OGH 3Ob204/02z

OGH3Ob204/02z18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der am 30. Juli 1982 geborenen Manuela R*****, vertreten durch Mag. Andreas Neuner, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Vaters Peter S*****, vertreten durch Mag. Gerold Beneder, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 14. Juni 2002, GZ 16 R 81/02d-189, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 23. Jänner 2001, GZ 7 P 81/98d-184, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurswerber ist der Vater der am 30. Juli 1982 geborenen Manuela R*****. Es treffen ihn keine weiteren Sorgepflichten. Er war zuletzt aufgrund eines Beschlusses vom 11. April 1989 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 6.200 S = 450,57 EUR verpflichtet. Damals erzielte er ein monatliches Nettoeinkommen von rund 42.000 S = 3.052 EUR. Die Tochter hat altersbedingte Bedürfnisse und ist als Schülerin einkommenslos. Sie will nach der Matura, zu der sie im Frühjahr 2002 antreten wollte, Psychologie studieren. Der Vater bezog eine durchschnittliche Nettopension jeweils einschließlich anteiliger Sonderzahlungen im Jahr 1998 von 50.970,09 S = 3.704,14 EUR, im Jahr 1999 von 51.564,64 S = 3.747,35 EUR, im Jahr 2000 von 51.564,64 S = 3.747,35 EUR und im Jahr 2001 von 51.192,93 S = 3.720,34 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater in teilweiser Stattgebung eines am 8. Juni 2001, sohin vor Erreichen der Volljährigkeit gestellten Antrags für 1. Juni 1998 bis 3. Juli 1999 und ab 1. Juli 2001 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 655 EUR.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss teilweise dahin ab, dass der Vater für 1. Juni 1998 bis 3. Juli 1999 zur Zahlung von monatlich insgesamt 655 EUR und ab 1. Juli 2001 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin zur Zahlung von monatlich insgesamt 813,94 EUR an Unterhalt verpflichtet wurde; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil bisher keine Entscheidung des Höchstgerichts vorliege, mit der die vom Verfassungsgerichtshof erwogene Unterhaltsberechnung durchgeführt oder abgelehnt werde.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, entgegen der Auffassung des Vaters und des Erstgerichts komme eine Minderung der Unterhaltsbeträge allein wegen der bescheideneren Verhältnisse des betreuenden Elternteils bzw wegen des wesentlich höheren Einkommens des anderen nicht in Betracht. Zu beachten sei jedoch die allgemein, d.h. nicht nur bei unterschiedlichen Verhältnissen geltende Angemessenheitsgrenze des § 140 ABGB, die nach der Rechtsprechung bei etwa dem 2 1/2fachen des für das Kind geltenden Durchschnittsbedarfs liege. Da die zuerkannten Beträge weit unter diesem "Unterhaltsstopp" liegen, seien dazu weitere Ausführungen nicht erforderlich. Das Erstgericht habe die Frage, ob die Antragstellerin die Ablegung der Reifeprüfung ernsthaft und zielstrebig betreibt, aufgrund der im Einzelfall vorliegenden Situation zutreffend noch nicht verneint. Der Unterhaltspflichtige habe weitere bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigende Aufwendungen nicht konkret bescheinigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem die Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags begehrt wird, ist zulässig und iSd Aufhebungsantrags berechtigt, soweit eine Anrechnung der staatlichen Transferleistungen begehrt wird.

a) Was die Frage betrifft, ob hier besondere atypische Verhältnisse vorliegen, die eine Korrektur der Prozentkomponente rechtfertigen, ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts zu billigen.

Das unter Anwendung der Prozentkomponente gewonnene Pauschalierungsergebnis ist nur bei besonderen, atypischen Verhältnissen zu korrigieren. Bescheidenere Verhältnisse des betreuenden Elternteils sind nur im Extremfall von Bedeutung, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil, in dessen Haushalt es aufwächst, vermieden werden soll. Die bloße Tatsache, dass die Mutter im Haushalt tätig ist und über kein eigenes Einkommen verfügt, rechtfertigt noch keineswegs eine Kürzung des prozentuell errechneten Geldunterhalts (RIS-Justiz RS0102050).

Die vom Vater gewünschte Berücksichtigung der angeblichen Unterhaltsvorauszahlung ex 1984 muss daran scheitern, dass schon nach seinem eigenen Vorbringen (ON 178) diese Vorauszahlung nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde und daher nicht als Zahlung an das Kind beurteilt werden kann.

Insofern ist der Revisionsrekurs somit unberechtigt.

b) Was hingegen die Frage der Anrechnung der staatlichen Transferleistungen betrifft, ist Folgendes auszuführen:

Familienbeihilfe und Steuerentlastung

Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Revisionsrekurses gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. G 7/02 ua (kundgemacht in BGBl I 152/2002 am 13. September 2002), hob der VfGH in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der VfGH bekräftigte seine schon im Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00, vertretene Auffassung, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag [§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG]) und Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG), sondern auch die Familienbeihilfe - die damit nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient - die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in § 12a FLAG wurde aber nicht nur eine die Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe hindernde Norm beseitigt, sondern der VfGH sprach auch aus, wie § 140 ABGB verfassungskonform auszulegen sei. Danach ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (3 Ob 141/02k; 4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d ua).

Kürzung des festgestellten Geldunterhaltsanspruchs zufolge der steuerlichen Entlastung

Nach dem Berechnungsmodell des VfGH erfasst die gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen die Hälfte des bemessenen Geldunterhalts um höchstens 40 %. Nach § 33 Abs 1 EStG beträgt die Einkommensteuer ab 1. Jänner 2002 für die ersten 3.640 EUR (in den Veranlagungsjahren 2000 und 2001 für die ersten 50.000 S) 0 %, für die nächsten 3.630 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 50.000 S) 21 %, für die nächsten 14.530 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 200.000 S) 31 %, für die nächsten 29.070 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 400.000 S) 41 % und für alle weiteren Beträge des steuerpflichtigen Einkommens 50 %. Diese Steuersätze sind um etwa 20 % zu reduzieren, daher ist der Grenzsteuersatz von 50 % auf 40 %, der Steuersatz von 41 % auf 33 % und der von 31 % auf 25 % zu kürzen. Beim Steuersatz von 21 % kommt die Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus, den der steuerpflichtige Geldunterhaltsschuldner erhält, praktisch nicht in Betracht. Die in concreto anzuwendenden Steuersätze bestimmen sich nach dem für deren Ermittlung maßgebenden Jahreseinkommen unter Ausklammerung der Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug, § 2 Abs 2 und § 41 Abs 4 EStG). Der Kindesunterhalt ist jeweils aus den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zu decken. Vom halben Unterhaltsbetrag ist jene prozentuelle Quote zu ermitteln, die dem jeweils anzuwendenden reduzierten Steuersatz entspricht. Wenn der Unterhaltsbeitrag zur Gänze in dem mit dem höchsten Steuersatz zu versteuernden Einkommensteil Deckung findet, ergibt sich nur eine Multiplikation (halber Unterhaltsbeitrag x reduziertem anzuwendenden Steuersatz). Wenn dies nicht der Fall, somit ein Teilbetrag (des halben Unterhaltsbeitrags) mit dem nächstniedrigeren Steuersatz zu versteuern ist, sind zwei Multiplikationen vorzunehmen (des jeweils abgesenkten Steuersatzes mit dem entsprechenden, in diese Steuerklasse fallenden Teilbetrag des halben Unterhaltsbeitrags) und die Ergebnisse sodann zu addieren. Von diesem rechnerischen Zwischenergebnis (Kürzungsbetrag) ist der der steuerlichen Entlastung dienende Unterhaltsabsetzbetrag, den der Steuerpflichtige erhält (monatlich für das 1. Kind 25,50 EUR [in den Jahren 2000 und 2001: 350 S], für das 2. Kind 38,20 EUR [2000 und 2001: 525 S] und für jedes weitere Kind jeweils 50,90 EUR [2000 und 2001: 700 S]) - umgerechnet auf ein Jahr - abzuziehen, wird doch die steuerliche Entlastung auch durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag bewirkt. Nur soweit dieser nicht ausreicht, sind die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe - heranzuziehen. Der ermittelte Kürzungsbetrag wird somit seinerseits um den Unterhaltsabsetzbetrag gekürzt, wodurch zwangsläufig die Kürzung geringer ausfällt. Dieser jährliche "Steuerentlastungsbetrag" kürzt den vom Geldunterhaltspflichtigen zu leistenden jährlichen Unterhaltsbetrag, der dann auf Monate umzurechnen ist.

In der Entscheidung 3 Ob 141/02k erläuterte der erkennende Senat diese Berechnungsweise der erforderlichen Ermittlung des Steuerentlastungsbetrags in einer modellartigen tabellarischen Demonstration in fünf (bei mehreren Kindern in sechs) Schritten. Darauf wird verwiesen.

Ergebnis für den Anlassfall

Im Anlassfall mangelt es an Feststellungen über das für die Berechnung des Kürzungsfaktors bedeutsame Einkommen des Vaters. Das Erstgericht wird daher das Verfahren durch Feststellung des als Berechnungsgrundlage maßgebenden Einkommens des Vaters ohne Sonderzahlungen zu ergänzen haben, um sodann dessen Steuerentlastung nach den voranstehend erläuterten Grundsätzen berechnen zu können.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte