OGH 6Ob230/02w

OGH6Ob230/02w12.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Georg N*****, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Barbara H*****, vertreten durch Dr. Martin Stock, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Feststellung der Unechtheit einer Urkunde, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 2. August 2002, GZ 6 R 147/02h-17, mit dem die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. April 2002, GZ 10 Cg 19/02-7, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Nachdem dem Kläger mit Beschluss des Erstgerichtes vom 28. 11. 2001, AZ 9 Nc 7/01y, die Verfahrenshilfe bewilligt worden war, brachte er, vertreten durch die bestellte Verfahrenshelferin Rechtsanwältin Dr. Bettina P*****, am 29. 1. 2002 die Klage auf Feststellung der Unechtheit einer als Vollmacht bezeichneten Urkunde ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dieses Urteil wurde der für den Kläger bestellten Verfahrenshelferin am 23. 4. 2002 zugestellt. Mit am 16. 5. 2002 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz teilte die Verfahrenshelferin mit, dass sie am 15. 5. 2002 bei der Salzburger Rechtsanwaltskammer die Enthebung als Verfahrenshelferin gemäß § 45 Abs 4 RAO und Bestellung eines anderen Verfahrenshelfers beantragt habe. Mit Bescheid der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 27. 5. 2002 wurde anstelle von Rechtsanwältin Dr. Bettina P***** Rechtsanwalt Dr. Ägidius Horvatits zum Verfahrenshelfer des Klägers bestellt. Das Erstgericht stellte diesem eine Urteilsausfertigung am 31. 5. 2002 zu. Am 21. 6. 2002 überreichte dieser Rechtsanwalt namens des Klägers eine Berufung gegen das Ersturteil.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Die vierwöchige Berufungsfrist habe mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung an Dr. Bettina P***** begonnen. Gemäß § 464 Abs 3 ZPO unterbreche zwar der (erstmalige) Antrag auf Verfahrenshilfe die Rechtsmittelfrist. Eine Partei, der im Rahmen der Verfahrenshilfe aber bereits ein Rechtsanwalt als Vertreter bestellt worden sei, könne durch einen neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwaltes nicht die Unterbrechung der im Lauf befindlichen Rechtsmittelfrist erreichen (4 Ob 1023/90 = EvBl 1990/161 [783]). Nach ständiger Rechtsprechung bewirke das infolge Umbestellung herbeigeführte Ausscheiden eines im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes, dass die noch im Lauf befindliche Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Dekrets über die Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes an diesen neu zu laufen beginne (4 Ob 1023/90; 7 Ob 504/92; RIS-Justiz RS0041698). Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung bewirke aber der innerhalb des Berufungsverfahrens gestellte Antrag des Verfahrenshelfers auf Enthebung noch nicht die Unterbrechung der Rechtsmittelfrist bis zur Entscheidung darüber (RIS-Justiz RS0034825). Der Verfahrenshelfer, der gemäß § 68 Abs 2 ZPO den Antrag stelle, der Partei die Verfahrenshilfe zu entziehen, sei gemäß § 68 Abs 4 ZPO weiterhin verpflichtet, für die Partei zu handeln, soweit dies nötig sei, um sie vor Nachteilen zu schützen; zum Schutz der Partei sei eine Unterbrechung der Berufungsfrist daher nicht erforderlich. Erst die Zustellung des Beschlusses, womit das Gericht die Verfahrenshilfe entziehe, unterbreche die Berufungsfrist. Eine Unterbrechung auf Grund eines Entziehungsantrages sei im Gesetz nicht vorgesehen (7 Ob 683/90; 2 Ob 529/92). Nichts anderes gelte aber, wenn der Verfahrenshelfer nicht die Entziehung der Verfahrenshilfe bei Gericht beantrage, sondern die Enthebung von der Vertretung und damit die Umbestellung durch die Rechtsanwaltskammer begehre. Eine Umbestellung nach § 45 Abs 4 RAO finde statt, wenn der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung wegen Kollision (Doppelvertretung), weil er in dieser Sache als Richter oder Staatsanwalt tätig war oder wegen Befangenheit nicht übernehmen könne. Denkbar sei hier - weil die Verfahrenshelferin die Umbestellung erst während des Rechtsmittelverfahrens beantragt habe - nur ein Fall der Befangenheit. Trotz Vorliegens eines Befangenheitsgrundes seien aber dringende Angelegenheiten, wozu jedenfalls bei drohendem Fristablauf die Erhebung eines Rechtsmittels gehöre, noch von der davon betroffenen Person vorzunehmen, wie sich aus § 25 JN (Befangenheit gerichtlicher Organe) ergebe. Aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen, dass die mit dem Wechsel gemäß § 45 RAO eintretende Ungültigkeit der Zustellung einer Urteilsausfertigung an den (früheren) Verfahrenshelfer den Lauf der Rechtsmittelfrist verhindere (RIS-Justiz RS0072501; zuletzt 14 Os 19/02), sei daher für den Berufungswerber nichts zu gewinnen.

Rechtliche Beurteilung

Der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässige Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat im angefochtenen Beschluss die Rechtslage umfassend und zutreffend dargestellt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen, dass bei einem durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorgenommenen Wechsel in der Person des Verfahrenshilfevertreters die Rechtsmittelfrist (nur dann) vom Tag der Zustellung des Umbestellungsbeschlusses (und der anzufechtenden Entscheidung) an den neuen Verfahrenshelfer zu laufen beginnt, wenn die Umbestellung während der Rechtsmittelfrist erfolgt ist (RIS-Justiz RS0041698). Auch den diesbezüglichen Entscheidungen der Strafsenate des Obersten Gerichtshofes, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat (RIS-Justiz RS0072501; zuletzt 14 Os 19/02), betrafen jeweils eine Umbestellung während einer offenen Frist und brachten keineswegs zum Ausdruck, dass bereits der Antrag auf Umbestellung nach § 45 Abs 4 RAO die Unwirksamkeit der Zustellung an den antragstellenden Rechtsanwalt und den neuerlichen Beginn des Fristenlaufes bewirkt. Für eine beantragte Umbestellung kann nichts anderes gelten als für einen Antrag des Verfahrenshelfers auf Enthebung gemäß § 68 ZPO, dem die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Ablehnung älterer gegenteiliger Entscheidungen (2 Ob 683/57 = JBl 1958, 209; 6 Ob 191/60; SZ 51/59), auf die sich der Rekurswerber stützt, keine Unterbrechungswirkung zuerkennt (7 Ob 683/90; 2 Ob 529/92; vgl RIS-Justiz RS0034825; RS0036170). Selbst durch eine Verzögerung in der Entscheidungsfindung der Rechtsanwaltskammer kann ein Nachteil für die durch einen Verfahrenshelfer vertretene Partei nicht entstehen, weil dieser bis zur Rechtskraft seiner Enthebung und entsprechend bis zur Umbestellung ohnehin berechtigt und verpflichtet bleibt, für die Partei zu handeln, soweit dies nötig ist, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen (vgl § 68 Abs 4 ZPO).

Das Oberlandesgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufungsfrist mit der Zustellung des Ersturteiles an die ursprüngliche Verfahrenshelferin am 23. 4. 2002 zu laufen begann, durch deren Umbestellungsantrag nicht unterbrochen wurde und daher am 21. 5. 2002 endete. Der Umbestellungsbescheid vom 27. 5. 2002 und die Zustellung dieses Bescheides sowie der Urteilsausfertigung an den neuen Verfahrenshelfer setzten die bereits abgelaufene Berufungsfrist nicht wieder in Gang.

Der die Berufung zurückweisende Beschluss des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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