OGH 9ObA280/01v

OGH9ObA280/01v23.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Harald T*****, Versicherungsagent, ***** vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I*****GmbH *****, ***** vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen sfr 113.461,54 brutto sA (EUR 74.375,06) (Revisionsinteresse sfr 88.794,88 = EUR 6.452,98), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. August 2001, GZ 7 Ra 137/01y-25, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. März 2001, GZ 35 Cga 160/00p-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1815,13 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 302,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedenfalls zulässig. Zwar fallen Streitigkeiten, in denen nur strittig ist, ob zwischen den Parteien überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, nicht unter § 46 Abs 3 Z 1 ASGG (9 ObA 104/95; 8 ObS 2/97; 9 ObA 228/00w); Gegenstand des Verfahrens (auch des Verfahrens zweiter Instanz) war aber auch noch die Frage, wann und auf welche Weise (Ablauf der Vertragszeit oder vorzeitige Beendigung) ein allfälliges Arbeitsverhältnis geendet hat. Damit sind aber die Voraussetzungen des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG gegeben. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen sei als freier Dienstvertrag zu qualifizieren, ist zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Dass das Verhältnis der Streitteile auch Elemente enthielt, die für die Annahme eines abhängigen Arbeitsverhältnisses sprechen, hat das Berufungsgericht ohnedies hervorgehoben. Es hat allerdings zutreffend darauf verwiesen, dass diese Umstände (etwa die Tatsache, dass dem Kläger für das erste Jahr seiner Tätigkeit eine erfolgsunabhängige Entlohnung zugesichert wurde und dass er wöchentlich über die von ihm und seinen Mitarbeitern erzielten Umsätze berichten musste) die Annahme eines freien Dienstvertrages keineswegs ausschließen. Vor allem aber hat das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, dass die für das Vorliegen eines freien Dienstvertrags sprechenden Umstände an Gewicht bei weitem überwiegen: Der Kläger, der über einen Gewerbeschein als selbständiger Versicherungsagent verfügt, war in keine Betriebsorganisation eingebunden, er hatte kein Büro, hatte keinen Anspruch auf Spesenersatz und musste keine vorgegebenen Arbeitszeiten einhalten, und zwar weder in Bezug auf ein bestimmtes zeitliches Ausmaß noch in Bezug auf die Einhaltung vorgegebener Geschäftszeiten. Er war nicht zur Sozialversicherung angemeldet und bekam auch keine besonderen Anweisungen, wie er seine Tätigkeit durchzuführen hatte.

Seine Behauptung, man habe ihm den Abschluss eines Angestelltenvertrages zugesichert, hält der Kläger mittlerweile nicht mehr aufrecht. Er stützt sich nunmehr vor allem auf die Bestätigung Beil ./A, in der ihm bestätigt wurde, dass er als "Sales Manager angestellt ist". Schon das Berufungsgericht hat aber zu Recht darauf verwiesen, dass diese Bestätigung nach den Aussagen beider Teile (vgl die Angaben des Klägers S 48 des Aktes) vom Kläger mit der Begründung verlangt wurde, er brauche sie, um ein Auto leasen zu können. Dieser Bestätigung kommt daher die vom Kläger gewünschte Bedeutung nicht zu. Nach der Rechtsprechung sind von den Parteien gewählte Bezeichnungen des Vertrages für dessen Qualifikation als Arbeits- oder freier Dienstvertrag nicht entscheidend, wenn die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses mit der gewählten Bezeichnung nicht übereinstimmt (RIS-Justiz RS0111914; zuletzt 9 ObA 204/00h; vgl auch RIS-Justiz RS0014509; zuletzt 9 ObA 223/01m). Umso weniger kann die vom Kläger ins Treffen geführte Bestätigung zur Ermöglichung eines Leasinggeschäftes dazu führen, das Verhältnis der Streitteile, dass insgesamt deutlich von den Merkmalen des freien Dienstvertrages geprägt ist, als Arbeitsvertrag zu qualifizieren.

Dem Berufungsgericht ist überdies auch beizupflichten, dass der Kläger seine Behauptung, die Beklagte habe für die Dauer eines Jahres auf ihr Recht verzichtet, das Vertragsverhältnis zu kündigen, nicht bewiesen hat. Er stützt sich in diesem Zusammenhang ausschließlich auf den Umstand, dass ihm für das ersten Jahr seiner Tätigkeit, in dem er erst eine Vertriebsstruktur aufbauen sollte, eine Spesen- und Provisionsgarantie von sfr 10.000,- eingeräumt wurde, während er in der Zeit danach nur mehr ein leistungsabhängiges Entgelt erhalten sollte. Dies allein reicht für die Annahme, damit habe die Beklagte auf das Recht verzichtet, den Vertrag schon während des ersten Jahres zu kündigen, nicht aus. Diese Vereinbarung stellt lediglich eine Entgeltsregelung dar, mit der dem Kläger zugestanden wurde, dass in der Zeit des Aufbaus der Vertriebsstruktur sein Einkommen noch nicht erfolgsabhängig sein sollte. Für diese erste Phase des Vertragsverhältnisses wurde ihm daher das zugesagte Einkommen erfolgsunabhängig garantiert. Für die Annahme, damit sei gleichzeitig auf das Recht auf (ordentliche) Kündigung des Vertrages verzichtet worden, fehlt es an rechtfertigenden Grundlagen. Auf sonstige in seinem Sinn zu interpretierende Erklärungen der Beklagten kann sich der Kläger aber nicht berufen.

Dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Vertragsverhältnis ohne rechtfertigenden Grund fristlos zu beenden, haben die Vorinstanzen, die dem Kläger unter Anwendung der auch für freie Dienstverträge geltenden Kündigungsfrist des § 1159a ABGB Kündigungsentschädigung zugesprochen haben, ohnedies berücksichtigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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