OGH 1Ob50/03i

OGH1Ob50/03i25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Rebecca S*****, geboren am *****, und des mj. Manfred S*****, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Manfred S*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 13. November 2002, GZ 25 R 107/02s-99, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 23. April 2002, GZ 2 P 1370/95z-92, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden - abgesehen von dem unberührt bleibenden aufhebenden Teil des zweitinstanzlichen Beschlusses, den bereits rechtskräftigen Zusprüchen von 276,16 EUR vom 1. 10. 2000 bis 30. 9. 2001 an Rebecca, von 276,16 EUR vom 1. 10. 2000 bis 31. 8. 2001 sowie 100 EUR ab 1. 9. 2001 an Manfred, der bereits rechtskräftigen Herabsetzung des Unterhalts für Rebecca vom 1. 7. 2001 bis 31. 8. 2001 auf zumindest 325 EUR monatlich (Punkt II. A. des zweitinstanzlichen Beschlusses), dem rechtskräftig festgelegten Modus für die Entrichtung des rückständigen und des laufenden Unterhalts (Punkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses) und dem rechtskräftig abgewiesenen Teil des Unterhaltserhöhungsbegehrens (Punkt 5. des erstgerichtlichen Beschlusses) - aufgehoben.

Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Vater war infolge des Beschlusses des Erstgerichts vom 15. 11. 1996 verpflichtet, für die im Haushalt der Mutter betreuten Kinder Rebecca und Manfred ab 1. 9. 1996 je 276,16 EUR monatlich an Unterhalt zu zahlen. Im Zeitraum von September 1999 bis August 2000 betrug sein durchschnittliches Nettoeinkommen - unter Abzug von Aufwendungen für die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz - 1.803,89 EUR monatlich. Von September 2000 bis August 2001 betrug es 1.692,02 EUR monatlich. Der Vater könnte einen von Arbeitnehmern organisierten und finanzierten Busshuttle-Dienst für die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz in Anspruch nehmen. Dieser kostet ab und bis Gols, seinem Wohnort, 115,55 EUR monatlich. Der Bus fährt auch "bis Parndorf". Rebecca verdiente 2001 aufgrund eines Ferialjobs während vier Wochen 480,70 EUR bei Fahrtkosten von 101,74 EUR. Manfred erzielte 2001 ein Ferialeinkommen als Erntehelfer. Es betrug für drei Wochen 767.30 EUR brutto. Der Vater ist seit Dezember 2000 zuckerkrank.

Am 22. 12. 2000 beantragten die Kinder, die Unterhaltspflicht des Vaters ab 1. 10. 2000 auf je 305,23 EUR zu erhöhen (ON 56).

Der Vater lehnte eine Unterhaltserhöhung ab und beantragte seinerseits die Herabsetzung der Unterhaltspflicht auf 181,68 EUR ab 1. 2. 2001 und auf 72,67 EUR ab 1. 10. 2001 für Manfred sowie auf 181,68 EUR vom 1. 2. 2001 bis 30. 9. 2001 für Rebecca. Im Übrigen begehrte er die Entbindung von der Unterhaltspflicht für Rebecca wegen deren behaupteten Selbsterhaltungsfähigkeit ab 1. 10. 2001 (ON 58, 77). Er brachte ua vor, der Kinderabsetzbetrag und die Familienbeihilfe, die der Mutter zuflössen, seien von seiner Geldunterhaltsschuld teilweise abzuziehen. Auch das Ferialeinkommen der Kinder reduziere seine Unterhaltspflicht. Als Schichtarbeiter müsse er seinen PKW für die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz verwenden. Er fahre monatlich 3.440 km. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage sei daher um das amtliche Kilometergeld für diese Fahrleistung zu kürzen. Es sei ihm nicht zumutbar, den von Arbeitnehmern organisierten Busshuttle-Dienst in Anspruch zu nehmen. Er vertrage sich als "Einzelgänger" nicht mit den anderen Mitfahrern. Außerdem wohne er "des öfteren bei seiner Freundin in Parndorf" , wohin der Bus nicht fahre.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, ihn ab 1. 10. 2001 von der Unterhaltspflicht gegenüber Rebecca zu entbinden, ab. Im Übrigen gab es dem Erhöhungs- und dem Herabsetzungsbegehren teilweise statt und wies die Mehrbegehren ab. Die Familienbeihilfe habe bei der Unterhaltsbemessung - entgegen der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs - außer Betracht zu bleiben. Ein geringfügiges Ferialeinkommen des Unterhaltsberechtigten mindere dessen Unterhaltsanspruch nicht. Für Kosten der Fahrten zum und vom Arbeitsplatz könne der Vater kein Kilometergeld beanspruchen, sei ihm doch die Benützung des Busshuttle-Dienstes zumutbar. Vermehrte Aufwendungen wegen seiner Zuckerkrankheit habe er nicht nachgewiesen.

Das Rekursgericht setzte nur den Unterhalt für Rebecca für den Zeitraum vom 1. 7. bis 31. 8. 2001 auf 325 EUR monatlich herab und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Im Übrigen hob es den erstgerichtlichen Beschluss - Rebeccas Unterhaltsanspruch ab 1. 10. 2001 betreffend - auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es billigte die Ansicht des Erstgerichts, dass der Kinderabsetzbetrag und die Familienbeihilfe den Geldunterhaltsanspruch der Kinder - entgegen der Meinung des Verfassungsgerichtshofs - nicht minderten. Ein Ferialeinkommen beeinflusse deren Unterhaltsanspruch ebenso nicht. Der Vater müsse "nicht zwangsläufig seinen PKW verwenden, um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen", könne er sich doch des Busshuttle-Dienstes bedienen. Die Zuckerkrankheit des Vaters verursache indes jedenfalls vermehrte Aufwendungen. Diese seien nach § 273 ZPO mit monatlich 72,67 EUR zu schätzen. Deshalb vermindere sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage für den maßgebenden Zeitraum auf rund 1.619,15 EUR monatlich, was zu einem weiteren teilweisen Erfolg des Herabsetzungsbegehrens führe. Soweit der Vater die Entbindung von seiner Unterhaltspflicht gegenüber Rebecca ab 1. 10. 2001 begehre, mangle es für eine abschließende rechtliche Beurteilung an den erforderlichen Feststellungen. In diesem Umfang sei der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der Kürzung des Geldunterhalts durch eine teilweise Anrechnung des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe aus Gründen der Steuerentlastung noch nicht Stellung genommen habe.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Rahmen seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Antrag des Vaters vom 1. 10. 2001, den Geldunterhalt Manfreds auf 72,67 EUR monatlich herabzusetzen auf den Zeitraum ab 1. 10. 2001 bezieht (ON 77). Er kann daher im fortzusetzenden Verfahren für September 2001 nicht eine - über das Begehren im Verfahren erster Instanz hinausgehende - Unterhaltsherabsetzung auf 100 EUR erreichen, wurde doch im vorangegangenen Antrag vom 29. 1. 2001 nur die Herabsetzung auf 181,68 EUR ab 1. 2. 2001 begehrt (ON 58).

Der erkennende Senat sprach in der Entscheidung 1 Ob 177/02i aus, dass ein kurzfristiges Ferialeinkommen des Unterhaltsberechtigten bei der Unterhaltsbemessung nicht als Eigeneinkommen in Anschlag zu bringen sei und deshalb die vom Unterhaltspflichtigen zu erbringende Unterhaltsleistung in aller Regel nicht verringere. Bei der Festsetzung von Geldunterhalt sei stets auch darauf Bedacht zu nehmen, wie ein "bonus pater familias" handelte. Nach den Verhältnissen in einer intakten Familie dürfe der Unterhaltsberechtigte geringes Ferialeinkommen als Taschengeld verwenden, ohne dass deshalb der gereichte Unterhalt eine Änderung erführe. Das müsse auch ein zu Geldunterhaltszahlungen verpflichteter Vater gegen sich gelten lassen, weshalb das vom Unterhaltsberechtigten bezogene geringe Ferialeinkommen nicht auf die Unterhaltszahlungen anzurechnen sei. Daran ist festzuhalten. Damit ist der Standpunkt des Vaters widerlegt, seine Unterhaltspflicht werde auch durch das von seinen Kindern erzielte Ferialeinkommen gemindert. Der Vater verficht ferner die Ansicht, die Benützung des Busshuttel-Dienstes für die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz sei ihm schon deshalb nicht zumutbar, weil er häufig bei seiner Freundin in Parndorf wohne und ein solcher Dienst, "der auch Parndorf" einschließe, "nicht eingerichtet" sei. Insofern ist er nur auf die vom Erstgericht getroffene gegenteilige Feststellung zu verweisen. Dem Vater ist allerdings darin zu folgen, dass der von ihm zu zahlende Geldunterhalt unter Heranziehung der staatlichen Transferleistungen Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe - entgegen der Meinung der Vorinstanzen - steuerlich zu entlasten ist. In der zuvor zitierten Entscheidung 1 Ob 177/02i werden die Voraussetzungen und das Ausmaß der Steuerentlastung - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe RIS-Justiz RS0117015; RS0117016; RS0117084) - im Einzelnen erläutert. Im hier vorliegenden Anlassfall mangelt es an Feststellungen über das steuerpflichtige Einkommen des Vaters in den maßgebenden Unterhaltsperioden. Die erforderliche Entlastungsberechnung kann daher auf der Grundlage des bisher bekannten Sachverhalts noch nicht durchgeführt werden. Der im Revisionsrekurs unternommene Berechnungsversuch ist verfehlt, weil dabei das als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienende Nettoeinkommen des Vaters zugrunde gelegt wurde und der Vater überdies selbst davon ausgeht, den Geldunterhalt seiner Kinder mit Einkommensteilen finanzieren zu müssen, die unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen. In diesem Fall wäre aber eine Mischberechnung erforderlich (siehe dazu etwa 1 Ob 182/02z). Somit erweist sich die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen im spruchgemäßen Umfang als unvermeidlich. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht Feststellungen zum steuerpflichtigen Einkommen des Vaters zu treffen haben, um darauf aufbauend eine korrekte Steuerentlastungrechnung erst zu ermöglichen.

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