OGH 5Ob210/01w

OGH5Ob210/01w11.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Carolin H*****, vertreten durch Dr. Bernhard Stanger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegner 1) DI Bernd R*****, 2) Marianne M*****, 3) Walter R*****, 4) Doris R*****, 5) Dieter L*****, 6) Ing. Ernst P*****, 7) Maria S*****, 8) Aloisia M*****, 9) Elisabeth S*****, 10) Maria M*****, 11) Alfred R*****, 12) Rosa H*****, 13) Klaus G*****, 14) Ernst S*****, 15) Maria N*****, 16) Ing. Herwig M*****, 17) Doris S*****, 18) Mag. G*****, 19) Waltraud W*****, 20) Johanna C*****, 21) Herbert S*****, 22) Arno E*****, 23) Dipl.-Vw. Ing. Herbert K*****, 24) Maria P*****, 25) Ingrid S*****, 26) Mag. Arch. Günter L*****, 27) Hildegard O*****, 28) Dr. Hermann M*****,

29) Gundis L*****, 30) Johanna L*****, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, 31) Monika K*****, 32) Andreas G*****, 33) Lotte G*****, 34) Dr. Hermann G*****, 35) Eva B*****, 36) Raimund B*****, 37) Dora S*****, 38) Otto S*****, 39) Elfriede G*****, 40) Dr. Josef G*****, 41) Gertraud H*****, 42) Sabina K*****, 43) Brigitte W*****, 44) Christine S*****, 45) Anna G*****, 46) Dr. Peter D*****, 47) Maria D*****, 48) Vinzenz G*****,

49) Josef K*****, 50) Ursula K*****, 51) Nikolaus N*****, 52) Liselotte N*****, 53) Dr. Franz Josef G*****, 54) Dr. Wolfgang B*****, 55) Dr. Anton O*****, 56) Liselotte P*****, 57) Wilma K*****,

58) Peter B*****, 59) Dr. Karin R*****, 60) Elfriede P*****, wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Juli 2001, GZ 3 R 112/01w-38, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2000, GZ 17 Msch 73/99v-32, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird hinsichtlich der elektrischen Zuleitung Folge gegeben.

Insoweit (und hinsichtlich der Kostenentscheidung) werden die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, worauf das Hochhaus *****, errichtet ist. Die Anlage wurde etwa im Jahr 1955 neu errichtet. Die Antragstellerin hat ca Anfang des Jahres 1999 die Wohnungseigentumseinheit Top ***** im 4. Obergeschoß des Hauses rechtsgeschäftlich erworben.

Die Antragstellerin begehrte die Durchführung dringender Erhaltungsarbeiten, nämlich den Austausch der Fenster, der Balkontüre und der Wohnungseingangstüre sowie weiters die Erhöhung des Balkongeländers für ihre Wohnungseigentumseinheit und die Errichtung und Erneuerung der Steigleitung zur Liegenschaft und vom Hauptverteiler zu allen Wohnungen samt ausreichender Erhöhung des Basisbezugsrechtes. Sie brachte vor, die Fensterelemente, die Balkontüre und die Eingangstüre zu ihrer Wohnungseigentumseinheit befänden sich in einem völlig desolaten Zustand. Überdies weise das Haus Elektroinstallationen in nicht mehr zeitgemäßen Zustand auf. Die Kapazität der Steigleitung sei nicht ausreichend, um eine ordnungsgemäße Benützung der Wohnung zu ermöglichen. Das Geländer des Balkons sei so niedrig, dass Absturzgefahr bestehe. Das niedrige Balkongeländer sei auch nicht durch die Vorschriften der Tiroler Bauordnung gedeckt. Es handle sich jeweils um dringend notwendige Erhaltungsarbeiten der Liegenschaft, welche aus der Rücklage der Wohungseigentumsanlage zu bezahlen seien. Die Durchführung dieser Arbeiten werde von den Antragsgegnern abgelehnt.

Die Antragsgegner wendeten ein, dass keineswegs Erhaltungsarbeiten im Bereich der Wohnungseigentumseinheit der Antragstellerin unmittelbar notwendig seien. Außerdem sei es in der Wohnungseigentumsanlage üblich gewesen, dass Fenster und Türen von den Wohnungseigentümern jeweils auf eigene Kosten ausgetauscht werden. Eine derartige konkludente Vereinbarung sei weiterhin gültig. Auch die Erhöhung des Balkongeländers sei in keiner Weise geboten. Sämtliche Anlagen der Liegenschaft würden den seinerzeitigen Bauvorschriften entsprechen. Den Miteigentümern seien auch keine behördlichen Auflagen vorgeschrieben worden.

Das Erstgericht trug der Miteigentümergemeinschaft mit Sachbeschluss auf, binnen 2 Monaten bei den beiden westseitigen Fenstern der im 4. Stock gelegenen Wohnungseigentumseinheit Top ***** die im unterem Bereich angebrochenen oder angemorschen Rollladenlamellen auszutauschen. Das darüber hinausgehende Begehren der Antragstellerin auf Durchführung weiterer Erhaltungsarbeiten, nämlich Erneuerung der Fenster, der Balkontüre und der Wohnungseingangstüre sowie die Erhöhung des Balkongeländers an ihrer Wohnungseigentumseinheit und die Errichtung und Erneuerung der Steigleitung zur Liegenschaft und vom Hauptverteiler zu allen Wohnungen samt ausreichender Erhöhung des Basisbezugsrechtes wurde abgewiesen. Hiebei ging das Erstgericht unter andrem von folgenden Feststellungen aus:

Bis zum Wohnungserwerb der Antragstellerin wurde es im Haus immer so gehandhabt, dass die Fenster, die Balkontüre und die Wohnungseingangstüre einer Einheit bei Notwendigkeit auf alleinige Kosten des jeweiligen Wohnungseigentümers ausgetauscht wurden. Diese seit dem Jahre 1955 geübte Vorgangsweise wurde bis zum Wohnungserwerb der Antragstellerin niemals beansprucht, wobei konkrete schriftliche Unterlagen nicht bestehen. Etwa im Jahr 1998 wurde für die Liegenschaft infolge eines Mehrheitsbeschlusses der Miteigentümer ein Erdgasanschluss hergestellt, sodass es in technischer Sicht jeden Miteigentümer freisteht, sich an diese allgemeine Erdgasleitung anzuschließen und in der betreffenden Wohnungseigentumseinheit eine Gasetagenheizung zu installieren. Im Bereich der Wohnungseigentumsanlage besteht keine Zentralheizung; bei Errichtung der Liegenschaft war vorgesehen, dort mit festen Brennstoffen zu heizen. Aus diesem Grund ist für jede Einheit ein Kaminanschluss vorhanden.

Die in der Wohnung der Antragstellerin eingebaute Balkontüre sowie die dortigen Fenster haben dem damaligen Stand der Technik entsprochen. Bei der Erteilung der Benützungsbewilligung am 22. 11. 1955 wurden hinsichtlich der Fenster, der Balkontüre und der Wohnungseingangstüre auch keinerlei Auflagen erteilt. Die genannten Einrichtungen befinden sich derzeit in funktionsfähigen Zustand, mit Ausnahme der unteren Lamellen im Bereich der beiden westseitigen Fenster sind auch keinerlei Beschädigungen oder Mängel vorhanden, die unmittelbare Arbeiten erfordern würden. Um hinsichtlich dieser Elemente den Stand der heutigen Technik zu erreichen, wäre es allerdings notwendig, sie auszutauschen. Eine derartige Verbesserung auf den heutigen Stand der Technik ist jedoch weder nach den technischen Bauvorschriften geboten noch sind den Miteigentümern der Anlage irgendwelche baubehördlichen Auflagen erteilt worden. Bei entsprechender Pflege und Wartung der Fenster und der Balkontüre ist eine weitere Haltbarkeit für noch 20 Jahre möglich. Falls künftig Wassereintritte erfolgen sollten, wäre die Lebensdauer der Fenster im Bereich der Wohnung der Antragstellerin mit einem kürzeren Zeitrahmen anzusetzen. Abgesehen von den abgebrochenen oder angemorschten unteren Lamellen sind derzeit keine Arbeiten notwendig. Die genannten Elemente sind aus technischer Sicht in Ordnung und auch funktionsfähig.

Die Höhe der Balkongeländer bewegt sich zwischen 93,5 und 94,6 cm. Bei der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage und dem Einbau des Balkongeländers bestanden keinerlei technische oder baubehördliche Vorschriften über eine Mindesthöhe bzw Durchbrechungsweite. In den Einreichplänen sind ebenfalls keine Geländerhöhen festgelegt bzw vermaßt. Aufgrund der damaligen Bauvorschriften bestanden keine fixen Mindesthöhen. Den Miteigentümern der Liegenschaft wurden bislang auch keinerlei Auflagen betreffend die Balkongeländer gesetzt. Die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 10. 2. 1981, wonach eine Balkongeländerhöhe von mindestens 1,10 m vorhanden sein müsste, wurde mit Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 29. 9. 1998 wieder aufgehoben, sodass auch aufgrund der derzeit geltenden baulichen Vorschriften - wie zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage - keine konkreten Vorschriften über eine Geländerhöhe oder Durchbrechungsweite bestehen. Die Balkongeländer im Bereich der Liegenschaft, auch bei der Wohnung der Antragstellerin, sind unter Berücksichtigung der Gesamthöhe ordnungsgemäß verwendbar. Eine mögliche Gefährdung besteht lediglich aufgrund der dort vorhandenen Durchbrechungsweite von ca 23,6 cm, weil beispielsweise ein Kind seine Kopf durchstecken könnte. Um die Durchbrechungsweite auf einen ungefährlichen Zustand von ca 12 cm zu verringern, müssten Stockbahnen nach entsprechender Befestigung eingezogen werden. Dass hiezu auch eine Erhöhung des Balkongeländers selbst notwendig wäre, ist nicht erweislich.

Sämtliche elektrischen Leitungen im Haus, insbesondere die bestehende Steigleitung, entsprachen den seinerzeitigen Stand der Technik und sind aufgrund der geltenden Vorschriften auch weiterhin verwendbar. Sie befinden sich in einem technisch einwandfreien und betriebssicheren Zustand. Bei Zugrundlegung des heute üblichen Standards ist die Wohnung der Antragstellerin mit 4 kW sehr schwach elektrifiziert. Unter Berücksichtigung des Anschlusswertes von 4 kW, der bei der Errichtung der Anlage dem Stand der Technik entsprach, erweisen sich die Steigleitungen und die elektrischen Leitungen in der Einheit der Antragstellerin als ordnungsgemäß und funktionstüchtig, sodass irgendwelche Arbeiten und Sanierungen nicht geboten sind. Um einen beim heutigen Stand der Technik üblichen und höheren Anschlusswert von zumindest 10 kW zu erreichen, wäre es notwendig, eine zusätzliche Steigleitung zu verlegen. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren unzweifelhaft gemäß § 13a Abs 1 Z 1 WEG iVm § 14 Abs 1 Z 1 WEG die Durchführung von Erhaltungsarbeiten beantrage und nicht ein Begehren nach § 13 Abs 2 WEG gestellt habe, wofür die Kosten allein vom Wohnungseigentümer zu tragen wären. Nach § 13a Abs 1 Z 1 WEG bestehe das Individualrecht eines jeden Miteigentümers, im Außerstreitweg zu verlangen, dass notwendige Erhaltungsarbeiten binnen angemessener Frist durchgeführt werden. Materielle Voraussetzung für die Berechtigung eines derartigen Begehrens sei daher, dass hinsichtlich allgemeiner Liegenschaftsteile Erhaltungsmaßnahmen tatsächlich unmittelbar anstehen. Dies sei hier nur in Bezug auf den Austausch der angebrochenen oder angemorschten unteren Lamellen an den beiden westseitigen Fenstern der Wohnung der Antragstellerin zu bejahen. Hingegen sei dies bezüglich der von der Antragstellerin begehrten weiteren Maßnahmen betreffend die Fenster, die Balkontüre und die Wohnungseingangstüre nicht der Fall. Diese Anlagen, welche entsprechend dem damaligen Stand der Technik errichtet worden seien, seien funktionsfähig und funktionstüchtig. Allein aus dem Umstand der im Laufe der Jahre eingetretenen Standard- und Qualitätsverbesserung könne noch nicht auf eine notwendige Erhaltungsarbeit geschlossen werden. Es gebe im Nahbereich zahlreiche ähnliche Liegenschaften mit gleich gelagerten Einrichtungen. Der Erwerb einer Wohnungseigentumseinheit in einem älteren Haus sei üblicherweise damit verbunden, dass die Einrichtungen nicht mehr dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Auch in Bezug auf die von der Antragstellerin begehrten Maßnahmen gelte im Wesentlichen dasselbe wie im Bezug auf die Fenster und Türen. Wenngleich der Anschlusswert von 4 kW nach heutigem Maßstab gering dimensioniert sei, sei zu bedenken, dass dieser Wert in gleicher Form für sämtliche Einheiten des Hochhauses gelte. Der Anschlusswert habe auch dem damaligen Stand der Technik entsprochen. Eine etwaige Verbesserung für die Wohnungseinheit der Antragstellerin zur Erreichung eines heute üblichen Anschlusswerts von etwa 10 kW sei nicht mittels Antrags nach § 13a Abs 1 Z 1 WEG durchsetzbar, sondern müsste hiefür ein Änderungsanspruch nach § 13 Abs 2 WEG erhoben werden, wofür die Kosten vom Wohnungseigentümer allein zu tragen wären. Auch eine Erhöhung des Balkongeländers sei weder aufgrund der technischen Bauvorschriften noch aus Gründen der Sicherheit als notwendig im Sinne einer anstehenden Erhaltungsmaßnahme anzusehen. Ob allenfalls die Verringerung der Durchbrechungsweite dem Erhaltungsbegriff zuzuordnen sei, könne dahingestellt bleiben, weil das Begehren der Antragstellerin ausdrücklich auf eine Erhöhung des Balkongeländers abziele. Mit Ausnahme der tatsächlich notwendigen Erhaltungsarbeiten im Bereich der beiden Rollladenlamellen seien sohin keine weiteren anstehenden Erhaltungsarbeiten notwendig, weshalb das diesbezügliche Begehren der Antragstellerin abzuweisen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs - mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO - nicht zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Der vom Erstgericht beigezogene hochbautechnische Sachverständige habe die Fenster, die Balkontüre und die Wohnungseingangstüre der Einheit der Antragstellerin als nach wie vor als funktionstüchtig beurteilt. Von einer Unbrauchbarkeit dieser Teile könne daher nicht gesprochen werden. Dem Sachverständigengutachten sei auch zu entnehmen, dass das Öffnen und das Schließen der Fenster am Tag der Befundaufnahme durch den Sachverständigen ohne Einschränkungen durchgeführt habe werden können. Wenngleich die Türen und Fenster nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprächen, seien daher im Sinne der erstgerichtlichen Beurteilung derzeit keine Erhaltungsmaßnahmen notwendig. Die von der Antragstellerin angestrebten Maßnahmen würden vielmehr eine über die bloße Erhaltung hinausgehende Verbesserung darstellen. Ein derartiges Begehren finde jedoch in den hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 13a Abs 1 Z 1, 14 Abs 1 Z 1 WEG keine Deckung. Insbesondere könne hieraus kein Anspruch der Antragstellerin abgeleitet werden, nach 50 Jahren von den anderen Miteigentümern aus der Rücklage eine Finanzierung oder Anpassung der - dem seinerzeitigen Stand der Technik entsprechenden und noch funktionstüchtigen - Fenster und Türen auf den heutigen Standard zu verlangen. Auch das Argument, dass eine Erneuerung der Fenster und Türen zu einer Energieeinsparung führe, sei nicht geeignet, den Standpunkt der Antragstellerin zu unterstützen, weil dies eben eine über die Erhaltung hinausgehende Standardverbesserung bedeuten würde. Dies gelte auch hinsichtlich der zur "Aufbewahrung" der Rollladenlamellen vorhandenen Füllräume oberhalb der Fenster. Auch was die Versorgung der Wohnung mit elektrischer Energie anlange, würde die im Antrag begehrte Erneuerung der Steigleitung eine über eine Erhaltungsmaßnahme hinausgehende Standardverbesserung bewirken. Wenngleich die für die Wohnungseigentumseinheit der Antragstellerin (wie auch für die anderen Wohnungseigentumseinheiten) zur Verfügung stehende Stromkapazität von nur 4 kW gemessen am heutigen Standard zu gering sei, entsprächen sämtliche elektrischen Leitungen im Gebäude, insbesondere die bestehende Steigleitung, dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes. Diese Einrichtungen befänden sich weiters in einem technisch einwandfreien und betriebssicheren Zustand. Eine notwendige Erhaltungsmaßnahme sei daher auch insoweit nicht ersichtlich.

Schließlich könne auch hinsichtlich der Höhe des Balkongeländers im Begehren der Antragstellerin keine notwendige Erhaltungsmaßnahme erblickt werden. Die angestrebte Erhöhung sei, wie das Erstgericht gestützt auf das Gutachten des hochbautechnischen Sachverständigen zutreffend dargelegt habe, weder aufgrund der technischen Bauvorschriften noch aus Gründen der Sicherheit als notwendige Erhaltungsmaßnahme anzusehen. Ob eine Verringerung der Durchbrechungsweite dem Begriff der Erhaltungsmaßnahme unterstellt werden könnte, sei hier nicht zu beurteilen, weil das Begehren der Antragstellerin lediglich eine Erhöhung des Balkongeländers zum Gegenstand habe.

Zusammenfassend sei dem Rekurs somit entgegenzuhalten, dass aufgrund der hier maßgeblichen Vorschriften des § 13a Abs 1 Z 1 und des § 14 Abs 1 Z 1 WEG kein Anspruch der Antragstellerin bestehe, die heute noch funktionsfähigen und seinerzeit zum Zeitpunkt der Errichtung und Kollaudierung des Gebäudes den Vorschriften entsprechenden Einrichtungen dem heutigen Standard anzupassen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die vorinstanzlichen Beschlüsse dahin abzuändern, dass dem Sachantrag zur Gänze stattgegeben werde. Den Antragsgegnern wurde die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freigestellt.

Die 30.-Antragsgegnerin hat hievon Gebrauch gemacht und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht vom "dynamischen" Erhaltungsbegriff der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0069944; RS0083171; jüngst 5 Ob 190/01d) abgewichen ist; er ist teilweise (hinsichtlich der elektrischen Zuleitung) auch berechtigt. Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, die Erhaltung habe im jeweils ortsüblichen Standard und nicht im Standard der Gebäudeerrichtung in den 50er Jahren zu erfolgen. Dies erfordere die Erneuerung der Fenster und der Balkontüre, die Erhöhung des Balkongeländers und die Vergrößerung der elektrischen Anschlussleitung.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 13a Abs 1 Z 1 WEG kann jeder Miteigentümer die Entscheidung des Gerichtes darüber verlangen, dass Arbeiten im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 WEG binnen einer angemessenen Frist durchgeführt werden. Gemäß § 14 Abs 1 WEG entscheidet in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft - unbeschadet der Minderheitsrechte nach § 13a - die Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer. Zu diesen Angelegenheiten gehören im Besonderen (Z 1) die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft im Sinn des § 3 MRG, einschließlich der baulichen Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen. Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter nach Maßgabe der rechtlich, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten werden. In Abs 2 wird näher ausgeführt, was die Erhaltung im Sinne des Abs 1 umfasst.

Der erkennende Senat hat unter anderem in 5 Ob 64/00y mwN = WoBl 2001/10 (zustimmend Call) ausgesprochen, durch die Verweisung des § 14 Abs 1 Z 1 WEG auf § 3 Abs 1 MRG sei klargestellt, dass die Erhaltung "im jeweils ortsüblichen Standard" für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung von Bedeutung sei, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustandes handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden (vgl Würth in Rummel2 § 14 WEG Rz 4a; Spruzina in Schwimann IV2 § 14 WEG Rz 3 mwN).

Durch diesen weiten ("dynamischen" oder "elastischen") Erhaltungsbegriff ist es zu einer Ausdehnung des Bereichs der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 WEG zu Lasten der außerordentlichen Verwaltung im Sinne des § 14 Abs 3 WEG (Veränderungen/Verbesserungen) gekommen. Da § 13a Abs 1 Z 1 WEG auf § 14 Abs 1 Z 1 WEG verweist, würde dies aber - ohne Einschaltung eines Korrektivs - auch bedeuten, dass der einzelne Wohnungseigentümer in sehr weitem Umfang die Durchführung von Arbeiten (mit Hilfe des Gerichtes) durchsetzen könnte. Voraussetzung wäre lediglich die Untätigkeit der Mehrheit (oder des Verwalters; vgl Würth aaO § 14 WEG Rz 4; Spruzina aaO § 13a WEG Rz 4), worunter nicht nur die Unterlassung einer Beschlussfassung sondern auch die mehrheitliche Ablehnung einer Erhaltungsarbeit zu verstehen ist (zB Verweigerung der Behebung eines Sturmschadens am Dach durch Mehrheitsbeschluss). Das Gericht hätte dann die Durchführung der Arbeiten in einer angemessenen Frist aufzutragen; die "Angemessenheit" hängt hiebei von der Natur der beabsichtigten Maßnahme, der Dringlichkeit der Erhaltungsarbeit und dem damit zusammenhängenden Kostenaufwand ab (Spruzina aaO § 13a WEG Rz 4).

Nach Auffassung des erkennenden Senates hat das Gericht bei seiner Entscheidung aber auch ganz allgemein auf die Dringlichkeit und auf wirtschaftliche Aspekte wie die Finanzierbarkeit Bedacht zu nehmen. Fällt die Abwägung des Gerichtes für den Antragsteller negativ aus, so hat es bei der Zuständigkeit der Mehrheit für die Veranlassung von Erhaltungsarbeiten zu bleiben. Mit anderen Worten: Grundsätzlich entscheidet hierüber gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG die Mehrheit; bei Untätigkeit der Mehrheit und gegebener Dringlichkeit kann (unter Mitberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse) auch der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 13a Abs 1 Z 1 WEG die Durchführung einer Erhaltungsarbeit durchsetzen.

Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

Es gehört jedenfalls zum heute üblichen Standard einer elektrischen Anlage, damit eine Wohnung nicht nur beleuchten, sondern auch die heute in einem Haushalt üblichen Elektrogeräte (wie zB Waschmaschine, Geschirrspüler, Kühlschrank, Bügeleisen oder Fernseher) - auch gleichzeitig - benützen zu können (vgl Haybäck/Heindl in Schwimann IV2 § 3 MRG Rz 3). Reicht die Anschlussleistung hiefür nicht aus, so handelt es sich bei der Abhilfe um eine Erhaltungsarbeit im Sinne des § 14 Abs 1 WEG iVm § 3 MRG (und nicht etwa bloß um eine nützliche Verbesserung im Sinne des § 4 Abs 2 Z 1 MRG). Im vorliegenden Fall kann - bei der Prüfung im Lichte des Minderheitsrechts der Antragstellerin gemäß § 13a Abs 1 Z 1 WEG - das Heizen und Kochen mit elektrischer Energie ausgeklammert werden, weil hiefür die neue Gasleitung zur Verfügung steht. Erweist sich die elektrische Anschlussleistung dennoch für die oben beschriebenen Anforderungen als zu schwach, so wäre auch die Dringlichkeit der Erneuerung der Steigleitung (hier aus technischen Gründen: Verlegung einer zusätzlichen Steigleitung) samt Nebenleistungen zu bejahen. Die Feststellungen der Vorinstanzen deuten darauf hin, dass diese Voraussetzungen gegeben sein könnten, mit Sicherheit ist ihnen dies aber nicht zu entnehmen. Die Rechtssache war daher insoweit unter teilweiser Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren werden die entsprechenden Feststellung zu verdeutlichen und zu ergänzen sein. Gegebenenfalls wird auch der Zeithorizont für die Durchführung der Arbeiten unter Berücksichtigung allenfalls vordringlicherer anderer Arbeiten sowie der Finanzierungsmöglichkeiten mit den Parteien erörtert werden müssen.

Auch die Erneuerung von fast einem halben Jahrhundert alten Fenstern und Türen, die dem heutigen Stand der Technik nicht mehr entsprechen, ist regelmäßig eine Erhaltungsarbeit im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 3 (Abs 2 Z 5) MRG (vgl RIS-Justiz RS0069971; 5 Ob 190/01d; Haybäck/Heindl aaO Rz 17 mwN). Da sich Fenster und Türen hier aber in einem funktionsfähigen Zustand befinden und noch eine voraussichtliche technische Lebensdauer von 20 Jahren haben, sind diese Arbeiten derzeit nicht dringend, weshalb sie - entsprechend den obigen Ausführungen - von der Antragstellerin derzeit nicht durchgesetzt werden können. Die Vorinstanzen haben diesen Teil des Sachantrages somit zu Recht abgewiesen. Es steht der Antragstellerin grundsätzlich frei, Fenster und Türen auf eigene Kosten auszutauschen, wie das andere Wohnungseigentümer in der Vergangenheit üblicherweise getan haben.

Zum Balkongeländer genügt schließlich der Hinweis, dass dieses nur wegen einer zu großen Durchbrechungsweite gefährlich sein könnte, der Sachantrag aber nicht auf eine Verringerung der Durchbrechungsweite gerichtet ist, wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben. Dem Revisionsrekurs war daher auch in diesem Punkt ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte