OGH 6Ob271/01y

OGH6Ob271/01y8.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriel G*****, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Edeltraud G*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Juni 2001, GZ 2 R 184/01z-51, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. Jänner 2001, GZ 2 C 117/99b-40, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es aussprach: "Die .... Ehe wird aus dem Verschulden der Beklagten geschieden; den Kläger trifft ein Mitverschulden".

Rechtliche Beurteilung

Die Fassung dieses Spruches entspricht dem § 60 EheG. Wird demnach die Ehe im Falle einer Widerklage oder eines Mitschuldantrages der beklagten Partei aus beiderseitigem Verschulden geschieden, so sind beide Parteien für schuldig zu erkennen. Der ausdrückliche Ausspruch einer Scheidung aus "gleichteiligem" Verschulden ist im Gesetz nicht vorgesehen. (Nur) für den Fall, dass das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen ist, ist auszusprechen, dass seine Schuld überwiegt.

Wie sich aus der Begründung des Urteiles des Berufungsgerichtes ergibt, erachtete es das Verschulden der Beklagten an der Ehescheidung - im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichtes - nicht als erheblich schwerer als jenes des Klägers. Deshalb gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten teilweise, nämlich insoweit Folge, als es das Ersturteil im Sinn einer Abstandnahme vom Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Beklagten abänderte. Es liegt somit weder ein Widerspruch im Urteilsspruch selbst vor noch eine mangelnde Überprüfbarkeit des Urteiles des Berufungsgerichtes infolge fehlender oder unzureichender Begründung. Der in der Revision geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nicht gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beantwortung der Frage, ob ein Scheidungsgrund nach § 49 EheG vorliegt, nicht jeder einzelne als Eheverfehlung geltend gemachte Tatbestand für sich allein, sondern das Gesamtverhalten des beklagten Ehepartners zu beurteilen, sodass es keine Rolle spielt, wenn einzelne Verfehlungen einmal verziehen wurden. Verfristete Eheverfehlungen sind bei der Verschuldensabwägung zu berücksichtigen, wenn dies der Billigkeit entspricht (RIS-Justiz RS0056171).

Ob die Heranziehung verziehener oder verfristeter Eheverfehlungen der Billigkeit entspricht, ist ebenso wie die Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Frage des Einzelfalles, die mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht revisibel ist. Eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalles ist dem Berufungsgericht, das die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Wertigkeit und Bedeutung wechselweiser Eheverfehlungen für den Verschuldensausspruch im Sinn des § 60 EheG beachtet hat, nicht vorzuwerfen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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