OGH 3Ob213/02y

OGH3Ob213/02y26.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Olga F*****, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. April 2002, GZ 4 R 28/02z-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 9. November 2001, GZ 20 C 39/00v-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 22. Februar 1991 wurde der Kläger bei aufrechter Ehe ab April 1990 zur Leistung näher genannter Unterhaltsbeträge an die Beklagte, seine damalige Ehegattin, verpflichtet. Die Ehe wurde 1996 geschieden.

Aufgrund dieses Exekutionstitels bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 19. November 1999 der Beklagten zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 196.000 S und des laufenden Unterhalts (monatlich 7.000 S) die Gehaltsexekution nach § 294a EO. Die Exekutionsbewilligung, die dem Kläger unter einer österr. Adresse zugestellt werden sollte, wurde am 26. November 1999 von dessen Bruder unter Hinweis darauf, dass sich der Kläger zur Zeit nicht in Österreich aufhalte, an das Exekutionsgericht zurückgesandt. Zu einem weiteren Zustellversuch kam es nicht.

In seiner auf § 35 EO gestützten Klage brachte der Kläger neben der Behauptung, ihm sei die Exekutionsbewilligung nie zugestellt worden, im Wesentlichen vor, seine Einkommenssituation habe sich schon in den letzten Jahren vor seiner Pensionierung zufolge gesundheitlicher Probleme deutlich zu seinen Ungunsten verändert. Spätestens seit seinem Pensionsantritt erziele er ein bei weitem niedrigeres Einkommen, als dem Exekutionstitel zugrunde gelegt worden sei. Zudem müsse auch die Scheidung zum Erlöschen des Unterhaltstitels führen.

Die Beklagte wendete ein, die behauptete Verschlechterung der Einkommenssituation des Klägers sei darauf zurückzuführen, dass er sein gut dotiertes Beschäftigungsverhältnis grundlos gekündigt und dadurch seinen Abfertigungsanspruch verloren habe. Dies dürfe sich iSd Anspannungstheorie nicht zu ihren Lasten auswirken. Dass der Kläger seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, sei unglaubwürdig. Es wäre ihm zumutbar gewesen, bis zum Pensionsantritt (31. März 2000) weiter zu arbeiten. Überdies beziehe er Pensionseinkünfte aus Kanada.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil ab. Es traf lediglich die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Nach Rechtsprechung und damit einhergehender herrschender Lehre sei eine Oppositionsklage erst dann "möglich", wenn - anders als hier - eine rechtskräftige Exekutionsbewilligung vorliege.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Nach der mit der herrschenden Lehre in Einklang stehenden Rechtsprechung könne über eine Oppositionsklage erst dann entschieden werden, wenn die Exekutionsbewilligung der Anlassexekution rechtskräftig geworden sei. Bei vernünftiger Auslegung des § 35 Abs 1 EO müsse spätestens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Anlassexekution rechtskräftig bewilligt sein, widrigens die Klage abzuweisen sei. Diesen Ausführungen vermöge der Rechtsmittelwerber in seiner Berufung nichts Stichhältiges entgegenzusetzen; allein die Tatsache, dass es aufgrund der wider ihn bewilligten Gehaltsexekution bereits zu Überweisungen durch die Drittschuldnerin gekommen sei, könne nicht dazu führen, die Anlassexekution deshalb als "im Zuge befindlich" anzusehen. Mangels wirksamer Zustellung sei der Exekutionsbewilligungsbeschluss vom 19. November 1999 nicht einmal wirksam geworden. Eine Heilung nach § 7 ZustG sei nicht erfolgt, weil dem Empfänger das zuzustellende Schriftstück nicht tatsächlich zugekommen sei, wofür die bloße Kenntnis von dessen Inhalt nicht ausreiche.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers (irrig als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO, verbunden mit Revision bezeichnet) ist iSd ihres hilfsweise erhobenen Aufhebungsantrags zulässig und berechtigt.

Da sich die Klage gegen den gesamten betriebenen Anspruch (448.000 S = 32.557,53 EUR) richtet, und dieser Betrag für den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts maßgebend ist (RIS-Justiz RS0001618), liegt kein Fall des § 502 Abs 3 oder 4 ZPO vor, weshalb gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts allein eine außerordentliche Revision zulässig ist. Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels schadet jedoch nicht (§ 84 Abs 2 ZPO).

Die Rechtsansicht der zweiten Instanz wird durch die im Berufungsurteil zitierten Entscheidungen des LGZ Wien (EFSlg 30.130, 34.566 und REDOK 10.317), soweit dies aus den veröffentlichten Teilen erkennbar ist, nicht gestützt. In den beiden erstgenannten ist lediglich unter Berufung auf Heller/Berger/Stix (EO4 402) die Rede davon, dass über die Oppositionsklage erst dann entschieden werden könne, wenn die Exekutionsbewilligung der Anlassexekution rechtskräftig geworden ist. Der drittgenannten Entscheidung kann - soweit ihr Inhalt in der REDOK dokumentiert ist - keine für die vorliegend Rechtsfrage relevante Aussage entnommen werden. Dasselbe gilt auch für die von Rechberger/Simotta (Exekutionsverfahren² Rz 351) angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs.

Ausgangspunkt der anzustellenden Erwägungen muss jener Passus in § 35 Abs 1 EO sein, wonach Einwendungen gegen den Anspruch "im Zuge des Exekutionsverfahrens" erhoben werden können. Darunter wird nach nunmehr ganz überwiegender Auffassung die Zeit zwischen der Exekutionsbewilligung und der Beendigung oder Einstellung einer Exekution verstanden (Rechberger/Simotta aaO Rz 351; Buchegger/Holzhammer in Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 150; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 66; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 29). Welche Folgen es hat, wenn eine Oppositionsklage dessen ungeachtet vor Exekutionsbewilligung eingebracht wird, ist hier nicht zu untersuchen, weil ein solcher Fall hier nicht zur Beurteilung ansteht.

Von der überwiegenden Lehre wird nunmehr die Auffassung vertreten, die Oppositionsklage - gemeint: nicht bereits bei deren Einbringung, wohl aber bei Schluss der mündlicher Verhandlung erster Instanz - setze als materiell-rechtliche Voraussetzung auch die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung voraus (Jakusch, Dullinger, Rechberger/Simotta, je aaO; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht³ Rz 203; ebenso wohl auch Heller/Berger/Stix aaO 401 f). Die von Jakusch und Rechberger/Simotta zur Unterstützung ihrer Ansicht angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs decken diese Auffassung allerdings nicht, weil darin niemals ausdrücklich die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung als Zulässigkeitsvoraussetzung angegeben wurde, mag auch in den konkreten Fällen Rechtskraft bereits vorgelegen sein. Auch Walker (Exekutionsrecht4 120) spricht nur von der Bewilligung der Exekution, nicht aber von der Rechtskraft dieser Entscheidung. Lediglich vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien liegen die schon erwähnten veröffentlichten Entscheidungen vor, wonach iSd dargestellten Lehrmeinung von Heller/Berger/Stix erst nach Rechtskraft der Anlassexekution über die Oppositionsklage entschieden werden könne (EFSlg 30.130, 34.566).

Für diese Auffassung mögen im Regelfall verfahrensökonomische Gründe sprechen (siehe dazu auch Rechberger/Simotta aaO). Kommt es - allenfalls nach Abwarten einer angemessenen Frist - zu einer rechtskräftigen Exekutionsbewilligung, steht einer Entscheidung in der Sache nichts im Weg, wird letztlich der Exekutionsantrag abgewiesen, kann sich der Kläger ohne gravierende Nachteile durch Einschränkung auf Kosten auf die geänderte Situation einstellen. Nicht berücksichtigt wird in der Literatur jedoch, dass es unter Umständen zu einem auch jahrelang dauernden Schwebezustand kommen kann. Im vorliegenden Fall wurde die Forderungsexekution am 19. November 1999 bewilligt, bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung am 3. Oktober 2001 nach etwa einjähriger Verfahrensdauer war die Exekutionsbewilligung dem Verpflichteten noch nicht einmal zugestellt worden. Abgesehen von solchen Ausnahmefällen kann es aber auch durch andere widrige Umstände zu einer Verzögerung des Verfahrens (sei es in erster, sei es in höherer Instanz) kommen. Wenn nun ein Exekutionsverfahren - wie hier nach den Behauptungen des Klägers - jahrelang läuft, weil etwa bei einer Forderungsexekution der Drittschuldner monatlich die pfändbaren Beträge einbehält, kann wohl nicht mit Recht daran gezweifelt werden, das Exekutionsverfahren sei "im Zuge". Gerade bei einer Verzögerungen im Exekutionsbewilligungsverfahren kann verfahrensökonomischen Erwägungen demnach kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden.

Aus dem Gesetz lässt sich aber auch unabhängig von allen Erwägungen der Prozessökonomie die Notwendigkeit einer rechtskräftigen Exekutionsbewilligung als Voraussetzung einer meritorischen Entscheidung über das Oppositionsklagebegehren nicht entnehmen. Sieht man von den materiell-rechtlichen Wirkungen ab, führt eine erfolgreiche Oppositionsklage nach § 35 Abs 4 EO zur Einstellung der Exekution. Eine solche setzt aber nach zahlreichen zu § 39 EO ergangenen Entscheidungen die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung keinesfalls voraus (3 Ob 220/74 u.v.a.; RIS-Justiz RS0001074). Nichts anderes kann aber folglich für die Oppositionsklage gelten.

Im Übrigen lässt sich auch aus den Lehrmeinungen von Heller/Berger/Stix, Buchegger/Holzhammer und Dullinger (je aaO) sowie Jakusch (aaO Rz 67) nicht ableiten, sie verträten die Auffassung, in dem Fall, dass der Schwebezustand betreffend die Exekutionsbewilligung bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch immer fortdauert, wäre die Klage abzuweisen. Vielmehr treten Buchegger/Holzhammer und Jakusch ausdrücklich dafür ein, die Verhandlung nicht vor Rechtskraft der Exekutionsbewilligung zu schließen, was bedeutet, dass eben bis dahin zu verhandeln und die Beweisaufnahme durchzuführen ist. Lediglich dann, wenn bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz der Exekutionsantrag bereits rechtskräftig abgewiesen ist, muss es bei fehlender Einschränkung auf Kosten zur Klageabweisung kommen (so bereits auch RZ 1974/19). Im Fall der von Dullinger zitierten Entscheidung EvBl 1974/152, die sich auf Heller/Berger/Stix (aaO) bezieht, war der Exekutionsbewilligungsbeschluss unangefochten geblieben, dieser war allerdings nicht vollziehbar, weshalb von einer nicht wirksamen Exekutionsbewilligung ausgegangen wurde und der Oberste Gerichtshof die Abweisung des Klagebegehrens für berechtigt hielt. Nach dessen Auffassung stand der Fall dem gänzlichen Fehlen einer Exekutionsbewilligung gleich. Auch aus dieser Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, in einem Fall wie dem vorliegenden wäre die Klage ohne materielle Prüfung jedenfalls abzuweisen, weil bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz die Rechtskraft der erteilten Exekutionsbewilligung noch nicht eingetreten war.

Selbst wenn eine auch nur teilweise Klagestattgebung nicht erfolgen könnte, solange nicht die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung eingetreten ist, bedeutet dies nicht, dass dem Kläger die sachliche Behandlung seiner Klage mit der Begründung verwehrt werden dürfte, es sei bisher die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung nicht eingetreten. Nur dann, wenn nach Aufnahme aller erforderlichen Beweise die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung noch immer nicht eingetreten wäre, könnte nach der richtig verstandenen Rsp und Lehre eine Abweisung des Klagebegehrens überhaupt in Erwägung gezogen werden. Allerdings kann dies aus § 35 EO, der auf die Rechtskraft in keiner Weise abstellt, nicht abgeleitet werden. Vielmehr folgt aus den dargelegten Erwägungen: Die Geltendmachung eines Oppositionsgrunds setzt die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung nicht voraus. Die fehlende Rechtskraft der Exekutionsbewilligung allein rechtfertigt die Abweisung des Oppositionsbegehrens nicht.

Da demnach die Vorinstanzen zu Unrecht die Klage nicht in der Sache - ausgenommen die noch fehlende Rechtskaft der Exekutionsbewilligung - behandelten und es daher an Feststellungen zu den Klagegründen fehlt, müssen die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden. Das Erstgericht wird demnach sein Verfahren entsprechend zu ergänzen und neuerlich über die Klage zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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