OGH 10ObS280/02b

OGH10ObS280/02b26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angelina P*****, Bedienerin, *****, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 8 Rs 70/01z-74, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 6. November 2000, GZ 8 Cgs 18/99s-56, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es insgesamt lautet:

1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2001 zu gewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin ab 1. 1. 2001 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 200,-- monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Urteils fälligen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit EUR 1.157,97 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 192,99 Umsatzsteuer) und die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 55,52 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 14. 11. 1948 geborene Klägerin war ab ihrem Eintritt ins Berufsleben immer als Hilfsarbeiterin beschäftigt. Der Zustand der Klägerin hat sich mit Ende 2000 derart verschlechtert, dass sie seit damals keine geregelte Arbeit mehr durchführen kann. Zum Stichtag 1. 1. 2001 liegen bei der Klägerin die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für die von ihr begehrte Invaliditätspension vor.

Nachdem das Erstgericht das auf Gewährung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 11. 1998 gerichtete Klagebegehren abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht nach ergänzender Beweisaufnahme (durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens) dem auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 1. 2001 eingeschränkten Klagebegehren in der Form statt, dass es die beklagte Partei verpflichtete, "der klagenden Partei ab 1. 1. 2001 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß und eine vorläufige Leistung in der Höhe von EUR 200,-- pro Monat zu bezahlen."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahren, der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revisionsanträge der beklagten Partei abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In ihrer Revision macht die beklagte Partei geltend, dass sie im Hinblick auf die äußerst unterschiedlichen Gewichts- und Größenangaben, die in den von den Vorinstanzen eingeholten Gutachten aufscheinen, zwecks Objektivierung die persönliche Ladung der Klägerin zur Berufungsverhandlung beantragt habe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe auf diese Weise einen Versuch zur Verschleppung des Verfahrens unternommen, entbehre jeder Grundlage. Wäre dem Beweisantrag stattgegeben worden, hätte das Berufungsgericht zum dem Schluss kommen müssen, dass die Klägerin nicht an Untergewicht und Kachexie leide und arbeitsfähig sei, sodass in der rechtlichen Beurteilung davon auszugehen sei, dass die Klägerin nicht invalid im Sinne des Gesetzes sei.

Diese Revisionsausführungen lassen außer Betracht, dass die Feststellung, ob aufgrund des medizinischen Leistungskalküls noch Tätigkeiten verrichtet werden können, dem vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Tatsachenbereich angehört (10 ObS 36/01v, 10 ObS 424/01b). Selbst eine vorgreifende Beweiswürdigung, die darin gelegen ist, dass nach Ansicht des Berufungsgerichts weitere Beweise an dem festgestellten Sachverhalt nichts ändern könnten, ist in der dritten Instanz nicht überprüfbar (RIS-Justiz RS0043099), ebensowenig die Frage, ob ein Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt (RIS-Justiz RS0040586 [T2]). Abgesehen davon sind die in dem vom Berufungsgericht eingeholten Gutachten enthaltenen Angaben zur Körpergröße und zum Gewicht der Klägerin für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin noch zur Ausübung einer Berufstätigkeit fähig ist, nicht von unmittelbarer Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr die Darstellung des Sachverständigen, dass sich der Zustand der Klägerin mit Ende 2000 so verschlechtert habe, dass ab diesem Zeitpunkt eine geregelte Arbeit nicht mehr durchführbar sei. Dass dem Berufungsgericht bei der Verwertung dieses Sachverständigengutachtens ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0040579 [T1]; RS00431222 [T5]; RS0043168 [T2]) wird in der Revision nicht aufgezeigt. Eine gesetzmäßig ausgeführte, von dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ausgehende Rechtsrüge liegt nicht vor. Daraus folgt, dass der Revision der beklagten Partei ein Erfolg versagt bleiben muss.

Gemäß § 89 Abs 2 ASGG kann das Gericht dann, wenn sich in einem Verfahren, in dem das Klagebegehren auf eine Geldleistung gerichtet und dem Grund und der Höhe nach bestritten ist, ergibt, dass das Klagebegehren in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt ist, die Rechtsstreitigkeit dadurch erledigen, dass es das Klagebegehren dem Grunde nach für berechtigt erkennt; gleichzeitig hat es nach dieser Bestimmung dem Versicherungsträger aufzutragen, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen. Diese Bestimmung hat das Berufungsgericht insoweit unbeachtet gelassen, als es die beklagte Partei verpflichtet hat, "der klagenden Partei ab 1. 1. 2001 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß und eine vorläufige Leistung in der Höhe von EUR 200,-- pro Monat zu bezahlen". Der Auftrag zur Erbringung einer im Sinne des § 89 Abs 2 ASGG bestimmten vorläufigen Zahlung war daher in sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO durch das Revisionsgericht nachzutragen (RIS-Justiz RS0085734; SSV-NF 9/11, 12/127, 13/42, 14/115). Dabei war gemäß § 409 Abs 1 ZPO eine 14tägige Leistungsfrist für die bis zur Zustellung dieses Urteils fällig gewordenen vorläufigen Zahlung anzuordnen. Für die weiteren bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides fällig werdenden vorläufigen Zahlungen war im Hinblick auf § 104 Abs 2 ASVG, demzufolge die Pensionen aus der Pensionsversicherung monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats ausgezahlt werden, auszusprechen, dass auch die vorläufigen Zahlungen jeweils am Ersten des Folgemonats im Nachhinein zu erbringen sind (RIS-Justiz RS0085725 [T3]; SSV-NF 13/34, 14/119).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Ausgehend von dem in § 77 Abs 2 ASGG idF BGBl I 2001/98 genannten Betrag von EUR 3.600,-- beträgt der Tarifansatz für die Revisionsbeantwortung EUR 173,50.

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