OGH 10ObS22/02m

OGH10ObS22/02m16.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Guido P*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Bundespensionsamt, 1031 Wien, Barichgasse 38, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. August 2001, GZ 7 Rs 153/01a-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. März 2001, GZ 24 Cgs 95/00a-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1953 geborene Kläger bezieht Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 auf Grund der Mindesteinstufung nach § 4a Abs 1 und 3 BPGG.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht verneinte zutreffend, dass beim Kläger die für eine Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6 erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, sodass auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach § 4 Abs 2 BPGG ist für die Erlangung von Pflegegeld der Stufe 6 neben dem hier auch strittigen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden pro Monat erforderlich:

1. zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen, die regelmäßig während des Tages und in der Nacht zu erbringen sind, oder

2. die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist.

Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Rechtsfrage, die ausgehend von den Feststellungen über die Bedürfnisse des Betroffenen im konkreten Fall zu beurteilen ist (SSV-NF 11/77; 10 ObS 259/01p ua). Mit seiner Ausführung, er verspüre wegen der Einnahme des Medikaments Cal-De-Granulat oft unvermittelt einen Toilettendrang, entfernt sich der Kläger von den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanzen.

Der beim Kläger vorliegende außergewöhnliche Pflegebedarf der Stufe 5 erfordert die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson (§ 6 EinstVzBPGG, BGBl II 1999/37). Dies ist dahin zu verstehen, dass der Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit den Pflegebedürftigen aufnimmt (SSV-NF 11/48 ua).

Gemäß § 7 EinstVzBPGG liegen zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen dann vor, wenn ein Pflegeplan wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung des pflegebedürftigen Menschen nicht eingehalten werden kann und die Betreuungsmaßnahme unverzüglich erbracht werden muss.

Dass es wegen der Wirkungen des Medikaments Cal-De-Granulat vorkommen kann, dass der Kläger für den Toilettengang rasch Hilfe benötigt, rechtfertigt nicht die Annahme der Verwirklichung der Anspruchsvoraussetzung nach Z 1 des § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG. Dieser Tatbestand verlangt neben dem Erfordernis zeitlich unkoordinierbarer Betreuungsmaßnahmen, dass diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind. Die bloße Möglichkeit, dass der Kläger wegen der Wirkung des Medikaments rasch Hilfe für den Toilettengang benötigt, schließt es aber aus, dass diese Hilfestellung regelmäßig, insbesondere während der Nachtstunden, das heißt nahezu jede Nacht, tatsächlich erbracht werden muss (SSV-NF 14/64, 14/42 je mwN; RV 1186 BlgNR 20. GP 11).

Es ist aber auch der Tatbestand nach der Z 2 im § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG nicht erfüllt. Das Gesetz knüpft die Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson im unmittelbaren Wohnbereich des Pflegebedürftigen während des Tages und der Nacht an die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung. Es reicht daher nicht aus, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass etwas passiert, dh etwas nur möglich ist (10 ObS 80/01i; SSV-NF 14/42; vgl RV 1186 BlgNR 20. GP 11). Nicht einmal eine Harn- und Stuhlinkontinenz reichen für sich allein aus, um die Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht zu begründen (SSV-NF 14/64). Umso weniger kann der Umstand allein genügen, dass es wegen der Wirkungen des Medikaments vorkommen kann, dass der Kläger für den Toilettengang rasch Hilfe benötigt, zumal die Verfahrensergebnisse und die Behauptungen des Klägers keinen Anhaltspunkt dafür geben, dass der Zeitpunkt der Einnahme des Medikaments nicht so gewählt werden kann, dass die Notwendigkeit der raschen Hilfestellung bei der Verrichtung der Notdurft nur während des Tages oder der Nacht gegeben ist.

Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen nach der Z 1 und der Z 2 des § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG für die Erlangung von Pflegegeld der Stufe 6 verneinten, ist der Revision ein Erfolg zu versagen, ohne dass geprüft werden muss, ob auch die weitere Voraussetzung eines Pflegebedarfs von durchschnittlich mehr als 180 Stunden pro Monat vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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