*****, gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Korneuburg vom 6. November 2002, 1.) GZ 25 R 181/02y-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 29. Juli 2002, GZ 12 A 131/01s-50, bestätigt wurde, und 2.) GZ 25 R 18/02b, 25 R 19/02z, 25 R 20/02x-57, womit der Endbeschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 2. November 2001, GZ 12 A 131/01s-9, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde und die weiteren Beschlüsse des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 2. November 2001, GZ 12 A 131/01s-10, und vom 22. November 2001, GZ 12 A 131/01s-13, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichtes mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die letztwillige Verfügung vom 30. 9. 1988 als rechtsgültig anzusehen ist, wenn sie entweder dem österreichischen oder dem deutschen Recht entspricht. Sie sind zum Ergebnis gelangt, dass die vorliegende letztwillige Verfügung nach beiden Rechtsordnungen wirksam ist.

1. Zu der (vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten) Frage der Rekurslegitimation eines Erbansprechers vor Abgabe der Erbserklärung:

Nach herrschender Auffassung kommt einem (etwa durch Testament) berufenen Erben auch schon vor Abgabe der Erbserklärung Parteistellung und Rekurslegitimation zu, wenn er bereits aktiv, eindeutig und rechtzeitig sein Interesse am Erbantritt bekundet hat und das Fehlen einer förmlichen Erbserklärung auf einem Verfahrensfehler beruht (EF 85.601; 6 Ob 10/02t; RIS-Justiz RS0006531 und RS0006544). Die Lebensgefährtin des Erblassers und ihr Sohn haben die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens unter Hinweis auf ein dem Gericht zugleich vorgelegtes Testament begehrt und ausgeführt, aufgrund dieses Testaments je zur Hälfte Erbe zu sein. Sie haben damit aktiv und eindeutig ihr Interesse am Erbantritt bekundet. Dessen ungeachtet haben Gerichtskommissär und ihm folgend das Erstgericht die Verlassenschaftsabhandlung nur mit dem gesetzlichen Erben durchgeführt. Das Erstgericht hat den Endbeschluss gefasst und die Verlassenschaft einschließlich des nachträglich hervorgekommenen Vermögens dem erblasserischen Sohn eingeantwortet (Beschlüsse ON 9, 10 und 13). Die Rekurslegitimation der Lebensgefährtin des Erblassers und ihres Sohnes gegen diese das Verfahren ohne ihre Beiziehung beendenden Beschlüsse des Erstgerichts ist somit nach der dargelegten ständigen Rechtsprechung nicht zu bezweifeln.

2. Zur Annahme der Erbserklärungen:

Gemäß § 122 AußStrG ist grundsätzlich jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen, es sei denn, es steht von vornherein mit Bestimmtheit fest, dass der behauptete Erbrechtstitel nie zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann, so etwa, wenn sich von Anfang an mit Bestimmtheit sagen lässt, dass die als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Erklärung des Erblassers keine Erbeinsetzung enthält oder die gesetzlich vorgeschriebene äußere Form nicht erfüllt (EvBl 1992/36 [166] mwN). Nach ständiger Rechtsprechung hat schon das Verlassenschaftsgericht zu prüfen, ob die letztwillige Verfügung, auf die sich ein Erbansprecher beruft, den inneren und äußeren Formvorschriften entsprechend eine Erbeinsetzung enthält und in einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform errichtet wurde. Allerdings liegen die Grenzen der Beurteilung durch das Abhandlungsgericht dort, wo es der Klärung strittiger Tatumstände oder der Auslegung des Willens des Erblassers bedarf, um die Wirksamkeit des Testaments abschließend beurteilen zu können (EvBl 1992/36 [166] mwN). Selbst wenn es in solchen Fällen wenig wahrscheinlich sein sollte, dass das behauptete Erbrecht materiell wirklich besteht, muss die Erbserklärung dennoch angenommen werden (RPflSlg A 1990/7996; 7 Ob 60/99w). Die endgültige Beurteilung der Wirksamkeit des geltend gemachten Erbrechtstitels ist in solchen Fällen dem Erbrechtsstreit nach Verteilung der Parteirollen vorbehalten (§ 125 AußStrG).

Unter dem Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit der Erbeinsetzung wird der in § 564 ABGB verankerte Grundsatz verstanden, dass der Erblasser den Erben selbst einsetzen muss. Er kann seine Einsetzung nicht Dritten überlassen (siehe dazu Kletecka, Die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen, JBl 1999, 277; Kralik, Erbrecht 91). Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob das Verlassenschaftsgericht vor Annahme der Erbserklärung prüfen müsse, ob das als Berufungsgrund herangezogene Testament eine vom Erblasser persönlich vorgenommene Erbeinsetzung enthält, ist - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - in der Rechtsprechung bereits geklärt. Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, dass der Erbe nicht namentlich bezeichnet werden muss, er muss auch nicht für jedermann sofort individualisierbar sein. Es reicht aus, dass er sich durch Auslegung der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung aller Umstände ermitteln lässt (Welser in Rummel ABGB³ §§ 564, 565 Rz 5 und 7; Eccher in Schwimann ABGB² § 564 Rz 4; RIS-Justiz RS0012380). Ob der Erblasser die Erbeinsetzung ausreichend bestimmt vorgenommen hat, ist eine mit Hilfe der Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände des konkret zu beurteilenden Einzelfalles zu lösende Frage (RIS-Justiz RS0012380). Ihr kommt keine über den zu beurteilenden Fall hinausgehende Bedeutung zu.

Unter Berücksichtigung der konkreten Begleitumstände haben die Vorinstanzen die Verfügung des Erblassers - von ihrem Wortlaut ausgehend - dahin verstanden, dass er seine Lebensgefährtin und deren Sohn als Erben einsetzen wollte. Ihre Auffassung steht mit den Auslegungsgrundsätzen für letztwillige Verfügungen nicht in Widerspruch (Welser in Rummel ABGB³ §§ 552 f Rz 7 f). Ob die Erklärung des Erblassers auch anders hätte verstanden werden können, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

3. Zur Frage der äußeren Form der letztwilligen Verfügung:

Auch die Frage, ob die Erklärung des Erblassers als Einzeltestament oder als gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten zu verstehen ist, bestimmt sich nach Grundsätzen der Auslegung. Das Rekursgericht hat die vom Erblasser, seiner Lebensgefährtin und deren Sohn jeweils getrennt und eigenhändig verfassten Verfügungen, in denen sie jeweils die beiden anderen genannten Personen zu Erben einsetzten, als eigenständige Einzeltestamente beurteilt. Seine Auffassung ist nicht zu beanstanden, zumal das Wesen des wechselseitigen Testaments gerade dadurch bestimmt wird, dass es zu seiner Abfassung nur einer einzigen letztwilligen Verfügung bedarf, während die Erklärung des letzten Willens zweier oder mehrerer Personen nach § 583 ABGB stets mehrere getrennte Rechtsakte voraussetzt (Brauneder in Schwimann ABGB² § 1248 Rz 2). Ob angesichts der übereinstimmend getroffenen Formulierungen in jedem dieser Erklärungen auch eine andere Auslegung denkbar wäre, hat keine über den zu beurteilenden Fall hinausgehende Bedeutung.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG).

Zufolge Fehlens erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG wird der Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes zurückgewiesen.

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