OGH 5Ob260/01y

OGH5Ob260/01y27.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Mag. Arch. Richard S*****, vertreten durch Dr. Martina Zadra, Rechtsanwältin in 1190 Wien, gegen die Erlagsgegnerin Karin M*****, infolge Revisionsrekurses des Erlegers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. September 2001, GZ 45 R 506/01x-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 16. August 2001, GZ 2 Nc 133/01k-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 25. 8. 2001 stellte der Erleger beim Erstgericht den Antrag, den beabsichtigten Erlag von S 25.840,-- (davon eine Hälfte in bar, die andere Hälfte in Form eines Verrechnungsschecks) unter der Bedingung anzunehmen, dass er nur über Antrag der Erlagsparteien oder auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung - beispielsweise auf Feststellung, dass keine restliche Werklohnforderung der Erlagsgegnerin besteht oder dass der Erlag nicht gerechtfertigt war - ausgefolgt wird. Er begründete sein Begehren im Wesentlichen damit, dass die Erlagsgegnerin die Herausgabe eines reparierten PKWs wegen eines angeblich noch offenen Werklohns von restlich S 25.840,-- verweigere, während der Erleger den Standpunkt vertrete, den vereinbarten Werklohn (der mit S 35.000,-- "gedeckelt" gewesen sei) zur Gänze bezahlt zu haben und nichts mehr zu schulden. Der Erlag diene daher der Abwendung des von der Erlagsgegnerin behaupteten Zurückbehaltungsrechts.

Das Erstgericht wies den Erlagsantrag zurück, weil sich der Gerichtserlag nach § 1425 ABGB nicht als Sicherheitsleistung iSd § 471 Abs 2 ABGB eigne; das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Vorweg sei darauf hinzuweisen, dass eine Entscheidung über die Annahme eines erst in Zukunft vorzunehmenden Erlags im Sinne des § 1425 ABGB im Gesetz nicht vorgesehen sei, weil ein Erlagsantrag einen tatsächlich vorgenommenen Gerichtserlag voraussetze (4 Ob 550/90 = NZ 1992, 9). Dass die Einzahlung im vorliegenden Fall tatsächlich erfolgte, sei dem Akt nicht zu entnehmen. Schon aus diesem Grund wäre Erlagsantrag zurückzuweisen gewesen.

Es liege aber auch kein tauglicher Erlagsgrund im Sinne des § 1425 ABGB vor.

Gemäß § 471 Abs 2 ABGB könne die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach § 471 Abs 1 ABGB durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, wobei Bürgen ausgeschlossen sind. Gemäß § 1373 ABGB habe eine Sicherstellung primär durch Pfandbestellung an beweglichen oder unbeweglichen Sachen, subsidiär durch Bürgen zu erfolgen. Diese Bestimmung schließe zwar eine Sicherstellung durch Gerichtserlag nicht aus, weshalb auch hiedurch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 ABGB abgewendet werden könne (2 Ob 433/49 = SZ 23/167), und es sei unter "Schuld" im Sinne des § 1425 ABGB auch eine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu verstehen, durch die ein Zurückbehaltungsrecht abgewendet werden kann, doch bedeute dies nicht, dass die gerichtliche Hinterlegung einer solchen Sicherheit gemäß § 1425 ABGB ohne Vorliegen tauglicher Erlagsgründe zulässig ist. Dass der Sicherstellungsgeber in der Regel ein großes Interesse daran hat, den zur Sicherheit hingegebenen Vermögenswert gegebenenfalls rasch wieder zurückzuerlangen, stelle als bloßes Sicherungsinteresse des Hinterlegers noch keinen tauglichen "anderen wichtigen Grund" für einen Erlag dar. Von einem solchen könne nach herrschender Meinung nur gesprochen werden, wenn dieser nicht in der Person des Schuldners liegt, sondern aus der Sphäre des Gläubigers stammt. Als anderer wichtiger Grund werde insbesondere der Gläubigerverzug, die Mehrheit von Forderungsprätendenten und die Unklarheit der Rechtslage angesehen (Näheres siehe Harrer/Haidinger in Schwimann2, § 1425 Rz 10 ff).

Der vom Rekurswerber geltend gemachte Erlagsgrund der "Unzufriedenheit" des Gläubigers, worunter in der Regel der Gläubigerverzug zu verstehen sei (Harrer/Haidinger aaO Rz 9), liege nicht vor. Dass die Erlagsgegnerin die Zahlung eines Betrages von S 35.000,-- durch den Erleger nicht als Voll-, sondern nur als Teilzahlung gelten lassen will, würde diesen nämlich nur zur Hinterlegung des (dann nicht geleisteten) Betrages von S 35.000,-- berechtigen. Nicht vorgebracht worden sei hingegen, dass die Erlagsgegnerin sich geweigert hätte, eine ordnungsgemäß angebotene Sicherheit für den strittigen Restbetrag von S 25.840,-- (in Form eines Pfandes oder eines vinkulierten Sparbuches) anzunehmen. Der Erlagsantrag sei daher zu Recht abgewiesen worden.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Sicherheit nicht doch durch Gerichtserlag geleistet werden kann, fehle nämlich, soweit überblickbar, oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Erleger primär die Stattgebung seines Erlagsantrags an; hilfsweise sollen die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen werden. Dieses Rechtsmittel ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die schon vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht, dass die in § 471 Abs 2 ABGB zur Abwendung eines geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts vorgesehene Sicherheitsleistung auch durch den gerichtlichen Erlag der strittigen Schuld erbracht werden kann. Das entspricht der bisherigen Judikatur (SZ 23/167; vgl SZ 12/138) und wird offenbar auch von der Lehre befürwortet (Hinteregger in Schwimann2, Rz 26 zu § 471 ABGB; Schuhmacher in Straube2, Rz 25 zu § 369 HGB). Zu rechtfertigen ist dies damit, dass § 1373 ABGB, der nähere Ausführungen darüber enthält, auf welche Art in der Regel Sicherstellung zu leisten ist, den Vorrang der Pfandbestellung nur für den Fall der geschuldeten, aber vertraglich nicht näher festgelegten Sicherheitsleistung festschreibt.

Das befreit den Erleger nicht von der Verpflichtung, einen für den Gerichtserlag der Sicherheitsleistung genügenden wichtigen Grund nach § 1425 ABGB darzutun, was im gegenständlichen Fall - entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen - auch geschehen ist. § 1425 ABGB nennt als Erlagsgrund ua die Unzufriedenheit des Gläubigers mit der angebotenen Leistung. Darunter wird von der Judikatur auch der Fall subsumiert, dass der Schuldner meint, mit dem bereits Geleisteten seine Verpflichtung zur Gänze erfüllt zu haben, während der Gläubiger nur eine Teilerfüllung gelten lassen will. Eine solche Auseinandersetzung um den Annahmeverzug und seine Folgen berechtigt den Schuldner zum Gerichtserlag des Differenzbetrages (vgl JBl 1934, 14; SZ 26/95), der gleichzeitig dem Gläubiger eine iSd § 471 Abs 2, § 1374 ABGB angemessene Sicherheit für die Durchsetzung seiner Forderung auch nach Herausgabe der zurückbehaltenen Sache bietet. Zu Recht beruft sich daher der Revisionsrekurswerber darauf, einen nach § 1425 ABGB ausreichenden Erlagsgrund behauptet zu haben.

Dennoch ist sein Erlagsgesuch nicht berechtigt. Einem Erlagsantrag darf nämlich nur stattgegeben werden, wenn der Erlag bereits tatsächlich erfolgt ist (NZ 1992, 9; Reischauer, Einige Gedanken zur Hinterlegung nach § 1425 ABGB, ÖJZ 2001, 453 [457] bei FN 52). Gegen diese Rechtsansicht bringt der Revisionsrekurswerber nur vor, bei seiner Vorgangsweise, schon vor dem Erlag um dessen Annahme anzusuchen, auf eine Auskunft der Verwahrabteilung des angerufenen Gerichts vertraut zu haben und im Übrigen auch durch die Bestimmung des § 298 Abs 2 lit b Geo gedeckt zu sein, die einen Gerichtsauftrag als (mögliche) Beilage zu einem Erlagsgesuch erwähnt. Der erkennende Senat sieht sich jedoch gerade im gegenständlichen Fall nicht veranlasst, von der in NZ 1992, 9 vertretenen Rechtsansicht abzugehen, die Stattgebung eines Erlagsantrags setze die tatsächliche Hinterlegung voraus. Abgesehen davon, dass für die Rechtswirkungen eines Erlages - ob er rechtmäßig und mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt - immer die Umstände zur Zeit der gerichtlichen Hinterlegung maßgebend sind (RdW 2000, 211 mwN), was generell für die zitierte Rechtsmeinung spricht, muss gerade für die Sicherstellung eines Gläubigers gefordert werden, dass über die Annahme eines Gerichtserlags erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Hinterlegung entschieden werden kann, weil ja die Sicherstellung - also das mit dem Gerichtserlag angepeilte Ziel - erst mit der tatsächlichen Leistung bewirkt wird (Schuhmacher aaO mwN). ISd § 1425 ABGB zu rechtfertigen ist daher ein solcher Erlag nur durch die Überreichung der Sicherheitsleistung bei Gericht.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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