OGH 6Ob206/01i

OGH6Ob206/01i29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen D***** mit dem Sitz in *****, wegen Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 283 HGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Franz N*****, beide ***** beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. März 2001, GZ 28 R 236/00g-11, womit infolge Rekurses der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 2000, GZ 1 Fr 10298/99d-5, teilweise ersatzlos aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs und der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom 29. 12. 1999 die Geschäftsführer unter Androhung einer Zwangsstrafe von je 10.000 S aufgefordert, den Jahresabschluss zum 28. 2. 1999 einzureichen. Die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer beantragten daraufhin die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens, dem das Erstgericht mit Beschluss vom 5. 5. 2000 (ON 3) nicht entsprach. Gleichzeitig forderte es die Geschäftsführer neuerlich auf, den Jahresabschluss binnen zwei Wochen einzureichen, widrigens die angedrohte Zwangsstrafe verhängt werde. Mit Beschluss vom 21. 6. 2000 (ON 5) verhängte das Erstgericht schließlich die angedrohte Zwangsstrafe von je 10.000 S über beide Geschäftsführer und forderte sie unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 50.000 S auf, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses der Einreichungspflicht nachzukommen.

Die Offenlegung erfolgte am 14. 7. 2000.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs eines Geschäftsführers, der im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht mehr Geschäftsführer gewesen war, Folge und hob die über ihn verhängte Zwangsstrafe ersatzlos auf. Dem Rekurs des zweiten Geschäftsführers und jenem der Gesellschaft gab es nicht Folge. Der Jahresabschluss sei zwar tatsächlich am 14. 7. 2000 - nach der Verhängung der Zwangsstrafen - beim Firmenbuchgericht eingereicht worden, das Rekursgericht habe den angefochtenen Beschluss jedoch nach der Sachverhaltsgrundlage zum Zeitpunkt der Strafverhängung zu prüfen und könne auf nachfolgende Ereignisse, wie die nachträgliche Einreichung des Jahresabschlusses, nicht Bedacht nehmen. Die über den im Zeitpunkt der Straffestsetzung vertretungsbefugten Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe werde daher bestätigt. Ob die Zwangsstrafe nach § 283 HGB reines Beugemittel sei oder auch repressiven Charakter habe, sei für ihre Bemessung ohne Relevanz. Auch die Frage, ob die verhängten Zwangsstrafen noch zu vollziehen seien, wenn das zu erzwingende Verhalten doch noch gesetzt werde, stelle sich im Rekursverfahren nicht und könne daher auch nicht zu einer Herabsetzung der Zwangsstrafe führen. Dass das Erstgericht bei Bemessung der Zwangsstrafe das ihm eingeräumte Ermessen nicht gesetzmäßig ausgeübt hätte, sei nicht zu erkennen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Aufhebung der Zwangsstrafe und die Einstellung des "Erzwingungsverfahrens". Hilfsweise wird der Ausspruch beantragt, dass die verhängte Zwangsstrafe nicht vollstreckt werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; 6 Ob 211/01z; RIS-Justiz RS0110629). Eines Ausspruchs des Rekursgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht nach § 13 Abs 2 AußStrG iVm § 15 FBG zu bewerten hat.

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mittels Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997 Slg 1997 I-6843 - Daihatsu = EuZW 1998,

45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN, RIS-Justiz RS0113282 uva).

Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen

nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s =

ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157; 6 Ob 211/01z uva). Eine Nachholung

der Offenlegung erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.

Auf die vom Revisionsrekurs angesprochene Frage eines (auch) strafrechtlichen (repressiven) Charakters der Zwangsstrafe braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der Entscheidung des Erstgerichts ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichenden Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach einem repressiven Charakter der Zwangsstrafe stellt sich daher derzeit nicht.

Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, kann erst anlässlich der Vollstreckung entschieden werden.

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