OGH 7Ob256/01z

OGH7Ob256/01z9.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** AG, *****, vertreten durch Graf, Maxl & Pitkowitz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Eugen B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, wegen (restlich) EUR 72,672.834,16 sA = S 1,000.000 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2001, GZ 4 R 95/01x-16, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Im vorliegenden Fall ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass zur Beurteilung der Klageforderung deutsches Handelsvertreterrecht anzuwenden ist (Punkt I. 1. der ao Revision). Dass für den Geltungsbereich des fremden Rechts zu einer Rechtsfrage (hier: zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruches nach § 89b dHGB) keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, kann aber - wie bereits mehrfach (unter Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Fasching, LB² Rz 1890) dargelegt wurde (stRsp; Kodek in Rechberger² Rz 3 letzter Abs zu § 502 ZPO mwN; 8 Ob 224/01a mwN uva) - für sich allein die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht begründen (RIS-Justiz RS0042948); steht die angefochtene Entscheidung im Einklang mit einer gefestigten ständigen Rechtsprechung des fremden Höchstgerichtes, ist nämlich eine Wiederholung der Rechtssätze durch den Obersten Gerichtshof entbehrlich (Kodek aaO; 8 Ob 224/01a mwN; 1 Ob 74/02t). Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Demnach kann die Revision iSd § 502 Abs 1 ZPO zwar auch bei Maßgeblichkeit eines fremden Rechts zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet wird (NRsp 1994/103; ZfRV 1994/33, 158; RIS-Justiz RS0042940 mwN uva). Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt allerdings - wie die Revisionswerberin selbst einräumt - nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042948 [T1, T10 und T12 bis T14], RS0042940 [T2 und T3]).

Die Revision wäre daher aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder hierbei grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RIS-Justiz RS0042948 [T3, T4 und T7] und RS0042940 [T1] zuletzt: 2 Ob 30/02b mwN). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Der hier anzuwendende § 89b dHGB ist - worauf bereits das Erstgericht zutreffend hinweist - dem seit 1. 3. 1993 in Kraft stehenden österreichischen § 24 Abs 1 HVertrG "sehr ähnlich"; diente doch das Handelsvertretergesetz 1993 der Umsetzung der EG-Richtlinie vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl Nr L 382/17, wobei der österreichische Gesetzgeber von der in Art 17 und 18 der Richtlinie eingeräumten Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht und sich für die deutsche Regelung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b dHGB entschieden hat (RV 578 BlgNR 18. GP; Weilinger, Handelsvertretergesetz 1993, 55; Viehböck, Der Ausgleichsanspruch nach dem neuen Handelsvertretergesetz, ecolex 1993, 221).

§ 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG weicht nur insoweit von der deutschen Regelung ab, als der Eintritt von Provisionsverlusten des Handelsvertreters - anders als in § 89b Abs 1 dHGB - nicht als eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen ist. Bei Bemessung des Ausgleichs ist dieser Unterschied jedoch - wie der Oberste Gerichtshof bereits aufgezeigt hat (6 Ob 260/00d) - nicht entscheidend, weil die Billigkeitsüberlegungen nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG ohnehin von der Frage beherrscht werden, ob dem Handelsvertreter Provisionen entgehen (RV 578 BlgNR 18. GP 15; Weilinger aaO 56; Tschuk, Der Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, 31 f; in diesem Sinn auch Viehböck aaO 224; 6 Ob 260/00d = ecolex 2001/103 [Thaler]).

Weiters hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage bereits ausgesprochen, dass die nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 "unter Berücksichtigung aller Umstände (ergänze: des jeweiligen Einzelfalls), insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provision, nach Billigkeit" festzusetzende Ausgleichszahlung geradezu ein Musterbeispiel für eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Billigkeitsentscheidung darstellt (RIS-Justiz RS0112590). Unter dem Begriff der Billigkeit ist nämlich die dem Einzelfall entsprechende sachgerechte Lösung einer Rechtsfrage zu verstehen (8 ObA 272/99d), weshalb eine derartige Entscheidung - abgesehen von einer mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unvereinbaren Beurteilung durch das Berufungsgericht - regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0112590).

Nichts anderes kann für die Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b dHGB gelten, die ebenfalls "unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen" muss:

Die in der vorliegenden Zulassungsbeschwerde vorgebrachten, auf angebliche Abweichungen von der Judikatur des Bundesgerichtshofes gestützten Einwendungen wiederholen im Wesentlichen nur den bereits in der Berufung vorgetragenen Standpunkt, ohne auf die zu seiner Entkräftung ins Treffen geführten Argumente (Seite 11 ff der Berufungsentscheidung mit Nachweisen aus der deutschen Rsp) einzugehen. Eine außerhalb der Bandbreite der Judikatur liegende (Fehl-)Beurteilung, die einer Korrektur bedürfte, ist hier schon deshalb nicht zu erkennen, weil die bekämpften Billigkeitserwägungen plausibel begründet und daher nicht zu beanstanden sind, ohne dass auf die, in der außerordentlichen Revision erörterte Gewichtung der Gesichtspunkte der Billigkeitsentscheidung (..."wichtigster Billigkeitsgesichtspunkt zu Lasten des Handelsvertreters ist"...) im Einzelnen einzugehen wäre.

Es werden aber auch keine anderen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen, hier zu entscheidenden Rechtsfragen aufgezeigt:

Ob sog "überschießende" Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen (hier: zu den Anspruchsvoraussetzungen für den Ausgleichsanspruch) fallen und daher nach stRsp (ua SZ 61/135 = MR 1988, 161 = ÖBl 1989, 118; ZVR 1999/118; 7 Ob 185/00g; RIS-Justiz RS0037972 und RS0040318) zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des Einzelfalles (3 Ob 73/01h mwN; zuletzt: 7 Ob 164/02x). Es ist zwar richtig, dass auch die Verletzung von Beweislastregeln, soweit sie dem materiellen Recht angehören, stets eine revisible unrichtige rechtliche Beurteilung darstellt (Rechberger in Rechberger² Rz 12 vor § 266 ZPO). Die Beweislastverteilung kommt freilich erst und nur dann zum Tragen, wenn ein Beweis für die strittige, entscheidungswesentliche Tatsache nicht erbracht werden konnte (RIS-Justiz RS0039875), das Beweisverfahren also ohne subsumtionsfähiges Sachverhaltsergebnis geblieben ist (RIS-Justiz RS0039872). Die Frage der Beweislast stellt sich aber dann nicht mehr, wenn die Tatsacheninstanzen - wie hier - ohnehin (wie die Beklagte meint: "überschießende") Feststellungen getroffen haben. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich nicht (auch) zu überprüfen, ob die vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogene Schlussfolgerung aus den einzelnen Verfahrensergebnissen richtig oder fehlerhaft ist (Kodek in Rechberger² Rz 3 aE zu § 503 ZPO).

Den Überlegungen zur Beweislastverteilung ist daher nur zuzugestehen, dass ein diesbezüglicher Fehler als error in iudicando, also unrichtige rechtliche Beurteilung, revisibel (RIS-Justiz RS0039939) wäre; die Frage, ob einer beweispflichtigen Partei der Nachweis einer bestimmten Tatsache gelungen ist (oder nicht), ist hingegen eine solche der Beweiswürdigung (MGA JN-ZPO15 E 78 zu § 503 ZPO) und im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbar (RIS-Justiz RS0112242; zuletzt: 7 Ob 147/02x mwN). Außerdem wurde der in der unrichtigen Anwendung des § 273 ZPO erblickte Verfahrensmangel erster Instanz vom Berufungsgericht verneint und kann daher nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (Kodek aaO Rz 3 Abs 1 zu § 503 ZPO).

Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

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