OGH 10ObS86/02y

OGH10ObS86/02y16.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika R*****, vertreten durch Dr. Gerold Haßlinger ua, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2001, GZ 7 Rs 262/01f-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. September 2001, GZ 32 Cgs 249/00g-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erlitt am 6. 7. 1998 im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit einen Arbeitsunfall, bei welchem sie sich einen Bruch des 6. Halswirbelkörpers, einen Bruch des linken Speichenköpfchens und eine Prellung des oberen Augenhöhlenrandes rechts zuzog. Die unfallsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt seit 1. 10. 1999 15 vH.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 16. 8. 2000 wurde der Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall anerkannt und der Klägerin eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH für die Zeit vom 7. 9. 1998 bis einschließlich 30. 9. 1999 zuerkannt. Ein über den 30. 9. 1999 hinausgehender Rentenanspruch wurde abgelehnt. Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß als Dauerrente auch über den 30. 9. 1999 hinaus.

Das Erstgericht stellte "den Unfall vom 6. 7. 1998 als Arbeitsunfall fest", erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Versehrtenrente im bescheidmäßig zuerkannten Umfang zu gewähren und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens (unterlassene Einholung eines unfallchirurgischen und berufskundlichen Gutachtens), hielt die festgestellte medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 15 vH ab 1. 10. 1999 in Anbetracht der vorliegenden Beweisergebnisse für unbedenklich und erachtete die Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Weiters verwies das Berufungsgericht darauf, dass das in Wiederholung des bekämpften Bescheides ergangene Feststellungsurteil zwar nicht der Bestimmung des § 82 Abs 5 ASGG, wonach bei Abweisung des Leistungsbegehrens festzustellen sei, ob die Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles sei, entspreche, doch sei die mangelnde Entscheidung über das Eventualbegehren, welche grundsätzlich einen Verfahrensmangel bewirke, nicht gerügt worden, weshalb es dem Berufungsgericht verwehrt sei, darauf einzugehen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens bzw Aufhebung des Urteiles und Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanzen. Die beklage Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ob die schon in der Berufung behaupteten und vom Berufungsgericht behandelten angeblichen Mängel des Verfahrens erster Instanz (unterlassene Einholung eines unfallchirurgischen und eines berufskundlichen Gutachtens) vom Gericht zweiter Instanz zutreffend verneint wurden, ist vom Revisionsgericht auch in einer Sozialrechtssache nicht zu prüfen (MGA, ZPO15 ENr 38 zu § 503 mwN ua).

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung enthielt die Berufung keine gehörig ausgeführte Rechtsrüge. Es wurde nämlich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes in keinem Punkt ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen bekämpft, sondern es wurden nur angebliche Stoffsammlungsmängel dargelegt. Aus diesem Grund hat das Berufungsgericht die Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zu Recht abgelehnt.

Im Übrigen liegt ein Anwendungsfall des § 82 Abs 5 ASGG nicht vor. Nach dieser Gesetzesstelle schließt ein auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gestütztes Leistungsbegehren das Eventualbegehren auf Feststellung ein, dass die geltend gemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, sofern darüber nicht schon abgesprochen worden ist. Diese Bestimmung steht in engem Zusammenhang mit § 65 Abs 2 zweiter Satz ASGG, wonach der Versicherte auf Feststellung klagen kann, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Die Regelung des § 82 Abs 5 ASGG stellt schon aus verfahrensökonomischen Gründen sicher, dass mit dem aufgrund eines Leistungsbegehrens vorgenommenen Verfahrensaufwand für die Zukunft - auch ohne diesbezügliches ausdrückliches Eventualbegehren - jedenfalls geklärt bleibt, ob die fragliche Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Erhebt daher ein Versicherter eine auf einen Arbeitsunfall oder auf eine Berufskrankheit gestützt Leistungsklage, dann schließt das darin geltend gemachte Leistungsbegehren automatisch ein Eventualbegehren ein, das auf Feststellung im Sinn des § 65 Abs 2 zweiter Satz gerichtet ist. Da ein Eventualbegehren immer nur unter der Bedingung als gestellt anzusehen ist, dass das Hauptbegehren abgewiesen wird, muss zuerst über das Leistungsbegehren entschieden werden. Wenn dem auf einen Arbeitsunfall oder auf eine Berufskrankheit gestützten Leistungsbegehren stattgegeben wird, erübrigt sich eine Entscheidung über das auf Feststellung im vorerwähnten Sinn gerichtete Eventualbegehren. Wenn aber das Leistungsbegehren mangels ausreichender Gesundheitsstörung abgewiesen wird, ist über das (eingeschlossene) Eventualbegehren zu entscheiden und festzustellen, ob die (wenn auch für eine Leistung nicht ausreichende) Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Eine für den Versicherten positive Entscheidung stellt für die Zukunft diese Folge - für die beiden Prozessparteien bindend - fest, sodass im Falle einer späteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes von diesem bereits rechtskräftig festgestellten Kausalzusammenhang von Amts wegen auszugehen ist (Kuderna, ASGG2 Anm 11 zu § 82 mwN ua). Voraussetzung für eine Entscheidung über das (gesetzlich fingierte) Eventualbegehren des § 82 Abs 5 ASGG in Sozialrechtssachen ist somit die Abweisung des Hauptbegehrens (Leistungsbegehrens) mangels ausreichender Gesundheitsstörung (vgl 10 ObS 267/98g ua; Fasching, ZPR2 Rz 759; Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 12 zu § 82 ua). Im vorliegenden Fall erfolgte jedoch im Rahmen der "Bescheidwiederherstellung" ohnehin ein Zuspruch einer Versehrtenrente an die Klägerin zur Abgeltung der Folgen des Arbeitsunfalls, wodurch nicht nur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bejaht wurde sondern zwischen den Parteien auch bindend festgestellt wurde, dass die von der beklagten Partei näher umschriebenen unfallskausalen Verletzungen Folge des Arbeitsunfalls sind und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im festgestellten Ausmaß zur Folge haben. Es bestand daher für das Erstgericht kein Anlass, im Sinn des § 82 Abs 5 ASGG bestimmte Beschwerden als Unfallfolgen festzustellen (vgl 10 ObS 11/01t; 10 ObS 423/98y ua).

Aufgrund dieser Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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