OGH 2Ob297/99m

OGH2Ob297/99m9.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wider die beklagte Partei H***** KG, *****, vertreten durch Greiter, Pegger, Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 215.669,30 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 28. Juni 1999, GZ 2 R 151/99v-12, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Mai 1999, GZ 5 Cg 218/98g-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes (einschließlich seiner Kostenentscheidung) wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.551,60 (darin enthalten S 3.258,60 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilte der Klägerin mit Schlussbrief vom 4. 9. 1995 den Auftrag zur Ausführung einer Musikanlage für das Projekt "H*****". Die Klägerin führte diesen Auftrag unter Beiziehung einer Subunternehmerin durch. In Punkt 2.3.3 des Schlussbriefs wurde folgende Vereinbarung getroffen:

"Gerichtsstand für allfällige Streitigkeiten ist das Schiedsgericht der Kammer der gewerblichen Wirtschaft."

Mit der beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten S 215.669,30 sA als Ersatz der ihr bzw ihrer Subunternehmerin entstandenen "Mehraufwendungen" zur Behebung von Mängeln im Bereich jenes Anlagenteiles, den die Subunternehmerin errichtet hatte. Wie sich mittlerweile herausgestellt habe, seien die "zwischenzeitig behobenen" Mängel auf eine nicht fachgerechte Verlegung der Kabel zurückzuführen, was "bauseits" von der Beklagten zu verantworten sei.

In der - ihr direkt aufgetragenen - Klagebeantwortung erhob die Beklagte die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und wendete ein, dass zwischen den Parteien für allfällige Streitigkeiten aus dem gegenständlichen Vertragsverhältnis die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes der Kammer der gewerblichen Wirtschaft vereinbart worden sei.

Die Klägerin hielt dem entgegen, dass die klagsgegenständlichen Leistungen nicht vom Auftrag laut Schlussbrief umfasst, sondern zusätzlich erforderlich gewesen seien, weil der von der Beklagten beauftragte Planer bzw die von ihr beauftragte Installationsfirma erhebliche Fehlleistungen erbracht hätten. "Die Gerichtsstandvereinbarung gemäß Punkt 2.3.3" sei auf diese Leistungen nicht anzuwenden. Das Vorbringen zu Punkt 2. der Klagserzählung (in dem sich die Klägerin auf den Schlussbrief beruft) solle nur darstellen, in welchem Zusammenhang die Parteien "in Kontakt getreten" seien (AS 19 f).

Nach abgesonderter Verhandlung über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit (ON 7) wies das Erstgericht die Klage zurück. Für das Zustandekommen eines Schiedsvertrages genüge unter anderem auch die Bestimmung in einem die materiell-rechtlichen Beziehungen der Parteien regelnden Vertrag, nach der Streitigkeiten aus demselben von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen (Schiedsklausel). Wenn das Schiedsgericht, wie es die Regel sei, für alle aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entstehenden künftigen Streitigkeiten vereinbart worden sei, erstrecke sich die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes auf alle Streitigkeiten über Ansprüche, die sich unmittelbar aus diesem Rechtsverhältnis ergäben. Die Schiedsklausel für alle Streitigkeiten aus einem Bestandverhältnis umfasse beispielsweise auch Räumungsklagen nach § 1118 ABGB. Damit falle auch die gegenständliche Schadenersatzklage, die ihre Grundlage im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen habe, in die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes. Das Landesgericht Innsbruck sei daher sachlich unzuständig.

Das Rekursgericht verwarf die Zuständigkeitseinrede und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe zwar zutreffend ausgeführt, dass die eingeklagte Forderung in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vom Schlussbrief umfassten Auftrag stehe, sodass eine rechtsgültig vereinbarte Schiedsgerichtsklausel auch darauf anzuwenden wäre. Da (im Rekursverfahren) jedoch unstrittig sei, dass der Schlussbrief vom "3.

9. 1995" und damit auch die Schiedsklausel nicht von einem vertretungsbefugten Geschäftsführer der Klägerin unterfertigt worden sei und sich jedenfalls aus dieser Urkunde, aber auch aus dem Prozessvorbringen der Parteien nicht ergebe, dass der offenbar für die Klägerin unterfertigende Ingenieur O***** im Wege der erforderlichen schriftlichen Spezialvollmacht zum Abschluss eines Schiedsvertrages bevollmächtigt gewesen sei, sei jedoch - mangels Einhaltung der Formvorschrift (§ 577 ZPO) - von der Ungültigkeit der Schiedsklausel auszugehen.

Dass die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung unter Berufung auf ein neues Tatsachenvorbringen (Unterfertigung des Schlussbriefes [nur] durch eine insoweit nicht vertretungsbefugte Person) erstmals im Rekurs geltend gemacht worden sei, verstoße nicht gegen das Neuerungsverbot, welches grundsätzlich auch im Rekursverfahren gelte, sich aber nicht auch auf von Amts wegen zu beachtende Umstände beziehe. Im Zuständigkeitsstreit sei nämlich von Amts wegen zu prüfen, ob - als negative Wirkung eines Schiedsvertrages - ein Prozesshindernis vorliege. Da der zum Nachweis für die behauptete Schiedsvereinbarung vorgelegten Urkunde zu entnehmen sei, dass für den Auftragnehmer (die Klägerin) keine firmenmäßige Zeichnung iSd Ordnungsvorschrift des § 18 Abs 2 Satz 2 GmbHG erfolgt sei, handle es sich um keine unbedenkliche Urkunde. Für den - wenngleich nicht zur Gänze vergleichbaren - Fall einer Exekutionsbewilligung aufgrund eines Schiedsspruches habe der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass bei einer unbedenklichen Urkunde über die Schiedsklausel - im Anlassfall sei ein Stampiglienaufdruck mit einer unleserlichen Unterschrift vorhanden gewesen - die Vertretungsmacht nicht zu prüfen, sondern die fehlende Vertretungsbefugnis mit Widerspruch geltend zu machen sei. "E contrario" könne dieser Entscheidung entnommen werden, dass bei einer nicht unbedenklichen Urkunde über eine Schiedsklausel - insoweit sei die Verletzung der Ordnungsvorschrift des § 18 Abs 2 Satz 2 GmbHG von Bedeutung - eine amtswegige Prüfung der Formungültigkeit des Schiedsvertrages zu erfolgen habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Frage, ob und unter welchen Umständen der Formmangel eines Schiedsvertrages erst in höherer Instanz geltend gemacht werden könne, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck zurückgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Erwägungen zulässig und auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass der Revisionsrekurs nicht gemäß § 45 JN unzulässig ist, weil auf Zuständigkeitsentscheidungen, die das Verhältnis zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten betreffen, die Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (Rechtsmittelausschluss bei die sachliche Zuständigkeit bejahenden Entscheidungen) nicht anwendbar sind (Ballon in Fasching I2 Rz 6 zu § 45 JN; SZ 70/206 = JBl 1998, 258 mwN; RIS-Justiz RS0046345). Der Oberste Gerichtshof vertritt seit der Entscheidung EvBl 1957/338, mit der von der früheren Rechtsprechung abgegangen wurde, nunmehr in stRsp (SZ 58/60 uva), die auch von der Lehre gebilligte (Ballon in FS Fasching 58, Mayr in Rechberger2 Rz 4 zu § 45 JN ua) Ansicht, dass die Berufung auf einen Schiedsvertrag zwar nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern nur die einer heilbaren sachlichen Unzuständigkeit begründet (SZ 69/73 mwN), dass aber die Anfechtungsbeschränkung des § 45 JN nicht gilt, wenn die Zuständigkeit eines von den Streitteilen vereinbarten Schiedsgerichtes behauptet wurde (8 Ob 2076/96v; SZ 70/206 mwN).

Da es sich hier um Rechtssachen handelt, die als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich vor die ordentlichen staatlichen Gerichte gehören, ist für sie der Rechtsweg zulässig und § 42 JN (also die amtswegige Wahrnehmung des Mangels der Zulässigkeit des Rechtsweges in jeder Lage des Verfahrens) nicht anwendbar. Den (ordentlichen) staatlichen Gerichten steht generell die Entscheidungsgewalt über diese Rechtssachen zu, doch haben die Parteien durch Vereinbarung ein anderes Gericht - ein Schiedsgericht - zur Erledigung bestimmt. Das bedeutet, dass das angerufene Gericht diesen Mangel von Amts wegen lediglich bei Einlagen der Klage, später nur aufgrund der rechtzeitigen Einrede des Beklagten wahrnehmen kann (Ballon in Fasching I2 Rz 7 zu § 42 JN und Rz 35 zu § 1 JN).

Nach diesen Grundsätzen hat das Erstgericht entschieden. Der in der Rekursentscheidung geforderten amtswegigen Prüfung der von der Klägerin in erster Instanz gar nicht bestrittenen Schiedsgerichtsvereinbarung fehlt hingegen jede Grundlage. Eine solche ist weder der Entscheidung, auf die sich das Rekursgericht beruft (SZ 64/61 = GesRZ 1992, 137 = ecolex 1991, 847) zu entnehmen, noch in dem Umstand zu erblicken, dass im Zuständigkeitsstreit von Amts wegen zu prüfen sei, "ob - als negative Wirkung des Schiedsvertrages - ein Prozesshindernis vorliegt" (S 7 der Rekursentscheidung):

In der Belegstelle für die zuletzt vertretene Meinung (Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu § 577 ZPO) geht es nämlich um das amtswegig wahrzunehmende Prozesshindernis der Streitanhängigkeit, das seine Wirkung erst mit der Zustellung der Schiedsklage an den Gegner entfaltet; in dieser Entscheidung wurde - wie der Revisionsrekurs zutreffend aufzeigt - ausdrücklich ausgesprochen, dass sich die dortige Rekurswerberin mit ihrer - erstmals im Rekurs vorgetragenen - Behauptung, der Vertrag mit Schiedsklausel sei von einer nicht zeichnungsberechtigten Person unterzeichnet worden, nicht nur in Gegensatz zu ihrer ... Zurücknahme der Bestreitung der Gültigkeit des Vertrages stelle, sondern auch eine im Rekursverfahren unzulässige Neuerung vortrage (SZ 64/61). Davon muss auch im vorliegenden Fall ausgegangen werden; hat die Klägerin doch in ihrer in erster Instanz (AS 21 unten) abgegebenen Urkundenerklärung die Echtheit des als Beilage ./1 vorgelegten Schlussbriefes, der die Schiedsgerichtsklausel enthält, anerkannt und zur Richtigkeit dieser Urkunde auf ihren (damaligen) Prozessstandpunkt verwiesen, wonach die - gar nicht bestrittene - "Gerichtsstandvereinbarung gemäß Punkt 2.3.3" auf die klagsgegenständlichen Leistungen nicht anzuwenden sei (AS 19 unten).

Es ist zwar richtig, dass Tatsachen und Beweismittel, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände, wie Prozessvoraussetzungen betreffen, nicht dem Neuerungsverbot unterliegen (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 482; Fasching Lehrbuch2 Rz 1731). Auch nach der hier - wie bereits ausgeführt - gar nicht anzuwendenden Bestimmung des § 42 Abs 1 JN wäre jedoch nur auf jene Tatsachen von Amts wegen Bedacht zu nehmen, aus denen die Unzulässigkeit des Rechtsweges hervorgeht. Für das (positive) Vorliegen dieser Prozessvoraussetzung fehlt hingegen eine entsprechende Vorschrift, weshalb Tatsachen, die im Rekurs gegen eine Zurückweisung der Klage zum Vorliegen der Zulässigkeit des Rechtsweges vorgebracht werden, dem Neuerungsverbot unterliegen. Auch ein dazu erstattetes ergänzendes Vorbringen im Rekurs würde somit das Neuerungsverbot verletzen (vgl zum Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit: ZfRV 1997/60; RZ 1996/25 = ZfRV 1996/1 mwN).

Die Verletzung des von Amts wegen wahrzunehmenden Neuerungsverbots (Kodek in Rechberger2 Rz 8 zu § 482 ZPO) kann im Rechtsmittel gegen einen Aufhebungsbeschluss geltend gemacht werden. Das entspricht herrschender Ansicht und wird damit begründet, dass die Zivilprozessordnung die Rechtsmittelgründe für das Rekursverfahren - anders als für das Revisionsverfahren - nicht erschöpfend regelt (Kodek aaO Rz 5 zu § 519 ZPO) und ein in Missachtung des Neuerungsverbotes erlassener Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss das Verfahren gesetzwidrig verlängert (1 Ob 30/98p mwN; 4 Ob 79/99t = EvBl 1999/189). Nichts anderes kann für ein Rechtsmittel gegen einen abändernden Beschluss gelten.

Auf die Fragen, ob das - nicht zu berücksichtigende - neue Vorbringen der Klägerin auch rechtsmissbräuchlich erstattet wurde und auf die von der Beklagten aufrecht erhaltene Auffassung, wonach "eine interpretative Formerstreckung" der aus § 577 Abs 3 ZPO erfließenden Formvorschriften auf - wie im gegenständlichen Fall - von Formkaufleuten erteilte Vollmachten zum Abschluss von Schiedsabreden" abzulehnen sei, müsste demnach nicht weiter eingegangen werden. Der Vollständigkeit halber sei jedoch noch erwähnt, dass sich der Oberste Gerichtshof mit diesen Fragen erst jüngst (26. 1. 2000) befasst hat (7 Ob 368/98p).

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO; über die übrigen Verfahrenskosten hat bereits das Erstgericht - zutreffend - entschieden. Wegen Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz hatte der Oberste Gerichtshof den Kostenrekurs - auf den das Gericht zweiter Instanz infolge der Abänderung in der Hauptsache nicht einzugehen hatte - zu erledigen (Kodek in Rechberger2 Rz 5 letzter Abs zu § 528 ZPO). Der von der Klägerin in der Kostenrüge ihres Rekurses (ON 9) vertretenen Auffassung, die Einschaltung einer deutschen Anwaltskanzlei sei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen, kann jedoch nicht beigetreten werden. Die vom Erstgericht zuerkannten vorprozessualen Kosten sind nämlich schon deshalb als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen, weil die Klägerin die Klagszustellung an der ausländischen Adresse der selbständig vertretungsbefugten Gesellschafterin der Beklagten selbst beantragt hat.

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