OGH 8Ob63/02a

OGH8Ob63/02a18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Regina R*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Fritz R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2001, GZ 45 R 561/01k-70, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999 (EheRÄG 1999), BGBl I Nr. 125/1999, trat gemäß seinem Art VII Z 1 mit 1. Jänner 2000 in Kraft. Gemäß Z 4 dieser Übergangsbestimmung sind die mit dieser Novelle neu geschaffenen §§ 68a und 69b EheG auf Unterhaltsansprüche auf Grund von Scheidungen anzuwenden, bei denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht geschlossen war. Wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1653 BlgNR 20.GP 35 f) ergibt, wurde für den Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs auf den Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz im Scheidungsverfahren abgestellt, weil den oftmals bereits dort getroffenen Dispositionen der Parteien nicht durch eine nachträgliche Rechtsänderung partiell der rechtliche Boden entzogen werden sollte (JBl 2001, 315; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999 [Teil II], ÖJZ 1999, 861). In Anbetracht dieser ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung vermag auch der grundsätzlich zutreffende Hinweis der Revisionswerberin, dass bei Dauerrechtsverhältnissen, wie der wechselseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes verwirklichten Tatbestände nach der neuen Gesetzeslage zu beurteilen wären (RIS-Justiz RS0008715), hinsichtlich dieser beiden Gesetzesbestimmungen nicht durchzuschlagen (vgl JBl 2001, 315).

§ 68 EheG wurde mit dem EheRÄG 1999 dahin novelliert, dass die Wortfolge "...und der nach § 71 unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen..." zu entfallen hat. Nach der ab 1. Jänner 2000 bestehenden Rechtslage ist somit bei Bemessung des Ehegattenunterhalts gemäß § 68 EheG auf die allfällige Unterhaltspflicht von Verwandten nicht mehr Bedacht zu nehmen. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass das mögliche Bestehen vorrangiger Leistungspflichten von Verwandten hier nicht entscheidungswesentlich ist, weshalb die Frage der Berücksichtigung der Novelle trotz Einbringung der Klage vor dem 31. 12. 1999 für die nach diesem Zeitpunkt fällig werdenden Unterhaltsbeträge (vgl dazu JBl 2001, 315) auf sich beruhen kann. Der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG ist ein solcher, der auf gesetzlicher Grundlage beruht, wenngleich der bedürftige geschiedene Ehegatte nur einen Beitrag zu seinem Unterhalt nach Billigkeit verlangen kann. Nur wenn sich ein Ehegatte "nicht selbst unterhalten kann", soll ihm ausnahmsweise ein Unterhaltsbeitrag zustehen (SZ 34/71; SZ 54/140; Zankl in Schwimann ABGB I2 § 68 EheG Rz 1). Der Bezug von Sozialhilfe steht dabei dem Billigkeitsunterhalt grundsätzlich nicht entgegen (SZ 60/71; EvBl 1989/142). Unerheblich für die Beurteilung sind Verfehlungen während der Ehe oder der Umstand, welcher Ehegatte die Zerrüttung eingeleitet hat. Von Bedeutung können allerdings die Dauer der Ehe und der Grund der Selbsterhaltungsunfähigkeit des Unterhaltsansprechers sein (Zankl aaO Rz 7 mwH). Es schlägt zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten aus, wenn er seine Bedürftigkeit durch fahrlässiges Verhalten oder durch die Übernahme besonderer Risken herbeigeführt hat (Zankl aaO § 67 EheG Rz 13), ist doch selbst der nach 66 EheG Unterhaltsberechtigte im Umfang der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet (SZ 66/114; 6 Ob 219/98v ua). Die zur "Anspannung" Unterhaltspflichtiger entwickelte Rechtsprechung (so etwa RIS-Justiz RS0047503; RS0047579) kommt daher sinngemäß zur Anwendung.

Der Grundsatz, dass die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz für die zu treffende Entscheidung maßgebend sind, gilt auch dann, wenn es sich um einen Anspruch auf künftig fällig werdenden Unterhalt handelt. Auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen ist nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0041080; RS0041161). Für diesen Zeitpunkt steht aber fest, dass die Klägerin zwei konkrete Stellenangebote nicht weiter verfolgt hat. Schon die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass der Umstand, dass die Angebote durch Vermittlung des Beklagten zu Stande kamen, diese nicht als bloße Scheinangebote ausweist, musste doch der Beklagte besonderes Interesse daran haben, dass die Klägerin einen dauerhaften, ihn von seiner allfälligen Unterhaltspflicht entlastenden, Arbeitsplatz erhält. Der von der Klägerin befürchtete baldige Verlust des Arbeitsplatzes konnte sie von einer entsprechenden Nachfrage schon deshalb nicht entbinden, weil jede nachträgliche Sachverhaltsänderung, die eine Neufestsetzung des Unterhalts rechtfertigt, zulässiger Anlass für eine neue Klage wäre (RIS-Justiz RS0047202), sie somit einen endgültigen Anspruchsverlust durch den Arbeitsantritt nicht zu befürchten hatte. Auch die angeschlagene Gesundheit der Klägerin, die ihr nur weitestgehend im Sitzen ausgeübte Tätigkeiten erlaubt, machte trotz der unklaren Formulierung des ersten Stellenangebots (.."im Reinigungsdienst bzw als Objektleiterin oder ähnliches...) zumutbare Nachforschungen nicht schlechthin entbehrlich, ist dem Schreiben doch jedenfalls das Vorliegen einer Mehrzahl offener Stellen zu entnehmen. Die einzelfallbezogene Sachverhaltsbeurteilung durch die Vorinstanzen beruht daher jedenfalls nicht auf einer groben Verkennung der Sach- und Rechtslage, die eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderlich machte.

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