OGH 10ObS101/02d

OGH10ObS101/02d16.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinz B*****, vertreten durch Dr. Alexander Hartenau, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2001, GZ 9 Rs 420/01b-54, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Juli 2001, GZ 5 Cgs 60/96g-51, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach der am 16. 10. 1941 geborene Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension ab 1. 12. 1995 gemäß § 133 Abs 2 GSVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verwiesen werden kann. Den Revisionsausführungen des Klägers ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in der gegenständlichen Sozialrechtssache nicht ein Fall des § 131c GSVG (vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit), sondern ein solcher im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG idF der 19. Novelle BGBl 1993/336 (in Kraft getreten am 1. 7. 1993) zu beurteilen ist. Als erwerbsunfähig gilt demnach ein Versicherter, der das 50. Lebensjahr vollendet hat (lit a) und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war (lit b), wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Der Gesetzgeber verfolgte - wie den Materialien in der Regierungsvorlage 933 BlgNR 18. GP 25 zu entnehmen ist - mit der Novellierung dieser Bestimmung die Absicht, "dass ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, so wie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50. Lebensjahr der Fall ist. Ein Tätigkeitsschutz soll zwischen dem 50. und dem 55. (nunmehr 57.) Lebensjahr weiterhin nicht bestehen."

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates ist unter der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes die ausführende Mitarbeit zu verstehen, die notwendig sein muss, um wirtschaftlich gesehen den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb rentabel aufrechtzuerhalten (RIS-Justiz RS0085905). Da das Gesetz von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung und nicht etwa von ihrer tatsächlichen Erbringung spricht, muss rückschauend geprüft werden, ob diese objektiv im Hinblick auf den betreffenden Betrieb auch erforderlich war. Insoweit kommt es, wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, also doch auf seinen konkreten Betrieb und nicht auf die Verhältnisse in einem "idealtypischen durchschnittlichen Pflastererbetrieb" an (SSV-NF 13/26; 13/117 ua).

Doch selbst wenn man mit den Ausführungen des Klägers und ganz offensichtlich auch mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes (vgl dazu die Ausführungen in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss ON 47) davon ausgeht, dass die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des konkreten Betriebes im Rahmen einer wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung notwendig war, ist für die Beurteilung der weiteren Frage, ob der Kläger außerstande ist, einer (nicht jener) selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübte Erwerbstätigkeit erfordert, zu bedenken, dass der Kläger im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG nach der bereits erwähnten Absicht des Gesetzgebers zwar einen Berufsschutz, jedoch keinen sogenannten "Tätigkeitsschutz" genießt (SSV-NF 13/26 mwN). § 133 Abs 2 GSVG stellt bezüglich der Prüfung der Möglichkeit der Weiterführung einer selbständigen Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) weder auf die konkret im Beobachtungszeitraum ausgeübte Tätigkeit noch auf die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlige neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 13/26 mwN ua).

Es hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass selbst im konkreten Betrieb des Klägers ohne personelle Änderung die Möglichkeit einer Umorganisation mit dem Ergebnis bestanden hätte, dass der Kläger zumindest im Ausmaß von 70 % seiner Arbeitsleistung mit nicht manuellen Arbeiten ausgelastet gewesen wäre. Berücksichtigt man weiters den Umstand, dass die Aufträge an das Unternehmen des Klägers nahezu ausschließlich von der Gemeinde Wien zu vorgegebenen Preisen erteilt wurden und dem gegenüber bei der Akquirierung von Aufträgen (auch) durch private Auftraggeber zweifellos mehr Zeit für dispositive Tätigkeiten (Auftragsakquisition, Betreuung der Kunden usw) erforderlich ist (vgl dazu auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. R***** insbesondere im Gutachten ON 27), wäre es auch nach Auffassung des erkennenden Senates lebensremd anzunehmen, dass es keine solchen Pflastererbetriebe gibt, die der Kläger mit 15 bis 20 Arbeitern und zwei bis drei Angestellten aufgrund seiner bisherigen Berufserfahrung auch ohne persönliche manuelle Mitarbeit wirtschaftlich lebensfähig führen könnte. Gegen diese Ansicht werden auch in den Revisionsausführungen, die sich fast ausschließlich auf den konkreten Betrieb des Klägers konzentrieren, keine stichhältigen Argumente vorgetragen. Das Gesetz stellt jedoch im Rahmen der Verweisung nach § 133 Abs 2 GSVG, wie bereits dargelegt, eben nicht auf die konkret ausgeübten selbständigen Tätigkeiten und die bisherige Betriebsstruktur ab (dies sind Umstände, die für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit nach § 131c GSVG von Bedeutung wären), sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Da der Kläger nach den dargelegten Grundsätzen nicht erwerbsunfähig im Sinn des § 133 Abs 2 GSVG ist (das Vorliegen des Versicherungsfalles des § 131c GSVG wird auch von der beklagten Partei anerkannt und es erhält der Kläger seit 1. 1. 1999 von der beklagten Partei Vorschüsse auf diese Pensionsleistung), wurde sein Klagebegehren vom Berufungsgericht mit Recht abgewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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