OGH 10ObS294/02m

OGH10ObS294/02m22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann B*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch Mag. Udo Hohensasser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2002, GZ 7 Rs 104/02x-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Februar 2002, GZ 35 Cgs 316/01a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die im Kostenpunkt erhobene Revision wird zurückgewiesen. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 23. 6. 1954 geborene Kläger hat den Beruf eines Maschinenschlossers erlernt, jedoch in der Folge nicht ausgeübt. Ab 1972 war er in einem Baustoffunternehmen als Kraftfahrer beschäftigt, wobei er zuletzt Baumaterialien an Baustellen zustellte. Als LKW-Fahrer im Fernverkehr war er nicht tätig. Ab 1982 war er als Kraftfahrer in der Straßenverwaltung des Landes Kärnten beschäftigt. Anfangs führte er Arbeiten mit einer Bodenmarkiermaschine durch. Er wurde aber auch als Staplerfahrer eingesetzt und bediente Asphaltfräsmaschinen, Asphaltschneider sowie Rüttelwalzen. In den Wintermonaten wurde er zu Schneeräumungsarbeiten herangezogen. Ab 1987/88 führte er mit einem Böschungsmäher Mäharbeiten an Straßenböschungen durch. Er wurde fast ausschließlich nur mehr zu Mäharbeiten herangezogen. Er war Partieführer und hatte drei bis vier Leute zu beaufsichtigen.

Der Kläger verfügt über keine Kenntnisse im Transportrecht, Bürgerlichen Recht, Arbeitsrecht und Versicherungsrecht. Aufgrund seines beschränkten Einsatzes im nationalen Güterverkehr musste er auch keine Transportpapiere erstellen und keine Zollformalitäten selbständig abwickeln. Der Kläger verfügt über Lenkerberechtigungen der Gruppen A, B, C, D, E, F und G. Über einen Gafahrengutführerschein verfügt er nicht.

Mit dem ihm verbliebenen Leistungskalkül wäre der Kläger in der Lage, verschiedene körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten in arbeitsteilig organisierten Industrie- und Gewerbebetrieben durchzuführen, wie Einlegen, Sortieren, Prüfen, Kontrollieren, Montieren, Bestücken und Verpacken. Auch die Tätigkeiten eines Portiers oder Parkgaragenkassiers stellen keine über das Leistungskalkül des Klägers hinausgehenden Anforderungen. Mit Bescheid vom 27. 7. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 13. 6. 2001 auf Zuerkennung der Invaliditätspension im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass er noch im Stande sei, eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertete Tätigkeit auszuüben. Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab 1. 2. 2000 gerichtete Klage ab. Der Kläger genieße aufgrund des eingeschränkten Betätigungsfeldes keinen Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer und sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, sodass Invalidität iSd § 255 Abs 3 ASVG nicht vorliege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es hielt die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens aus rechtlichen Gründen für nicht relevant und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass dem Kläger kein Berufsschutz als Berufskraftfahrer zukomme. Der Kläger habe zentrale Kenntnisse und Fähigkeiten des Berufsbildes eines Berufskraftfahrers nicht nur nicht erworben, sondern seien diese im Rahmen seiner Tätigkeit gar nicht abverlangt worden. Verwiesen werde etwa auf die Kenntnisse des internationalen Transportwesens, der selbständigen Termin- und Routenplanung, aber auch die Bescheinigung über die Gefahrgut-Lenkerschulung. Ein Berufskraftfahrer ohne absolvierte Berufskraftfahrerausbildung genieße jedoch nur dann Berufsschutz, wenn er über jene Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, die in der Praxis auch von ausgelernten Berufskraftfahrern verlangt werden. Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Weiters wird die Abänderung der Kostenentscheidung im Sinne eines Zuspruchs der Kosten erster und zweiter Instanz begehrt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die im Kostenpunkt erhobene Revision ist unzulässig; im übrigen ist sie nicht berechtigt.

Gemäß § 528 Abs 1 Z 2 ZPO sind Rekurse gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt seit der 1. Gerichtsentlastungsnovelle RGBl 1914/118 grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (JB 4 = SZ 2/143; 1 Ob 64/98p; 1 Ob 128/98z uva; RIS-Justiz RS0044181; RIS-Justiz RS0053407). Den Kostenpunkt betreffen alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten entschieden wird. Der auch in Sozialrechtssachen anzuwendende

Rechtsmittelausschluss (SSV-NF 5/37, 8/115; 10 ObS 2352/96x = SVSlg

44.612; 10 ObS 2421/96v = SVSlg 44.618 ua; Kuderna ASGG2 498) gilt

sowohl für die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen als auch für die Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens (SZ 27/66; RZ 1974/47; 4 Ob 389/97b ua). Die in der Revision unternommene Bekämpfung der Kostenentscheidung des Gerichts zweiter Instanz ist daher unzulässig, sodass die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen war.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung, dass dem Kläger kein Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer zukommt und der Kläger daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie entspricht auch der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, der sich in den letzten Jahren in zahlreichen Entscheidungen mit dem Berufsbild des Berufskraftfahrers auseinandergesetzt hat (SSV-NF 2/66, 4/80, 8/17, 9/63, 13/107, 13/129, 14/19, 14/36 uva; RIS-Justiz RS0084792).

Die Kenntnisse und Fähigkeiten eines angelernten Berufskraftfahrers sind am Berufsbild des Lehrberufes "Berufskraftfahrer" (BGBl 1992/508; 1995/902 II 1998/152) zu messen. Werden die in diesen Verordnungen angeführten Ausbildungsvorschriften für Berufskraftfahrer mit den vom Kläger nach den Feststellungen erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten verglichen, so hat der Kläger in der Praxis nur Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die lediglich Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Berufskraftfahrern in viel weiterem Umfang verlangt wird. Gerade der Berufskraftfahrer benötigt nicht nur die für den Güternahverkehr erforderlichen Kenntnisse, sondern darüber hinausgehende Kenntnisse, die vor allem für den grenzüberschreitenden Verkehr bedeutsam sind. Hiezu gehört nicht nur die Ausfertigung von für den Transport erforderlichen Papiere, sondern auch kaufmännisches Rechnen und Schriftverkehr sowie die Kenntnis des einschlägigen Zahlungsverkehrs, der wichtigsten europäischen Verkehrswege, der Strecken- und Terminplanung, Grundkenntnisse der Transportversicherung, der Beförderungsverträge, des Handels-, Straf- und Verwaltungsrechtes, der Zollvorschriften und der Warenkunde etc.

Der Erwerb dieser für die qualifizierte Tätigkeit des Berufskraftfahrers erforderlichen und auch in der Praxis verlangten Kenntnisse war für den Kläger in seiner praktischen Tätigkeit nicht erforderlich. Ihr Fehlen kann auch nicht durch Kenntnisse in der Bedienung von Spezialfahrzeugen und -maschinen aufgewogen werden. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen zum Inhalt der vom Kläger abzulegenden Dienstprüfung und den Umfang der von ihm an den einzelnen Maschinen verrichteten Reparatur- und Wartungsarbeiten abgelehnt.

Da sich die Kenntnisse des Klägers nur auf Teilbereiche des Berufsbildes erstrecken, kommt ihm ein Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nicht zu. Der Kläger würde daher nur unter den in § 255 Abs 3 ASVG genannten Voraussetzungen als invalid gelten, die jedoch wegen der zumutbaren Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorliegen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kostenersatzanspruch aus Billigkeit besteht, sind neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles zu beachten. Tatsächliche Schwierigkeiten scheiden im Revisionsverfahren schon deshalb aus, weil der Tatsachenbereich in diesem Verfahrensstadium nicht überprüft werden kann. Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen im Hinblick auf die zitierte ständige Rechtsprechung nicht vor (SSV-NF 13/61). Ein Kostenersatz aus Billigkeit hat daher nicht stattzufinden.

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