Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Streitteile haben am 16. 8. 1991 geheiratet. Ihre Ehe, der eine 1995 geborene Tochter entstammt, ist unheilbar zerrüttet.
Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Diese sei seit über zwei Jahren lieb- und interesselos, habe ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer gesperrt, versorge den Haushalt nicht, mache dem Kläger die Tochter abspenstig, habe ihn geschlagen, sei aus der Wohnung ausgezogen und habe ihn gegenüber der Gendarmerie zu Unrecht der Erpressung bezichtigt.
Die Beklagte bestritt das Scheidungsbegehren "dem Grunde nach" nicht und beantragte, das Gericht möge die Ehe scheiden, jedoch aussprechen, dass das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe. Dieser habe seit 1995 kein Interesse an gemeinsamer Freizeitgestaltung gezeigt, sei gegen den Willen der Beklagten nachts weggeblieben, unterhalte eine außereheliche Beziehung, überlasse die gesamte Haushaltsführung der berufstätigen Beklagten, beteilige sich nicht an den Kosten der Lebensführung und nehme auf das Kind keine Rücksicht.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Es traf folgende Feststellungen:
1) Kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter im Sommer 1995 begann die Beklagte, sich einen Kreis von Freundinnen zu erschließen, mit denen sie viel Zeit - auch am Abend - verbrachte. In dieser Situation zog es der Kläger vor, nicht zu Hause auf die Beklagte zu warten, sondern auch auszugehen. Dafür wurde er mit Vorhalten der Beklagten konfrontiert.
1996 trat der Kläger einem Motorradclub bei und kaufte mit Billigung der Beklagten ein Motorrad. Seither unternimmt er an Wochenenden gelegentliche Ausflugsfahrten; größere Touren macht er erst seit 1999.
2) Während dieser Lebensphase (also bis August 1998) häuften sich zudem Streitigkeiten um Nichtigkeiten. Die Beklagte drohte dabei dem Kläger, er werde im Falle einer Trennung nichts bekommen und auch die Tochter nicht mehr sehen. Sie hielt sich auch vor der Tochter nicht mit Beschimpfungen zurück und erwiderte dem Kläger, dem dies unangenehm war, die Tochter solle "ruhig wissen, was für ein Arschloch der Papa ist".
3) Schon vor August 1998 unterließ es die damals noch im Haushalt tätige Beklagte, dem Kläger Mahlzeiten zu bereiten und die Wäsche zu versorgen. Auch setzte sie gegen den Willen des Klägers durch, dass die Tochter im Ehebett nächtigte, sodass der Kläger "auch deshalb zur Einsicht gelangte, im ehelichen Gemach nicht mehr erwünscht zu sein".
4) Seit 1998 vermied es der Kläger, am gemeinsamen Haus etwas zu arbeiten. Schließlich wurde ihm von der Beklagten verheißen, er werde im Falle der Trennung kein Geld bekommen.
5) Unrichtig ist, dass der Kläger bis August 1998 nichts zum gemeinsamen Leben in finanzieller Hinsicht beigetragen habe. Vielmehr verwaltete die Beklagte auch sein Einkommen, wovon sie ihm Geld in nicht feststellbarer Höhe zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse ausfolgte.
Eine außereheliche Beziehung des Klägers ist nicht erwiesen; ebensowenig die Behauptung, der Kläger habe Tonbandaufzeichnungen von Streitigkeiten Freunden und Bekannten vorgeführt.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen ging das Erstgericht davon aus, dass die Beklagte durch schwere Eheverfehlungen die Ehe zerrüttet habe. Eheverfehlungen des Klägers seien hingegen nicht erwiesen.
Die Beklagte bekämpfte dieses Urteil nur insofern, als das Erstgericht nicht von einem überwiegenden oder zumindest gleichteiligen Verschulden des Klägers ausging und beantragte in ihrer Berufung, das Ersturteil in diesem Sinne abzuändern.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Zur Tatsachenrüge der Beklagten nahm es wie folgt Stellung:
Die Einwände der Beklagten gegen die unter Pkt. 1 getroffenen Feststellungen seien zwar teilweise erörterungsbedürftig, könnten aber dahingestellt bleiben, weil die Berufungswerberin selbst in ihrer Rechtsrüge ausführe, dass aus den bekämpften Feststellungen keine schwere Eheverfehlung ableitbar sei. Auch zum Motorradankauf seien die Einwände der Beklagte teilweise richtig. Zum Teil sei aber die rechtliche Konsequenz ihrer Einwände nicht ersichtlich, zum Teil seien die von ihr gewünschten Feststellungen nicht durch Beweisergebnisse gedeckt.
Die Beweisrüge gegen die zu Punkt 2 getroffenen Feststellungen überzeuge nicht.
Gegen die zu Punkt 3 getroffenen Feststellungen bringe die Beklagte beachtenswerte Bedenken vor. Allerdings wünsche sie in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, dass sie es bereits vor August 1998 unterlassen habe, dem Kläger Mahlzeiten zuzubereiten und die Wäsche zu versorgen. Die Beklagte wünsche also eine negative Feststellungen, die dann den Beweislastregeln zu unterstellen wäre. Da niemandem der Beweis des Nichtvorliegens einer Tatsache auferlegt werden solle, hätte aber sie zu beweisen, dass sie sehr wohl Mahlzeiten zubereitet und die Wäsche versorgt habe. Dies wäre ihr möglicherweise zwar gelungen, sei aber vom Berufungsvorbringen zur Beweisrüge nicht gedeckt. Auch zur Frage der Nächtigung der Tochter im Ehebett bestünden gegen die Beweiswürdigung des Erstrichters gravierende Bedenken; die Rechtsrüge laufe aber darauf hinaus, dass die Beklagte überhaupt kein Verschulden treffe.
An den Feststellungen zu Punkt 4 bekämpfe die Beklagte nur die Herstellung des Zusammenhangs zwischen der Einstellung der Arbeit am gemeinsamen Haus durch den Kläger und den festgestellten Äußerungen der Beklagten. In der Rechtsrüge führe sie allerdings aus, dass aus diesem Sachverhalt mit Sicherheit keine Eheverfehlung der Beklagten abzuleiten sei.
Die Einwände der Beklagten gegen die zu Punkt 5 getroffenen Feststellungen bezeichnet das Berufungsgericht im Wesentlichen als nicht plausibel. Die Feststellungen über allfällige ehewidrige Beziehungen des Klägers und über das Vorspielen von Tonbandaufzeichnungen seien unbekämpft geblieben.
Aus diesen Ausführungen zog das Berufungsgericht folgende rechtliche Schlussfolgerungen:
Aus dem Sachverhalt zu Punkt 1 lasse sich kein Verschulden der Parteien ableiten. Zu Punkt 2 versage die Beweisrüge; sie laufe aber eindeutig darauf hinaus, dass sich die gesamten Vorfälle erst nach Eintritt der Zerrüttung der Ehe ereignet hätten und daher auf die rechtliche Beurteilung keinen Einfluss hätten. Zu Punkt 3 sei die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zwar bedenklich, die gewünschten Feststellungen führten aber im ersten Teil nicht zum gewünschten Ergebnis; im zweiten Teil strebe die Beklagte das Alleinverschulden des Klägers an. Aus Punkt 4 könne höchstens eine Verfehlung des Klägers, nicht aber eine der Beklagten abgeleitet werden. Zu Punkt 5 sei die Beweiswürdigung unbedenklich, jedoch sei insofern aus dem Sachverhalt kein Verschulden einer der Parteien abzuleiten.
Die Konsequenz dieser rechtlichen Situation wäre, dass das Klagebegehren auf Scheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten abzuweisen wäre. Genau das habe die Berufung aber nicht beantragt, die somit hinsichtlich ihres Abänderungsantrages unschlüssig sei. Da weder eine Nichtigkeit nach § 477 ZPO noch ein Aufhebungsgrund nach § 496 Abs 1 ZPO vorliege, komme auch eine Aufhebung des Urteils nicht in Betracht, sodass die Scheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten zu bestätigen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise beantragt sie, den Ausspruch über die Ehescheidung zu bestätigen, jedoch festzustellen, dass das überwiegende Verschulden den Kläger treffe bzw. von einem gleichteiligen Verschulden auszugehen sei. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einer die Rechtssicherheit gefährdenden Weise die Rechtslage verkannt hat. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Zu Recht macht die Revisionswerberin - wenn auch teilweise mit unzutreffender Begründung - die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Das Berufungsgericht hat sich nämlich mit erheblichen Teilen der in der Berufung erhobenen Tatsachenrüge nicht bzw. nicht in der ihm gesetzlich aufgetragenen Form auseinandergesetzt.
So bezeichnet das Berufungsgericht zwar die Einwände der Beklagten zu den unter Punkt 1 getroffenen Feststellungen als erörterungsbedürftig bzw teilweise sogar als richtig; dessen ungeachtet lässt es diesen Teil der Beweisrüge "dahingestellt". Dies begründet es im Zusammenhang mit dem ersten Teil der zu Punkt 1 getroffenen Feststellungen damit, dass die Beklagte in ihrer Rechtsrüge zurecht die Auffassung vertrete, dass aus diesen Feststellungen ohnedies keine schwere Eheverfehlung abzuleiten sei. Die entsprechenden Ausführungen der Rechtsrüge der Beklagten haben aber nur die Verneinung schwerer Eheverfehlungen der Beklagten selbst zum Gegenstand. Hingegen ist ihnen in keiner Weise zu entnehmen, dass die Beklagte mit ihren Rechtsausführungen, die zwangsläufig von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehen müssen, im Zusammenhang des zu Punkt 1 der Feststellungen behandelten Fragenkomplexes auch keine Eheverfehlungen des Klägers geltend machen will. Gerade auf Eheverfehlungen des Klägers zielen aber wesentliche Teile der Ausführungen der Beweisrüge der Beklagten zu Punkt 1 der Feststellungen ab, in denen geltend gemacht wird, dass es der Kläger gewesen sei, der nach der Geburt des gemeinsamen Kindes seine Freizeit alleine verbracht und entsprechende Vorbehalte mit dem Hinweis beantwortet habe, sie habe das von ihr gewollte Kind und sei daher ohnedies nicht allein.
Die Einwände gegen die ebenfalls zu Punkt 1 getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit der Anschaffung des Motorrades und den Motorradtouren des Klägers bezeichnet das Berufungsgericht sogar teilweise als richtig; es sei aber nicht ersichtlich, was die rechtliche Konsequenz der gewünschten Feststellung sei. Damit bleibt aber außer Acht, dass die Frage, ab wann und in welchem Umfang der Kläger alleine Motorradtouren unternahm, im engen Zusammenhang mit dem einen Schwerpunkt der Tatsachenrüge bildenden Standpunkt der Beklagten steht, dass es der Kläger war, der dadurch, dass er seine Freizeit allein verbrachte, die Zerrüttung der Ehe einleitete. Das Berufungsgericht verkennt mit seiner Argumentation, dass es um die Gewinnung eines Gesamtbildes der Ursachen für die Zerrüttung der Ehe geht, sodass es von vornherein verfehlt ist, jeden einzelnen Teilaspekt im dazu erstatteten Vorbringen mit spitzfindigen Argumenten gesondert auf seine rechtliche Relevanz zu prüfen.
Die im Zusammenhang zu Punkt 1 der Feststellungen vorgebrachten Argumente des Berufungsgerichtes sind daher ungeeignet, das Unterbleiben der Erledigung der dazu erstatteten Beweisrüge zu rechtfertigen.
Nichts anderes gilt für die Ausführungen zu Punkt 3 der Feststellungen, in denen der Beklagten vorgeworfen wird, schon vor August 1998 die Haushaltsführung durch Unterlassung der Zubereitung von Mahlzeiten und der Versorgung der Wäsche verletzt zu haben. Die Beklagte strebt in ihrer Beweisrüge den Entfall der entsprechenden Feststellungen an, was vom Berufungsgericht als rechtlich nicht relevant abgetan wird. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könnte nämlich nur eine positive Feststellung über die Erfüllung der Haushaltspflichten zu Gunsten der insoweit beweispflichtigen Beklagten ausschlagen. Eine solche positive Feststellung habe aber die Beklagte - obwohl sie möglicherweise den entsprechenden Beweis hätte erbringen können - nicht beantragt. Mit diesen Ausführungen stellt das Berufungsgericht allerdings die im Ehescheidungsverfahren geltende Beweislastverteilung geradezu auf den Kopf. Eheverfehlungen des beklagten Ehepartners hat der klagende Ehepartner zu beweisen, der sich darauf beruft. Dies gilt auch für die vom Kläger behauptete Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Beklagte. Dass sich eine solche Eheverfehlung durch Unterlassung gebotener Verrichtungen auswirkt, kann daran nichts ändern. Da somit der Kläger für die von ihm behauptete Vernachlässigung des Haushalts durch die Beklagte beweispflichtig ist, würde der Beklagten, deren Einwände gegen diese Feststellungen vom Berufungsgericht als beachtlich bezeichnet werden, der Entfall der bekämpften erstgerichtlichen Feststellung zum Vorteil gereichen. Auch insofern ist daher die Begründung des Berufungsgerichtes, mit der es die Behandlung der Beweisrüge abgelehnt hat, verfehlt.
Auch auf die Einwände der Beklagten gegen die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Nächtigen der gemeinsamen Tochter im Ehebett ist das Berufungsgericht nicht eingegangen, obwohl es ausführt, dass gegen die entsprechende Beweiswürdigung des Erstgerichtes gravierende Bedenken bestünden. Dies begründet es mit dem Umstand, dass die Rechtsrüge der Beklagten darauf hinauslaufe, "dass die Beklagte überhaupt kein Verschulden treffe". Diese - weitgehend unverständliche - Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Zum einen geht es nicht an, beachtliche Einwände in der Tatsachenrüge unter Hinweis auf Argumente der Rechtsrüge, die vom festgestellten Sachverhalt ausgehen muss, als unbeachtlich zu behandeln. Zum anderen ist die Argumentation der Beklagten in ihrer Bekämpfung der entsprechenden Feststellungen über die unmittelbare Frage des Nächtigens des Kleinkinds im Ehebett hinaus von größerer Bedeutung, weil ja das Erstgericht insofern einen Zusammenhang mit dem Auszug des Klägers aus dem Schlafzimmer hergestellt hat. Auch in diesem Zusammenhang ist das Berufungsgericht darauf zu verweisen, dass es um die Gewinnung eines möglichst umfassenden Gesamtbildes der für die Zerrüttung der Ehe maßgebenden Umstände geht und nicht um die isolierte Analyse einzelner Aspekte, die zwangsläufig die Gefahr von Über- oder Unterbewertungen mit sich bringt.
Aus eben diesem Grund hat das Berufungsgericht auch zu Unrecht die Erledigung der zu Punkt 4 erhobenen Beweisrüge abgelehnt.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass sich das Berufungsgericht im erörterten Umfang zu Unrecht nicht mit der Beweisrüge der Beklagten auseinandergesetzt hat. Es ist daher erforderlich, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen, das - soweit es (wie es in seiner Entscheidung erkennen ließ) Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hat - die dazu vom Erstgericht aufgenommenen Beweis zu wiederholen haben wird.
Schon jetzt ist aber festzuhalten, dass auch die Ausführungen des Berufungsgericht zur angeblichen Unschlüssigkeit der Rechtsrüge unzutreffend sind: Das Berufungsgericht interpretiert das Berufungsvorbringen dahin, dass die Beklagte damit auf den Ausspruch des Alleinverschuldens des Klägers abziele. Da sie derartiges aber in ihrem Berufungsantrag nicht anstrebe, müsse auch im Falle des Fehlens eines Verschuldens der Beklagten das deren Alleinverschulden aussprechende Ersturteil bestätigt werden.
Auch dieses Ergebnis, dem die Revisionswerberin mit dem Standpunkt entgegentritt, dass im Falle ihrer Verschuldensfreiheit das Klagebegehren von Amts wegen hätte abgewiesen werden müssen, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage, die Anlass zu folgenden Ausführungen gibt:
Im Eheverfahren kann der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist. Bei einer Ehescheidung aus Verschulden ist allerdings die Annahme irgendeines Verschuldens des Beklagten präjudiziell für den Scheidungsausspruch. Es steht den Parteien im Falle einer Verschuldensscheidung daher frei, nur den Verschuldensausspruch anzufechten, sodass das Gericht grundsätzlich den unangefochten gebliebenen Ausspruch über die Ehescheidung nicht mehr überprüfen darf, wenn feststeht, dass den beklagten Ehegatten ein Verschulden trifft, die Frage der Mitschuld des Klägers und die allfällige Gewichtung der Verschuldensanteile aber noch erörterungsbedürftig ist (SZ 59/64; SZ 59/221; RIS-Justiz 0056864; zuletzt etwa 1 Ob 542/90; 9 Ob 158/99x). Daraus wurde in der von der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung 7 Ob 641/84 (insoweit veröffentlicht in EFSlg 48.777) und auch in der Entscheidung JBl 1987, 519 der Schluss gezogen, dass das Gericht auch im Falle einer Anfechtung nur des Verschuldensausspruchs ohne darauf gerichteten Rechtsmittelantrag das Klagebegehren abzuweisen habe, wenn es zu einer Verneinung jeglichen Verschuldens des Beklagten kommt. Diese Frage stellt sich aber hier nicht, weil die Beklagte in ihrer Berufung den Ausspruch der Scheidung, aber auch den Umstand, dass ihr ein Verschulden zugemessen wurde, unbekämpft ließ und demgemäß die Abänderung des Ersturteils nur dahin begehrte, dass das überwiegende oder zumindest gleichteilige Verschulden des Klägers ausgesprochen werde. Den Berufungsausführungen ist nichts zu entnehmen, was diese angesichts des Rechtsmittelantrags gebotene Beurteilung in Frage stellen könnte. Das Ersturteil ist daher im Ausspruch über die Scheidung und darüber, dass die Beklagte daran ein Verschulden trifft, in Rechtskraft erwachsen (2 Ob 572/86). Da somit bindend feststeht, dass die Ehe geschieden ist und die Beklagte daran ein Verschulden zu vertreten hat, kommt eine Abweisung des Klagebegehrens im Sinne der Ausführungen der in der Revision zitierten Entscheidung 7 Ob 641/84 nicht in Betracht.
Damit ist aber auch klar, dass von einer Unschlüssigkeit des Berufungsvorbringens nicht die Rede ist. Klares Ziel der Berufung war es, die Abänderung des Ersturteils im Sinne des Ausspruchs des überwiegenden bzw des gleichteiligen Verschuldens des Klägers erreichen. Dass die Beklagte demgemäß in ihren Berufungsausführungen bestrebt ist, Eheverfehlungen des Klägers darzulegen und nichts zur Frage eines (gar nicht mehr strittigen) Eigenverschuldens vorbringt, liegt in der Natur der Sache und macht das Berufungsvorbringen nicht unschlüssig.
Das Berufungsgericht wird daher die zur abschließenden Beurteilung erforderliche Tatsachengrundlage zu schaffen und sodann zu entscheiden haben, ob auch den Kläger ein Verschulden trifft und - gegebenenfalls - wie dieses Verschulden im Verhältnis zum Verschulden der Beklagten zu gewichten ist.
Die Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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