OGH 6Ob105/02p

OGH6Ob105/02p16.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Philipp W*****, und der mj. Lisa W*****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge Bezirke 17, 18 und 19, Gatterburggasse 14, 1190 Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Jänner 2002, GZ 45 R 47/02y, 45 R 48/02w-125, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 12. Oktober 2001, GZ 3 P 1646/95p-114 und 115, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen des Erstgerichtes wieder hergestellt werden.

Text

Begründung

Der Vater ist aufgrund eines Beschlusses des Erstgerichts vom 20. 1. 1997 (ON 69) zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 6.500 S für Philipp und 5.500 S für Lisa verpflichtet. Der Unterhaltsbemessung lag ein monatliches Einkommen von rund 44.000 S im Jahr 1994 bis Anfang 1995 und von rund 50.000 S im Jahr 1996 zugrunde. Bis 30. 6. 1997 war der Vater auch für seine geschiedene Gattin sorgepflichtig. Nach einer befristeten Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltspflicht im Jahr 1998 und Gewährung von Haftvorschüssen nach § 4 Z 3 UVG in Höhe des Richtsatzes gewährte das Erstgericht den Kindern mit Beschluss vom 21. 10. 1998 für die Zeit vom 1. 9. 1998 bis 31. 8. 2001 aufgrund des Unterhaltstitels ON 69 reduzierte Unterhaltsvorschüsse im Sinn des § 7 UVG von je 2.700 S monatlich. Dabei ging es von einer errechneten Bemessungsgrundlage von monatlich etwa 15.000 S aus.

Am 18. 9. 2001 beantragten die Minderjährigen die Weitergewährung dieser Vorschüsse gemäß § 18 UVG. Sie machten geltend, es bestünden keine Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 2 ff UVG, weil die Pfändung auf den Pensionsvorschuss beim AMS und aus der geringfügigen Beschäftigung negativ verlaufen sei. Der Vater müsse über nicht bekanntes Einkommen verfügen, um seine Grundbedürfnisse befriedigen zu können.

Das Erstgericht gewährte die Unterhaltsvorschüsse antragsgemäß weiter.

Das Rekursgericht änderte ab und wies den Antrag auf Weitergewährung ab. Eine Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse sei nur dann möglich, wenn sich die Voraussetzungen der Gewährung nicht geändert hätten. Im vorliegenden Fall habe sich sowohl der vorliegende Sachverhalt als auch der Rechtsgrund der Vorschussgewährung geändert. Im Zeitpunkt der erstmaligen Gewährung der reduzierten Titelunterhaltsvorschüsse habe der Unterhaltsschuldner Arbeitslosengeld bezogen und Anspruch auf Familienzuschläge gehabt. Rechtsgrund des Zuspruchs sei offenkundig § 4 Z 1 UVG, nämlich die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung gewesen. Dem gegenüber werde der Weitergewährungsantrag auf einen Pensionsvorschuss und ein Einkommen aus geringfügiger Nebenbeschäftigung gestützt und ausgeführt, dass eine Pfändung dieser Einkünfte erfolglos geblieben sei. Daraus ergebe sich, dass die Antragsteller den Weitergewährungsantrag auf den Vorschussgrund des § 3 Z 2 UVG stützten. Die Voraussetzungen der seinerzeitigen Vorschussgewährung seien daher nicht mehr gegeben.

Das Rekursgericht sprach (in der Urschrift seiner Entscheidung) aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen in Fällen fehle, in denen seinerzeit die Aussichtslosigkeit der Exekution (§ 4 Z 1 UVG) Vorschussgrund gewesen sei, während als Grund für die Weitergewährung die Erfolglosigkeit einer versuchten Exekution (§ 3 Z 2 UVG) herangezogen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass - im Gegensatz zu den Ausfertigungen - die Urschrift der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit ihrer Begründung den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses enthält. Auch die Revisionsrekurswerber sind von der Zulässigkeit ausgegangen. Ihr Revisionsrekurs kann daher als ordentliches Rechtsmittel behandelt werden, ohne dass zuvor eine Berichtigung der Beschlussausfertigungen vorgenommen werden müsste.

Unterhaltsvorschüsse sind gemäß § 18 Abs 1 Z 2 UVG weiterzugewähren, wenn keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Voraussetzungen ihrer Gewährung (ausgenommen die des § 3 Z 2) weiter gegeben sind. Nach Lehre und Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz setzt die Weitergewährung eine Identität des Vorschussgrundes voraus (Neumayr in Schwimann ABGB² Band 1, UVG § 18 Rz 2; EFSlg 69.528). Im vorliegenden Fall stützte sich der ursprüngliche Antrag auf Vorschussgewährung auf § 4 Z 1 UVG, somit auf die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung bei vorhandenem Unterhaltstitel. Der Verlängerungsantrag nimmt auf die Ergebnislosigkeit einer versuchten Exekution im Sinn des § 3 Z 1 und 2 UVG Bezug. Das Rekursgericht hat die erforderliche Übereinstimmung der damit geltend gemachten Vorschussgründe verneint. Seiner Auffassung ist nicht zu folgen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Unterschied zwischen den Vorschussgründen nach § 3 Z 2 UVG und nach § 4 Z 1 UVG nur darin liegt, dass bei letzterem das Erfordernis des erfolglosen Versuchs einer Exekution wegfällt (EvBl 1995/10; 4 Ob 353/97h; 2 Ob 241/01g; zuletzt 7 Ob 194/01g; RIS-Justiz RS0108900). Lehre und Rechtsprechung beurteilen den Vorschussgrund des § 4 Z 1 UVG als Sonderfall zur Grundsatzbestimmung des § 3 UVG (Haselberger, Unterhaltsvorschussgesetz § 3 Anm 1; Neumayr UVG § 4 Rz 1; 4 Ob 353/97h; 2 Ob 241/01g; RIS-Justiz RS0108900), wobei nach § 4 Z 1 UVG die Exekutionsführung als Voraussetzung einer Vorschussgewährung dann erspart bleiben soll, wenn bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen muss. Gerade diese (im Zeitpunkt der früheren Gewährung der Unterhaltsvorschüsse gegebene) Voraussetzung wird im vorliegenden Fall aber auch durch die im Antrag auf Weitergewährung angeführte erfolglose Exekution erfüllt. Die Erfolglosigkeit der Exekutionsführung ergibt geradezu zwingend die in § 4 Z 1 UVG geforderte Aussichtslosigkeit und damit jene Voraussetzung, die bereits bei Gewährung der früheren Unterhaltsvorschüsse ausschlaggebend war.

Dass der ursprüngliche Vorschuss durch § 4 Z 1 UVG begründet war, steht daher einer Weitergewährung nicht entgegen, die auf die Erfolglosigkeit einer zwischenzeitig versuchten Exekution im Sinn des § 3 Z 2 UVG gestützt wird.

Die Voraussetzungen für eine Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse sind daher zu bejahen. Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass die Entscheidungen des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

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