OGH 6Ob289/01w

OGH6Ob289/01w20.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Wolfgang T*****, vertreten durch Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Rudolf S*****, vertreten durch Mag. Thomas Moser, Rechtsanwalt in Linz, wegen 405.183,06 S und Feststellung, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 20. Juni 2001, GZ 2 R 47/01x-38, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3. Jänner 2001, GZ 32 Cg 108/99x-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 9.451,80 S (darin 1.575,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz beschäftigt und dort bei der Magistratskrankenfürsorge der Stadt Linz unfallversichert. Der Kläger wurde am 4. 3. 1998 vom Beklagten durch einen Schuss mit einer Faustfeuerwaffe schwer verletzt. Er erlitt einen Bauchdurchschuss. Dem Kläger entstanden Behandlungskosten von 143.787,06 S. Davon zahlte der Kläger nur einen Teil, die übrigen Behandlungskosten wurden von der Magistratskrankenfürsorge getragen. Der Kläger begehrte nach Ausdehnung und Einschränkung seiner Klagebegehren im Verfahren erster Instanz zuletzt 405.183,06 S und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aus der Schussverletzung vom 4. 3. 1998. Neben einem Schmerzengeld habe der Kläger Anspruch auf Ersatz der Kosten des stationären Aufenthalts im Krankenhaus, von Rezeptgebühren, Arztrechnungen und Therapiebehandlungen in der Höhe von zusammen 143.787,06 S. Die Satzung der Magistratskrankenfürsorge sehe keine Legalzession vor. Der Kläger müsse den Anspruch geltend machen und der Krankenfürsorge refundieren.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Gemeinderatsverordnung (die keine Legalzession vorsehe) sei verfassungswidrig, weil der Pflichtversicherer den Versicherten gegenüber zur Erbringung der Versicherungsleistungen verpflichtet sei und der Versicherte nicht mittels Verordnung gezwungen werden könne, die Ansprüche gegen den Schädiger selbst geltend zu machen. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren im Umfang von 363.983,06 S statt, wies das Mehrbegehren von 41.200 S ab und gab ferner dem Feststellungsbegehren statt. Die Aktivlegitimation des Klägers sei auf Grund des § 24 Abs 1 und 2 der Satzung der Magistratskrankenfürsorge Linz zu bejahen. Der Kläger könne die Behandlungskosten von 143.787,06 S geltend machen.

Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Stattgebung des Teilbetrages von 143.787,06 S gerichteten Berufung des Beklagten nicht Folge. Es stellte die anzuwendenden Rechtsbestimmungen wie folgt dar:

Gemäß § 41 des OÖ Statutargemeinden-Beamtengesetzes (LGBl 1956/37), dem der Kläger - unbestrittenermaßen - im Hinblick auf sein Beschäftigungsverhältnis zum Magistrat der Landeshauptstadt Linz unterliegt, hat die Stadt (Linz) durch eine eigene Einrichtung Krankenfürsorge mindestens in jenem Ausmaß sicherzustellen, das für Landesbeamte vorgesehen ist. Die Krankenfürsorge hat mit Beginn des Dienstverhältnisses einzusetzen. Nach Abs 4 leg cit hat der Gemeinderat durch Verordnung das Nähere zu regeln.

Aufgrund dieser Verordnungsermächtigung erging am 25. 6. 1962 ein Gemeinderatsbeschluss der Landeshauptstadt Linz betreffend die "Satzung der Krankenfürsorge für die Beamten der Landeshauptstadt Linz" (Magistratskrankenfürsorge - MKF), welche Satzung in § 24 anordnet: "Die Mitglieder und ihre Angehörigen sind verpflichtet, Ansprüche auf Ersatz der Heilkosten, die ihnen gegen dritte Personen zustehen und für die sie satzungsgemäße Leistungen in Anspruch nehmen, geltend zu machen und an die MKF abzutreten". § 23 Abs 2 der Satzung ordnet an: "Die Mitglieder und ihre Angehörigen sind für die Verletzung der Abtretungspflicht gemäß § 24 ersatzpflichtig". Mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 25. 3. 1993 wurde die Satzung dahingehend abgeändert, dass § 24 folgende Textierung erhielt:

"Abtretungspflicht

1. Kann das Mitglied (Angehöriger) bei einem Unfall, der nicht als Dienstunfall anzusehen ist (sonstiger Unfall) und eine Krankenbehandlung im Sinne der Satzung erfordert, einen Ersatz der Leistungen aufgrund anderer Rechtsvorschriften beanspruchen, so werden die Leistungen nach dieser Satzung zunächst nur vorschussweise erbracht.

2. Das Mitglied (der Angehörige) hat den Schadenersatzanspruch geltend zu machen und der MKF die vorschussweise erbrachten Leistungen im Ausmaß des erhaltenen Schadenersatzes zu ersetzen.

3. Führt die außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung des Schadenersatzanspruches nicht zum Erfolg, so entscheidet das Kuratorium über die weitere Vorgangsweise (Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung beziehungsweise Abtretung des Schadenersatzanspruches an die MKF).

4. Entscheidet das Kuratorium, dass das Mitglied (der Angehörige) den Schadenersatzanspruch gerichtlich geltend machen muss und unterliegt es (er) im Prozess, so hat die MKF die auf die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches, die MKF-Leistungen betreffend, entfallenden Prozesskosten zu ersetzen, wenn der Prozess entsprechend ihren Anweisungen geführt wurde.

5. Das Mitglied (der Angehörige) hat bei sonstigem Verlust der Ansprüche nach dieser Satzung die MKF von jedem Ereignis im Sinne des Abs 1 unverzüglich zu informieren und ihr weiterhin alle Informationen zukommen zu lassen, die für die Wahrnehmung der Interessen der MKF nötig sind".

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, dass § 1358 ABGB eine Legalzession zugunsten desjenigen vorsehe, der eine fremde Schuld bezahle, für die er persönlich hafte. Es bedürfe keiner besonderen Abtretung durch den bisherigen Gläubiger. Daneben fänden sich in verschiedenen versicherungsrechtlichen Bestimmungen Legalzessionsnormen (§ 67 VersVG; § 332 Abs 1 ASVG; § 125 Abs 1 B-KUVG; § 56 Abs 1 OÖ Kranken- und UnfallfürsorgeG). In diesen und anderen Normen sei immer ausdrücklich festgelegt, dass "der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit übergeht, als dieser Leistungen zu erbringen hat". Demgegenüber sehe hier § 24 der maßgeblichen Satzung idF der Verordnung vom 25. 3. 1993 vor, dass der Fürsorgeträger die Leistungen zunächst nur vorschussweise zu erbringen habe. Das Mitglied habe den Schadenersatzanspruch geltend zu machen und die vorschussweise erbrachten Leistungen im Ausmaß des erhaltenen Schadenersatzes zu ersetzen. Wenn die Geltendmachung nicht zum Erfolg führe, müsse das Mitglied seinen Anspruch abtreten. Wenn die Abtretungspflicht verletzt werde, werde das Mitglied selbst ersatzpflichtig (§ 23 Abs 2 der Satzung). Mangels einer Legalzessionsanordnung und mangels einer rechtsgeschäftlichen Abtretung sei der Kläger aktiv legitimiert. Der Begriff "vorschussweise" und die Feststellung einer Ersatzpflicht führten dazu, den Kläger weiterhin als Geschädigten ansehen zu müssen. Auf die Erwägungen des Berufungswerbers zu einer in Österreich unzulässigen Prozessstandschaft komme es nicht mehr an. Wenn man im Sinne des Standpunkts des Beklagten den Magistratskrankenfürsorgeträger der Stadt trotz fehlender Legalzession als aktiv klagelegitimiert ansähe, wäre § 24 der Satzung sinnlos und überflüssig.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung des § 24 der Satzung der Magistratskrankenfürsorge der Stadt Linz keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren im Umfang von 143.787,06 S abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber wendet sich gegen die Auslegung der vom Berufungsgericht zitierten und der Entscheidung zugrunde gelegten Bestimmungen des OÖ Statutargemeinden-Beamtengesetzes und der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnung der Gemeinde. Er strebt eine Verneinung der Aktivlegitimation des Klägers nach § 1358 ABGB an. Der Anspruch sei ex lege auf den Rechtsträger der Magistratskrankenfürsorge übergegangen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Mit der Zahlung des Interzedenten kommt es im Wege der Legalzession zum Forderungsübergang. Der Anwendungsbereich des § 1358 ABGB geht über die Bürgschaft hinaus. Der Regress wird ganz allgemein dem zugebilligt, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet (Mader in Schwimann ABGB2 Rz 1 und 4 zu § 1358 mwN; 4 Ob 284/99i). Der im Wege der Analogie erweiterte Anwendungsbereich setzt das Fehlen einer vom § 1358 ABGB abweichenden gesetzlichen Regelung voraus. Das Berufungsgericht hat zutreffend die landesgesetzliche Regelung und die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung des Gemeinderats, welche die Krankenfürsorge von Magistratsbediensteten regeln, als spezielle Regeln (leges speciales) aufgefasst. Sein Auslegungsergebnis ist zu billigen:

Der Forderungsübergang und die Rückgriffsmöglichkeit sind nach dem besonderen Verhältnis des Zahlenden zum Hauptschuldner zu beurteilen (Mader aaO Rz 5). Dieses Verhältnis bestimmt hier § 24 der Verordnung ex 1993 iVm § 23 Abs 2 der Satzung völlig eindeutig dahin, dass der Geschädigte trotz Vorschussleistungen zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist. Eine vorschussweise erbrachte Leistung ist keine endgültige. Mit ihr wurde der außerhalb einer Dienstverrichtung Verletzte keineswegs voll entschädigt. Dies ergibt sich schon aus seiner Ersatzpflicht, wenn er den Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger nicht betreibt. Schließlich geht aus den zitierten Bestimmungen auch klar hervor, dass der Rechtsträger der Krankenfürsorge seine Leistungen nicht zugunsten des Schädigers erbringt. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionswerber führt zur Anwendbarkeit des § 1358 ABGB schließlich noch ins Treffen, dass der Gemeinderat als Verordnungsgeber nicht die in die Kompetenz des Bundes fallende Rechtslage abändern könne und hat dabei offenbar die Kompetenzverteilung nach den Art 10 ff B-VG im Auge. Da dieser Einwand entgegen der Vorschrift des § 506 Abs 2 ZPO nicht näher ausgeführt wird, genügt der Hinweis, dass das Zivilrechtswesen (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG) und das Sozial- und Vertragsversicherungswesen (Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG) zwar grundsätzlich in die Kompetenz des Bundes fallen, dass aber auf diesen Gebieten dann Länderkompetenzen bestehen, wenn es - wie hier - um die Unfallfürsorge von Beamten einer Gemeinde im Rahmen des Dienstrechtes geht (Art 15 Abs 9 und Art 21 Abs 1 B-VG; VfSlg 10.097/1984).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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