Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 29.752,60 S (darin 4.958,77 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und zuvor deren Geschäftsführer Walter S***** persönlich waren selbständige Handelsvertreter der Beklagten und der dann mit ihr verschmolzenen L***** AG. Die Streitteile hatten die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart. Mit Schreiben vom 14. 9. 1998 kündigte die Beklagte den Handelsvertretervertrag unter Einhaltung der vereinbarten sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 7. 4. 1999 auf. Mit weiterem Schreiben vom 12. 11. 1998 erklärte die Beklagte die sofortige Auflösung des Vertragsverhältnisses wegen behaupteter gravierender Vertragsverletzungen.
Ansprüche der Klägerin auf Provisionen aus einem erteilten, nicht durchgeführten Auftrag (26.870,26 S) und aus Gutschriften 1997 und 1998 (137.413,72 S), sowie auf Schadenersatz für entgangene Provisionen (2,741.182,70 S) wurden bereits rechtskräftig zuerkannt; ein weiteres Begehren auf Schadenersatz wegen entgangener Provisionen aus kurzfristigen Aufträgen (240.187,46 S) wurden vom Berufungsgericht rechtskräftig abgewiesen. Die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung steht mit 480.501,47 S rechtskräftig fest. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der im Ausmaß des Höchstbetrages nach § 24 Abs 4 HVertrG geltend gemachte Ausgleichsanspruch von insgesamt 7,205.624,-- S, wobei die Beklagte letztlich nur mehr die über 50 % des Höchstbetrags hinausgehende Forderung bestreitet (Revisionsinteresse daher 3,602.812 S).
Die Klägerin brachte zu ihrem Ausgleichsanspruch vor, das Vertragsverhältnis habe 37 Jahre gedauert und sei bis zum Sommer 1998 ohne Beanstandung verlaufen. Sie habe sämtliche Kunden der Beklagten in Deutschland angeworben, wobei sich die Zahl der für die Produkte der Beklagten gewonnenen Kunden in den Jahren 1994 bis 1998 kontinuierlich von 181 auf 212 erhöht habe. Die Beklagte profitiere nach wie vor von diesen Kunden. Die Klägerin habe auch eine ständige Steigerung des Umsatzes herbeiführen können. Die Summe ihrer Provisionen habe von 1994 bis einschließlich September 1998 DM 5,092.000 betragen, dies entspreche einer für den Ausgleichsanspruch maßgeblichen durchschnittlichen Jahresprovision von DM 1,072.000. Ihre Behauptung, die Beklagte habe den Ausgleichsanspruch anerkannt, hielt die Klägerin zuletzt nicht mehr aufrecht.
Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe in den letzten Geschäftsjahren weder relevante neue Kunden zugeführt noch bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert. Ihre Marktposition habe sich auf Grund der Vernachlässigung durch die Klägerin verschlechtert, sodass sie zur Direktbetreuung von Kunden gezwungen gewesen sei, was schließlich auch zu einer Umsatzsteigerung geführt habe, wogegen die Umsätze bei den von der Klägerin betreuten Kunden stagniert oder sich rückläufig entwickelt hätten. Die Werbung wichtiger Kunden für die Beklagte liege Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurück. Seither habe die Klägerin Provisionen in einem ihre Verdienstlichkeit weit übersteigenden Ausmaß von mehr als 100 Mio S bezogen. Die Ausgleichszahlung entspreche nicht der Billigkeit. Ihren Einwand, wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes nach § 24 Abs 3 Z 2 HVG stehe ein Ausgleichsanspruch nicht zu, hielt die Beklagte zuletzt nicht mehr aufrecht.
Das Erstgericht sprach der Klägerin (neben den bereits in Rechtskraft erwachsenen weiteren Ansprüchen) eine Ausgleichszahlung in Höhe der durchschnittlichen Jahresprovision der letzten fünf Jahre (1994 bis September 1998) von 7,205.624,-- S zu. Es stellte noch fest, der Geschäftsführer der Klägerin habe seine Tätigkeit als Handelsvertreter der Beklagten 1961 begonnen, danach sei die Klägerin tätig geworden. Sie habe sämtliche Unternehmen, die zum Zeitpunkt der Kündigung Kunden der Beklagten gewesen seien, geworben. Im Gegensatz zu früher, als Liefervereinbarungen längerfristig abgeschlossen worden seien, sei es heute so, dass die von der Beklagten angebotenen Produkte austauschbar seien und angesichts einer Vielzahl von Mitbewerbern immer wieder Gespräche über den Preis geführt werden müssten. Man könne daher nicht sicher sein, dass die von der Klägerin geworbenen Kunden stets der Beklagten Aufträge erteilen werden. Andererseits bedürfe es aber eines längeren Prozesses, um mit potentiellen Kunden überhaupt ins Geschäft zu kommen. 1996 sei der Markt in Deutschland eingebrochen, worauf sich die Beklagte entschlossen habe, große Industriekunden mitzubetreuen. 1996 seien dies Kunden gewesen, die etwas über ein Fünftel des Jahresumsatzes erbracht hätten, 1997 sei es nicht ganz ein Drittel und 1998 schließlich etwas über 40 % gewesen. Diese Betreuung sei im Einverständnis mit der Klägerin erfolgt, Kundenbesuche hätten entweder durch die Beklagte allein oder gemeinsam mit der Klägerin stattgefunden. Die Klägerin habe die "neuen" deutschen Bundesländer durch zehn Jahre flächendeckend betreut, es könne nicht festgestellt werden, dass sie ihr Betreuungsgebiet vernachlässigt habe. Der Markteinbruch in Deutschland 1996 sei nicht auf das Verhalten der Klägerin zurückzuführen. Anlässlich einer Besprechung vom 14. 9. 1998 habe der Vertreter der Beklagten erstmals erklärt, den Vertrag mit der Klägerin nicht mehr zu verlängern, Deutschland sei ein strategischer Markt, den die Beklagte nunmehr selbst bearbeiten werde. Er wisse zwar um die Aufbauarbeiten und um die Verdienste der Klägerin, insbesondere ihres Seniorgeschäftsführers und könne zusagen, dass er dessen Lebenswerk mit der gekürzten Abfindung voll abgelten werde. Durch einen Ausgleichsanspruch von über DM 1,000.000 würde dieser mehr als entschädigt werden. Man werde über den Ausgleichsanspruch nicht streiten müssen. Genau könne man den Ausgleichsbetrag aber erst nach Vorliegen des Zahlenmaterials bestimmen. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass ein Betrag von über DM 1,000.000 als Abfertigung zu zahlen sein werde.
Das Erstgericht stellte noch fest, die Klägerin habe sich dadurch, dass sie nicht mehr für die Beklagte tätig wurde, (zunächst) nichts erspart. Sie habe zwar eine Sekretärin entlassen müssen, dies aber mit bedeutender Abfindung. Die Fixkosten seien in der bisherigen Höhe nach wie vor vorhanden. 75 % der Geschäftstätigkeit der Klägerin seien auf die Vertretung der Beklagten entfallen.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Klägerin habe den Beweis dafür erbracht, dass ausschließlich sie der Beklagten neue Kunden zugeführt habe, die dann ihrerseits Geschäftsabschlüsse getätigt hätten. Die Beklagte hätte daher behaupten und beweisen müssen, dass ihre Verdienstchancen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand hätten. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen. Es sei selbstverständlich, dass sie sich anstrengen müsse, um im geschäftlichen Kontakt zu bleiben, dies könne den Ausgleichsanspruch nicht mindern. Von der monatlichen Durchschnittsprovision der letzten fünf Jahre ausgehend ergebe sich der Ausgleichsanspruch der Klägerin mit umgerechnet 7,205.624,-- S.
Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch der Ausgleichszahlung (die Abweisung des Schadenersatzanspruches wegen entgangener Provision aus kurzfristigen Aufträgen ist in Rechtskraft erwachsen und im Revisionsverfahren nicht mehr relevant). Aus der im § 24 Abs 1 HVertrG gewählten Formulierung "soweit" folge, dass im Falle der Zuführung von Neukunden die Vorteile des Unternehmers und die Verluste des Handelsvertreters andererseits zu bestimmen seien. Das so gewonnene Ergebnis sei dann einer Angemessenheitskontrolle zu unterziehen. Der so ermittelte "Rohausgleich" werde durch die Höchstgrenze des § 24 Abs 4 HVertrG beschränkt. Liege er unter dieser Höchstgrenze, stehe ein Ausgleichsanspruch in der Höhe des Rohausgleiches zu. Der Klägerin sei der Beweis für die (hier allein maßgebliche) Zuführung neuer Kunden und für die getätigten Geschäftsabschlüsse gelungen. Es bestehe daher die - allerdings widerlegbare - Vermutung dafür, dass die hergestellten Geschäftsverbindungen auch nach Vertragsbeendigung weiter bestehen. Die Klägerin habe auch den Beweis für die ihr aus der Vertragsbeendigung entstehendden Provisionsverluste erbracht. Sie habe sowohl die zugeführten Kunden als auch die in den letzten zwölf Monaten vor Beendigung des Vertretungsvertrages erzielten Provisionseinnahmen angeführt und unter Beweis gestellt. Dies indiziere die Billigkeit der angesprochenen Ausgleichszahlung. Die Beklagte treffe demgegenüber die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die durch den Handelsvertreter geschaffene Verdienstchance über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand habe und dass die im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung stehenden Umstände die Nachteile des Handelsvertreters mindern. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen, zumal feststehe, dass weiterhin alle Kunden mit ihr im Geschäftskontakt seien. Der im Jahr 1999 eingetretene Umsatzrückgang sei auf geringere Preise zurückzuführen und habe für die Frage der Billigkeit keine Bedeutung. Die Höhe der (vereinbarten) Provisionssätze begründe genausowenig einen Billigkeitsabschlag wie die Dauer des Vertragsverhältnisses oder die Frage, wie lang der vom Handelsvertreter zugeführte Kundenstock schon vorhanden sei. Ausgangspunkt für die Berechnung der Ausgleichszahlung seien somit die Provisionseinnahmen des letzten Vertragsjahres vermindert um eine allfällige Abwanderungsquote unter Berücksichtigung einer Abzinsung und allfällig ersparter Unkosten. Es sei für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft eine Prognose über die hypothetischen Provisionseinnahmen anzustellen. Der so ermittelte Rohausgleich werde in aller Regel höher sein als die durchschnittliche Jahresvergütung nach Absatz 4 leg cit, weil dem Handelsvertreter durch Vertragsbeendigung regelmäßig Provisionseinnahmen während mehrerer Jahre entgehen. Er werde daher nur bei besonders hohen Abwanderungsquoten oder Umsatzeinbrüchen niedriger als die durchschnittliche Jahresvergütung sein. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte besondere, die erwiesenen Provisionsverluste mindernden Umstände entweder gar nicht eingewendet oder nicht nachgewiesen. Lediglich ein Umsatzrückgang von bis zu 25 % im Jahr 1999 sei erwiesen. Selbst wenn man von einem dauerhaften Umsatzrückgang der Beklagten in dieser Höhe ausginge und eine fiktive jährliche Abwanderungsquote von 20 % sowie einen kapitalisierten Zinssatz von 5 % und die von der Beklagten behauptete Ersparnis von 100.000 S monatlich in Ansatz brächte, wäre der so ermittelte Rohausgleich höher als die vom Erstgericht zugesprochene Jahresvergütung. Der Umsatzrückgang von 25 % und eine monatliche Ersparnis der Klägerin von 100.000 S vermindere die für 1998 ausgewiesene Jahresprovision auf eine Berechnungsbasis von rund 4,479.000 S. Berechne man den Rohausgleich in der von der Lehre vorgeschlagenen Weise unter Annahme einer fiktiven jährlichen Abwanderungsquote von 20 % und einem Kapitalisierungszinssatz von 5 % so ergebe sich ein "Rohausgleich" für insgesamt vier Jahre ab Vertragsende von 8,134.749,-- S. Unter Berücksichtigung des im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrages sei somit der von der Klägerin angesprochene Ausgleichsanspruch berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Frage, ob der Ermittlung des Ausgleichsanspruches eine Berechnung des "Rohausgleichs" zugrunde zu legen sei, erhebliche Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen haben eine Ausgleichszahlung in Höhe des nach § 24 Abs 4 HVertrG 1993 errechneten zulässigen Höchstbetrages bemessen. Die Revision der Beklagten richtet sich gegen den 50 % dieses Höchstbetrages übersteigenden Zuspruch. Sie macht geltend, die von der Lehre vorgeschlagene zweistufige Berechnungsmethode sei im Gesetz nicht gedeckt, der Ausgleichsanspruch sei vielmehr unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen (Vorteile des Unternehmers, Verluste des Handelsvertreters und Billigkeit) im Rahmen des Höchstbetrages nach Billigkeit angemessen zu beurteilen.
Dem ist zu erwidern:
Gemäß § 24 Abs 1 HVertrG gebührt dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt hat, zu erwarten ist, dass der Unternehmer aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Abs 4 leg cit begrenzt den Ausgleichsanspruch - mangels einer dem Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung - auf eine Jahresvergütung berechnet nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das Handelsvertretergesetz 1993 diente der Umsetzung der EG-Richtlinie vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl Nr L 382/17. Der österreichische Gesetzgeber hat dabei von der in Art 17 und 18 der Richtlinie eingeräumten Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht und sich für die deutsche Regelung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b dHGB entschieden (RV 578 BlgNR
18. GP; Weilinger, Handelsvertretergesetz 1993, 55; Viehböck, Der Ausgleichsanspruch nach dem neuen Handelsvertretergesetz, ecolex 1993, 221). § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG weicht nur isoweit von der deutschen Regelung ab, als der Eintritt von Provisionsverlusten des Handelsvertreters - anders als in § 89b Abs 1 dHGB - nicht als eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen ist. Bei Bemessung des Ausgleichs ist dieser Unterschied jedoch nicht entscheidend, weil die Billigkeitsüberlegungen nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG ohnehin von der Frage beherrscht werden, ob dem Handelsvertreter Provisionen entgehen (RV 578 BlgNR 18.GP 15; Weilinger aaO 56; Tschuk, Der Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, 31 f; in diesem Sinn auch Viehböck aaO 224).
Bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs im Einzelfall hat sich der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht mit dem Verhältnis des § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG zu Abs 4 dieser Bestimmung befasst. Abs 1 legt die Anspruchsvoraussetzungen fest ("wenn") und formuliert zugleich eine betragliche Beschränkung des Ausgleichs ("soweit"). Abs 4 dieser Bestimmung ordnet an, dass der Ausgleich - mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung - höchstens eine aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre berechnete Jahresvergütung beträgt.
Bei Anwendung der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 89b dHGB vertritt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Lehre in Deutschland die Auffassung, Bemessungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs seien allein die Vorschriften des § 89b Abs 1 Nr 1 bis 3 dHGB; der in § 89b Abs 2 geregelte Höchstbetrag diene ausschließlich der Begrenzung des (zunächst) nach Abs 1 zu ermittelnden und ziffernmäßig zu bestimmenden Ausgleichsbetrags, wenn dieser höher sein sollte. Es dürfe daher erst nach der gemäß § 89 Abs 1 Nr 1 bis 3 erforderlichen Beurteilung geprüft werden, ob der Ausgleichsanspruch nach Maßgabe des Abs 2 zu begrenzen sei. Demnach seien Unternehmensvorteile und Provisionsverluste und auch Gesichtpunkte bei Beurteilung der Billigkeit im Rahmen des § 89b Abs 1 zu prüfen und erst danach festzustellen, ob der zuzubilligende Ausgleich eine durchschnittliche Jahresprovision übersteigt oder nicht (BB 1992, 2385 mwN; NJW 1997, 655). Dieses vom Bundesgerichtshof angewendete zweistufige Verfahren wird auch von der deutschen Lehre gefordert (Schlegelberger, dHGB5 Rz 23a zu § 89b; Brüggemann in Großkommentar dHGB4 Rz 81 zu § 89b; Münchener Kommentar dHGB Rz 125 ff zu § 89b; Küstner/von Manteuffel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts II6, Rz 950; Hopt, Handelsvertreterrecht2 Rz 49 zu § 89b).
Im Anschluss an Lehre und Rechtsprechung in Deutschland vertritt auch die Lehre in Österreich die Auffassung, der Ausgleichsanspruch sei im Gegensatz zum Entschädigungsanspruch nach § 25 HVG in einem zweistufigen Verfahren zu bemessen: Anhand der im § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG angeführten Kriterien sei zunächst ein der Billigkeit entsprechender "Rohausgleich" zu ermitteln und dieser zum höchstzulässigen Ausgleich nach Abs 4 in Bezug zu setzen. Liege der "Rohausgleich" über der Höchstgrenze, sei der Ausgleichsanspruch auf diese zu reduzieren, sei er hingegen geringer, spiele die Höchstgrenze keine Rolle, der Handelsvertreter habe Anspruch auf den Ausgleich in Höhe des errechneten Rohausgleichs (Viehböck aaO 225 f; Tschuk aaO 98 ff).
Der erkennende Senat teilt diese von der österreichischen Lehre in Anschluss an Lehre und Rechtsprechung in Deutschland zu § 89b dHGB vertretene Auffassung:
Grundlage der Bemessung des Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters nach § 24 HVertrG sind allein die in Abs 1 Z 1 bis 3 angeführten Kriterien. Der Höchstbetrag des Abs 4 dient ausschließlich der Begrenzung des zunächst nach Abs 1 zu ermittelnden und ziffernmäßig zu bestimmenden Ausgleichsbetrages, wenn dieser höher sein sollte.
Schon Inhalt und Systematik des § 24 HVertrG lassen erkennen, dass der Ausgleichsbetrag zunächst anhand der Kriterien des Abs 1 Z 1 bis 3 angemessen und der Billigkeit entsprechend zu ermitteln und erst danach zu prüfen ist, ob der so bemessene Betrag den im Abs 4 festgelegten Höchstbetrag übersteigt und dementsprechend herabzusetzen ist. So normiert § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 zunächst jene Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, um einen Ausgleichsanpruch entstehen zu lassen. Gleichzeitig nehmen sie insoweit eine (betragliche) Beschränkung des (entstandenen) Anspruchs vor, als dieser nur "soweit" gebührt, als die dort angeführten Kriterien zum Tragen kommen. Abs 1 ist somit allein Bemessungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs, wobei Fragen der Angemessenheit und der Billigkeit bereits in die nach Z 1 bis 3 anzustellenden Überlegungen einzufließen haben. Der nachfolgende Abs 2 HVertrG bekräftigt, dass der Ausgleich auch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Tod besteht, sofern die Vorausetzungen nach Abs 1 vorliegen, während Abs 3 jene Fälle anführt, in denen ein Ausgleichsanspruch nicht besteht. Danach legt Abs 4 eine Höchstgrenze fest, ohne auf Fragen der Angemessenheit oder der Billigkeit Bezug zu nehmen. Abs 5 enthält eine Frist zur Geltendmachung bei sonstigem Verlust des Anspruches. Die hier gewählte Systematik des Gesetzgebers lässt den Schluss zu, dass Fragen der Angemessenheit oder Billigkeit im Rahmen der schon im Abs 1 vorgesehenen Überlegungen zu prüfen sind und Abs 4 ausschließlich der Begrenzung des so bemessenen Ausgleichsbetrages dient.
Aus dem Hinweis der Revision auf Rechtsprechung zu § 25 HVG, wonach die Angemessenheit der Entschädigung innerhalb des gesetzlichen Höchstbetrags zu beurteilen ist, lässt sich zur hier relevanten Frage einer zweistufigen Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG nichts gewinnen. Zum einen enthielt § 25 HVG keine dem § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG vergleichbaren Berechnungskriterien. Zum anderen verwies der Gesetzgeber in § 25 HVG auch im Zusammenhang mit der Beschränkung auf einen Höchstbetrag auf das Erfordernis der Angemessenheit.
Unter Anwendung der schon von der Lehre geforderten zweistufigen Berechnung hat das Berufungsgericht daher zu Recht den Ausgleichsanspruch zunächst unter Heranziehung der Kriterien des § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG beurteilt und schließlich - weil diese Beurteilung ein über dem höchstzulässigen Ausgleich liegendes Ergebnis erbrachte - den Anspruch der Klägerin auf die durchschnittliche Jahresprovision reduziert. Es hat dabei die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beachtet. Danach trägt der Handelsvertreter die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen. Gelingt ihm - wie hier - der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, trifft ihn für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung. Demgegenüber trifft den Unternehmer die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen (wobei es auch auf potentiell erzielbare Vorteile ankommt, 8 ObS 182/99v; 8 ObS 183/99s; RIS-Justiz RS0112456; RV 578, BlgNR 18.GP 15) im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden (SZ 71/65; JBl 1997, 262; 8 ObS 183/99s; RIS-Justiz RS0106003) und das im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung stehende Umstände die Nachteile des Handelsvertreters mindern (Tschuk aaO 177).
Die zur Höhe des Ausgleichsanspruchs dargelegten Überlegungen des Berufungsgerichtes begegnen keinen Bedenken.
Die Klägerin hat den Beweis für die Zuführung neuer Kunden und die mit diesen getätigten Geschäftsabschlüssen erbracht. Demgegenüber konnte die Beklagte nicht unter Beweis stellen, dass ihre durch die Klägerin geschaffenen Verdienstchancen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden, steht doch fest, dass sie mit allen Kunden weiterhin in geschäftlichem Kontakt steht und damit die von der Klägerin geschaffenen Geschäftsverbindungen weiterhin gewinnbringend nützen kann. Dass die Klägerin durch die Aufkündigung des Vertragsverhältnisses Provisionseinbußen hinnehmen muss, ist evident und wird von der Revisionswerberin auch nicht mehr bestritten. Sie vertritt jedoch die Auffassung, aus Billigkeitsüberlegungen dürfe der Ausgleichsanspruch nicht mit mehr als 50 % des gesetzlichen Höchstbetrags nach § 24 Abs 4 HVertrG bemessen werden.
Das Berufungsgericht hat zutreffend zunächst die Anspruchsvoraussetzungen nach § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG geprüft und eine Prognose über die Höhe der der Beklagten aus der Vertragsbeendigung entstehenden Verluste erstellt. Dabei hat es (ausgehend von den Provisionseingängen des Jahres 1998) den auf Preisreduktionen zurückzuführenden Umsatzrückgang des Jahres 1999 von 25 % genauso als dauerhaft berücksichtigt wie die nach den Behauptungen der Beklagten aus der Vertragsauflösung resultierende Ersparnis der Klägerin von 100.000 S monatlich. Unter weiterer Annahme einer 20 %igen Abwanderung von Kunden pro Jahr (und damit einer Auflösung des Kundenstocks im fünften Jahr) und eines Kapitalisierungszinssatzes von 5 % ermittelte es die Provisionsverluste für einen Zeitraum von insgesamt vier Jahren nach Vertragsauflösung mit über 8,000.000 S. Diesen Betrag kürzte es entsprechend § 24 Abs 4 HVertrG, sodass die Klägerin den danach zulässigen Höchstbetrag zugesprochen erhielt. Diese Bemessung steht mit den gesetzlichen Kriterien in Einklang und trägt auch dem Grundsatz der Billigkeit angemessen Rechnung. Sowohl die vom Berufungsgericht angenommene Abwanderungsquote von 20 % pro Jahr, womit sich der Kundenstock im fünften Jahr nach Vertragsbeendigung auflöst, als auch die Berücksichtigung der von der Beklagten bloß behaupteten erheblichen monatlichen Ersparnis der Klägerin erscheint (auch) aus Billigkeitsüberlegungen sachgerecht. Hingegen können weder die lange Vertragsdauer noch die Höhe der vereinbarten Provision einen Billigkeitsabschlag begründen (Tschuk aaO 69). Der aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen eingetretene Markteinbruch in Deutschland und der damit verbundene Umsatzrückgang fand schon bei der Berechnung des Provisionsentganges und der durchschnittlichen Jahresprovision Berücksichtigung.
Dass die Beklagte seit 1996 im Einvernehmen mit der Klägerin Großkunden in Deutschland mitbetreute, hat mangels gegenteiliger Vereinbarung weder Einfluss auf den Provisionsanspruch der Klägerin noch auf den Entfall von Provisionen infolge Vertragsbeendigung. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Beklagte durch die Mitbetreuung ihrer Großkunden ein Vertrauensverhältnis zu diesen für den Zeitraum nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin aufbauen konnte, wodurch sie ihre Chance, diese Kunden auch nach dem Ausscheiden der Klägerin weiter betreuen zu können, sicherlich verbesserte. Die Mitbetreuung der Kunden kann daher den Ausgleichsanspruch der Klägerin aus Gründen der Billigkeit nicht mindern. Dass die Beklagte angesichts einer Vielzahl von Mitbewerbern und der Austauschbarkeit ihrer Produkte gezwungen ist, der Preisgestaltung besonderes Augenmerk zu schenken, ist kein sich aus der Vertragsbeendigung ergebender Umstand und kann schon deshalb nicht in die Billigkeitsüberlegungen einbezogen werden (Tschuk aaO 69).
Andere im Rahmen der Billigkeit und Angemessenheit des Ausgleichsanspruches zu berücksichtigende Umstände hat die Beklagte weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Insbesondere hat sie über den bei der Bemessung ohnehin berücksichtigten Umsatzrückgang hinaus nicht behauptet oder bewiesen, dass weitere darüber hinausgehende Umsatzrückgänge zu befürchten seien.
Bei Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände stehen dem vom Berufungsgericht ermittelten Provisionsentfall die aus der Beendigung des Vertragsverhältnisses erzielten Vorteile des Unternehmers (diese Provision nicht zahlen zu müssen) gegenüber. Dass der Geschäftsherr aus der Vertragsbeendigung geringere Vorteile ziehen konnte als der Handelsvertreter Provisionsverluste erleidet, ist nicht hervorgekommen, sodass auch von der Angemessenheit des schließlich zugesprochenen Höchstbetrages ausgegangen werden kann (§ 273 ZPO; zur Angemessenheitsprüfung vgl Tschuk aaO 106).
Der unberechtigten Revision der Beklagten wird ein Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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