OGH 7Ob73/02i

OGH7Ob73/02i29.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Walter C*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Liebscher Hübel & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 2,800.000 = EUR 203.483,94 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2001, GZ 6 R 143/01y-26, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. Mai 2001, GZ 22 Cg 204/00t-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.206,08 (darin enthalten EUR 367,68 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei eine Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme von S 2,000.000 abgeschlossen, die auch dauernde Invalidität umfasst. Laut Versicherungsvertrag ist ab einem Invaliditätsgrad von 50 % für den 50 % übersteigenden Teil die dreifache Leistung zu erbringen; bei Invalidität im Ausmaß von 80 % ergibt sich daher ein Anspruch von 140 % der Versicherungssumme, ds S 2,800.000.

Dem Versicherungsvertrag lagen zum Unfallszeitpunkt die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1989) zugrunde, die ua folgende Bestimmungen enthalten (besondere Hervorhebung der hier maßgeblichen Bestimmung durch den erkennenden Senat):

Art. 17

Ausschlüsse

Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle

1. bei der Benützung von Luftfahrtgeräten und bei Fallschirmabsprüngen sowie bei der Benützung von Luftfahrzeugen, soweit sie nicht unter die Bestimmung des Art. 6, Pkt. 4. fällt;

2. die bei Beteiligung an motorsportlichen Wettbewerben (auch Wertungsfahrten und Rallyes) und den dazugehörenden Trainingsfahrten entstehen;

3. bei der Teilnahme an Landes-, Bundes- oder internationalen Wettbewerben, bei denen eine körperliche Leistung im Vordergrund steht, sowie am offiziellen Training für diese Veranstaltungen;

4. die beim Versuch oder der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen durch den Versicherten eintreten, für die Vorsatz Tatbestandsmerkmal ist;

5. die unmittelbar und mittelbar mit Kriegsereignissen jeder Art zusammenhängen;

6. durch innere Unruhen, wenn der Versicherte daran auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat;

7. die mittelbar oder unmittelbar

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht gegeben, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO an sich keiner weiteren Begründung bedarf. Ganz kurz sei lediglich bemerkt, dass der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der Beweiswürdigungsrüge der Beklagten nicht befasst, unzutreffend ist. Soweit die Beklagte auch in der Revision als Verfahrensmangel rügt, dass die von ihr angestrebte neuerliche Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen unterblieb, ist sie darauf hinzuweisen, dass die neuerliche Geltendmachung eines Verfahrensmangels dem Revisionswerber versagt ist. Wurde ein Mangel erster Instanz in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann dieser Mangel nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (SZ 53/12 = JBl 1981, 268 mwN) oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (SZ 38/120; SZ 53/12 ua; Kodek aaO), was aber hier beides nicht zutrifft. In ihrer Rechtsrüge hält die Beklagte daran fest, dass die "Herzinfarktklausel" des Art 17 Pkt 8. AUVB 1989 dahin ausgelegt werden müsse, dass Herzinfarkt zwar als Unfallsursache versichert, als Unfallsfolge aber vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (VR 1992/277; VR 1992/284; RIS-Justiz RS0050063 mwN, zuletzt etwa 7 Ob 115/01i; 7 Ob 103/01z und 7 Ob 168/01h). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (VR 1990, 57 = RdW 1989, 329 [Schauer]; VR 1992, 88; ecolex 1994, 610; 7 Ob 147/00v; 7 Ob 41/01g uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinne des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen (7 Ob 2136/96k mwN, RIS-Justiz RS008901 [T 12]; zuletzt etwa 7 Ob 103/01z; Rummel in Rummel3 Rz 13 zu § 864a mwN). Unzulässig ist es, etwa neuere Fassungen von AVB zur Auslegung älterer AVB heranzuziehen (7 Ob 54/87, VersE 1363 = VR 1998/129 = VersR 1989, 315; vgl 7 Ob 37/89, VersE 1451 = VersR 1990, 445 = VR 1990/198 = JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = SZ 62/168; Fenyves, zur "Herzinfarkt-Klausel" der Privaten Unfallversicherung, FS Krejci II, 1153 [1157]).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen zu billigen: Im Gegensatz zur betreffenden Nachfolgebestimmung der AUVB 1995 wurde es in den AUVB 1989 unterlassen, dem Art 17 Pkt 8., zweiter Halbsatz, durch Setzung eines Beistrichs eine klare, unmissverständliche Fassung zu geben. Durch Setzung des Beistrichs ist nämlich der Satz "Herzinfarkt ist als Unfallursache, nicht aber als Unfallfolge versichert" in den AUVB 1995 grammatikalisch eindeutig dahin zu verstehen, dass Herzinfarkt als Unfallursache wohl, nicht jedoch als Unfallsfolge vom Versicherungsschutz umfasst sei. Mangels einer Beistrichsetzung in den AUVB 1989 ist - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - durchaus auch eine Lesart möglich, wonach Herzinfarkt als Unfallursache nicht, aber (sehr wohl) als Unfallsfolge versichert sei. Eine solche Auslegung wird entgegen der Meinung der Beklagten also durch die Verwendung des Wortes "aber" keineswegs verhindert. Indizien, die eine solche Lesart so wenig wahrscheinlich machten, dass sie aus der objektiven Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers ausgeschlossen werden könnte, sind nicht zu erkennen. Insbesondere kann auch aus systematischen Erwägungen und auch aus dem Blickwinkel des einem objektiven Betrachter erkennbaren Zwecks dieser Bestimmung keine eindeutige Schlussfolgerung dahin gezogen werden, dass nur ein Ausschluss des Herzinfarkts als Unfallsfolge, nicht aber als Unfallsursache in Betracht käme. Die damit gegebene Unklarheit muss im Sinne des § 915 ABGB zweiter Halbsatz zu Lasten des beklagten Versicherungsunternehmens gehen. Im Zweifel genießt also nach den AUVB 1989 Herzinfarkt (auch) als Unfallsfolge Versicherungsschutz.

Zu erwähnen ist noch, dass Fenyves in seinem bereits erwähnten Beitrag in der Festschrift Krecij hinsichtlich der "Herzinfarkt-Folgenklauseln" der AUVB 1995 (also "mit Beistrich), im Wege der systematisch-teleologischen Interpretation und auch über eine Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB, mit sehr beachtenswerten und vom erkennenden Senat geteilten Argumenten zum (auch auf die insoweit ganz vergleichbaren AUVB 1989 anwendbaren) Ergebnis kommt, dass selbst die "Herzinfarkt-Folgenklausel" des Art 17 Z 8 AUVB 1995 (die nach der reinen Wortinterpretation Versicherungsdeckung für Herzinfarkt als Unfallfolge kategorisch ausschließt) einschränkend dahin zu verstehen ist, dass sich der Deckungsausschluss auf jene Fälle beschränkt, in denen ein Herzinfarkt als Unfallfolge anlagebedingt ist. Eine derartige Herzinfarktsprädisposition war hier nicht feststellbar.

Die Vorinstanzen haben demnach die Deckungspflicht der Beklagten betreffend die aus dem unfallskausalen Herzinfarkt resultierende Invalidität des Klägers ohne Rechtsirrtum bejaht. Die Anspruchshöhe bildet keinen Streitpunkt. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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