OGH 7Ob310/02t

OGH7Ob310/02t29.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein "R*****, vertreten durch Dr. Christian Ransmayr ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O*****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler ua, Rechtsanwälte in St. Florian, wegen EUR 232.235,46 und Feststellung (EUR 14.534,57) sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. Oktober 2002, GZ 1 R 163/02z-12, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Erstgerichtes auf Zurückweisung der Klage wegen rechtswirksamer Schiedsvereinbarung Folge. Es verwarf die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Linz, trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die vorliegende Schiedsgerichtsklausel sehe nur die Entscheidung über etwaige Ansprüche aus diesem Vertrag durch fachkundige Schiedsrichter vor. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes sei daher nur für unmittelbar aus dem Rückversicherungsvertrag entspringende Streitigkeiten begründet, während die Klägerin ihren Anspruch aus einem behaupteten Vergleich (bzw Anerkenntnis) ableite, der (das) zur Abwicklung konkreter Schadensfälle geschlossen worden sei, also aus anderen Rechtsgründen. Diese Auslegung stehe auch mit der vom Erstgericht herangezogenen Judikatur in Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Einrede einer Schiedsvereinbarung macht die beklagte Partei die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend (stRspr; 1 Ob 126/00m mwN; RIS-Justiz RS0039817). Zunächst ist daher festzuhalten, dass der Revisionsrekurs nicht gemäß § 45 JN unzulässig ist, weil auf Zuständigkeitsentscheidungen, die das Verhältnis zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten betreffen, die Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (Rechtsmittelausschluss bei die sachliche Zuständigkeit bejahenden Entscheidungen) nicht anwendbar sind (Ballon in Fasching I2 Rz 6 zu § 45 JN mwN; SZ 70/206 mwN; RIS-Justiz RS0046345). Der Oberste Gerichtshof vertritt nämlich seit der Entscheidung EvBl 1957/338, mit der von der früheren Rechtsprechung abgegangen wurde, nunmehr in stRsp (SZ 58/60 uva), die auch von der Lehre gebilligte (Ballon in FS Fasching 58, Mayr in Rechberger2 Rz 4 zu § 45 JN ua) Ansicht, dass die Berufung auf einen Schiedsvertrag zwar nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern nur die einer heilbaren sachlichen Unzuständigkeit begründet (SZ 69/73 mwN), dass aber die Anfechtungsbeschränkung des § 45 JN nicht gilt, wenn die Zuständigkeit eines von den Streitteilen vereinbarten Schiedsgerichtes behauptet wurde (2 Ob 297/99m mwN). Die Revisionsrekurswerberin macht zur Zulässigkeit ihres außerordentlichen Rechtsmittels geltend, dass zur Frage, ob (auch) ein vom ursprünglichen Anspruch abgeleiteter, strittiger Vergleich bzw ein derartiges Anerkenntnis eine "prinzipiell" gültige Schiedsklausel außer Kraft setzen könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere. Die Rekursentscheidung würde zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, wenn sich bei der materiellen Beurteilung des Anspruches ergeben sollte, dass der behauptete Vergleich bzw das Anerkenntnis nicht vorliege; diesfalls müsste nämlich die aus dem ursprünglichen Vertrag abgeleitete Schiedsklausel "wieder in Kraft treten", was die Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Folge hätte. Außerdem komme der hier gewählten Formulierung der Klausel eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung von Schiedsklauseln (dass diese ausdehnend zu interpretieren seien), die auch auf internationaler Ebene von Bedeutung sei, abweiche.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Erhebt der Beklagte die Unzuständigkeitseinrede, ist nicht mehr nur von den zuständigkeitsbegründenden Tatsachenbehauptungen des Klägers auszugehen (§ 41 Abs 2 JN). Bei der Entscheidung sind auch die vom Beklagten in der Einrede vorgebrachten Umstände zu prüfen (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 4 zu § 41 JN). Eine solche Prüfung hat allerdings zu unterbleiben, wenn - wie hier - die die Zuständigkeit begründenden Tatsachen zugleich auch Anspruchsvoraussetzung sind ("doppelrelevante Tatsachen"). Dann hat die Entscheidung über die Zuständigkeit nur auf Grund der Angaben des Klägers (also über den Vergleich bzw das Anerkenntnis) zu erfolgen. Wenn sich die Angaben als unrichtig erweisen, wird das Klagevorbringen nicht zurück-, sondern abzuweisen sein (SZ 48/136; Mayr aaO; Fasching, Zivilprozessgesetze2 Rz 11 zu § 41 JN mwN; RIS-Justiz RS0050455; RS0050772; RS0056159; RS00112838; RS00113486 [T2]; zuletzt: 6 Ob 264/02w).

Dass auch ein vom Beklagten bestrittener Vergleich bzw ein solches Anerkenntnis der Zuständigkeitsentscheidung zugrunde zu legen ist, entspricht somit der dargestellten Rechtsprechung und Lehre. Schiedsvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach dem Parteiwillen auszulegen; entscheidend für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist der Text der Schiedsvereinbarung unter Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung begünstigender Auslegung (4 Ob 37/01x = ecolex 2001/350 mwN). Der Wortlaut der Vereinbarung bildet die Grenze der Auslegung, die nach dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln ist (RIS-Justiz RS0018023; SZ 71/82). Eine ausdehnende Auslegung auf ergänzende Abkommen zum ursprünglichen Vertrag ist - entgegen der Meinung der Beklagten - unzulässig (RIS-Justiz RS0044997; zuletzt: 6 Ob 155/02s). Was aber den nachträglichen Abschluss eines - keine Zuständigkeitsvereinbarung enthaltenden, novierend bzw konstitutiv wirkenden - Vergleiches betrifft, hat der erkennende Senat in einem vergleichbaren Fall bereits ausgesprochen, dass der Ansicht des Rekursgerichtes, "der

gegenständliche Streit um Ansprüche aus dem Vergleich vom ... berühre

den Kaufvertrag vom ... nicht mehr, weshalb sich die Beklagte zu

Unrecht auf die in diesem enthaltene Schiedsgerichtsklausel berufen will," beizutreten sei (7 Ob 165/00s, JBl 2001, 179 = ecolex 2001/70).

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen, von denen nicht anzunehmen ist, dass sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen, begründet aber mangels einer über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung die Zulässigkeit des Rechtsmittels an die dritte Instanz im Allgemeinen nicht (RIS-Justiz RS0044358 [T12] 1 Ob 58/97d = MietSlg 49.678; 1 Ob 31/00s uva). Einer Vertragsauslegung kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO inne wohnen, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (1 Ob 2380/96y; 1 Ob 31/00s uva), etwa weil die Auslegungsgrundsätze krass verkannt wurden oder ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Dies gilt auch für die Auslegung von Schiedsverträgen (1 Ob 31/00s; 1 Ob 126/00m uva RIS-Justiz RS0044358 [T19]).

Von einer derartigen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz kann hier aber keine Rede sein; eine solche wird in der Zulassungsbeschwerde des vorliegenden Rechtsmittels zu Recht nicht einmal behauptet, weil das Rekursgericht nach den dargelegten Grundsätzen entschieden hat.

Mit dem in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs vorgetragenen (abweichenden) Standpunkt macht die Beklagte daher - wie bereits ausgeführt - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO geltend. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

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